Die Ehewohnung bei Trennung und Scheidung – Fristen bei der Auseinandersetzung (BGH vom 10.03.2021 - XII ZB 243/20)

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Was ist eine Ehewohnung?

Die Ehewohnung ist jede Räumlichkeit, die von beiden Ehegatten nach den tatsächlichen Verhältnissen zu Wohnzwecken mit einer gewissen Regelmäßigkeit zeitweise benutzt wurde, oder die nach den gesamten Umständen jedenfalls dafür bestimmt war, einschließlich aller Nebenräume (wie z.B. Keller, Garage, Sporträume) und zugehörigem Garten.

Daher kann grds. auch ein Gartenhäuschen, eine Wohnlaube, das Ferienhaus, die Zweitwohnung oder ein Wohnwagen eine Ehewohnung sein.

Gewerblich genutzte Räume sind keine Ehewohnung; im Falle einer gemischten Benutzung liegt eine Ehewohnung vor, wenn die familiäre Nutzung überwiegt.

Die Einstufung als Ehewohnung geht darüber hinaus auch nicht bereits durch den (endgültigen) Auszug eines der Ehegatten oder die vorläufige richterliche Zuweisung verloren. Maßgebend ist allein die tatsächliche Nutzung bzw. Widmung in der Zeit vor dem Getrenntleben.

Die Qualifikation als Ehewohnung entfällt erst mit endgültiger Beendigung des Mietverhältnisses nach wirksamer Kündigung bzw. abschließender Einigung der Eheleute zur weiteren Verwendung der Ehewohnung oder entsprechender rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung nach § 1568a BGB

Wichtigste Fragestellung im Falle einer Trennung und Scheidung ist häufig

  • die tatsächliche räumliche Trennung, d.h. welcher der Ehegatten darf zunächst in der Immobilie verbleiben?
  • die Auseinandersetzung der ehelichen Immobilie im Eigentum beider oder eines Ehegatten oder eines gemeinsamen Mietvertrages, d.h. wer darf langfristig in der Immobilie verbleiben?

Die Frage der tatsächlichen Nutzung ist dabei von der Frage der Eigentumsverhältnisse zunächst unabhängig.

1. Rein tatsächliche Nutzung der Ehewohnung

Ein eigenmächtiges Handeln eines Ehegatten im Hinblick auf die Ehewohnung ist gesetzlich nicht zulässig.

D.h. wird z.B. ein Ehegatte vom anderen aus der Wohnung ausgesperrt, stellt dies eine sog. Verbotene Eigenmacht dar. Der andere Ehegatte könnte dann die Wiedereinräumung des (Mit-)Besitzes an der Ehewohnung zum Zwecke des Getrenntlebens innerhalb der Wohnung analog § 1361b BGB bzw. ohne Trennungsabsicht nach § 861 BGB verlangen.

Wird eine räumliche Trennung seitens der Eheleute angestrebt, um den Ablauf des Trennungsjahres endgültig in Gang zu setzen, und können sich die Eheleute nicht einigen, wer von beiden die Immobilie zunächst weiterhin bewohnt, kann ein Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung gestellt werden.

Hierbei unterscheidet man zwischen

  • Antrag auf vorläufige Zuweisung der Ehewohnung bis zur Rechtskraft der Scheidung, § 1361b BGB

Die Ehewohnung, kann vorläufig einem Ehegatten zur Benutzung zugewiesen werden, um eine unbillige Härte zu vermeiden, § 1361b I 1 BGB.

Eine unbillige Härte liegt vor, wenn einem Ehegatten die Fortsetzung der häuslichen Gemeinschaft unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls bei objektiver Betrachtung nicht mehr zuzumuten ist.

Eine unbillige Härte kann insbesondere durch die Beeinträchtigung des Wohls von im Haushalt lebender Kindern, § 1361b I 2 BGB, oder bei angedrohter oder geübter häuslicher Gewalt, § 1361b II 2 BGB, gegeben sein.

Keine Relevanz für eine unbillige Härte hat grds. ein Verschulden eines Ehegatten, welches zum Scheitern der Ehe geführt hat, soweit nicht bereits das Kindeswohl zu beachten ist oder ein exzessives Fehlverhalten vorliegt, welches im Einzelfall eine abweichende Betrachtung rechtfertigt.

Die Eigentumsverhältnisse oder sonstigen Rechte an der Wohnung sollen im Rahmen der Gesamtabwägung berücksichtigt werden, § 1361b I 3 BGB.

Zu beachten sind im Rahmen einer Gesamtabwägung insbesondere

  1. Alter und Gesundheitszustand der Ehegatten
  2. Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten
  3. Bewohnen der Wohnung bereits vor Eheschließung
  4. Unberechtigte Zwangsmaßnahmen gegen den anderen Ehegatten

Beweislast in einem entsprechenden Verfahren auf Zuweisung trägt trotz Amtsermittlungsgrundsatzes der Ehegatte, welcher die Zuweisung der Ehewohnung beantragt.

Insbesondere Verhaltensweisen des anderen Ehegatten wie z.B. „Beschimpfungen“ oder „Bedrohungen“ müssen nach Zeit, Ort, Umständen und konkreten Folgen genau dargelegt werden.

Liegt keine unbillige Härte dadurch vor, dass die Ehewohnung dem trennungswilligen Ehegatten nicht überlassen wird, bleibt es beim Grundsatz, dass dieser die Wohnung selbst verlassen muss.

Wird die Ehewohnung einem Ehegatten zugewiesen, hat der andere Ehegatte alles zu unterlassen, dass geeignet ist, die Ausübung des Nutzungsrechts zu erschweren oder zu vereiteln, § 1361b III 1 BGB. Hierzu zählen v.a.

  • Verbot, die Wohnung zu betreten,
  • Gebot, alle Schlüssel herauszugeben,
  • Verbot, Mobiliar zu entfernen
  • Verbot, die allein angemietete Wohnung zu kündigen

Der weichende Ehegatte kann gem. § 1361b III BGB eine Nutzungsvergütung für die Wohnung bis zur Rechtskraft der Scheidung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht.

Zu beachten ist insoweit das familienrechtliche Doppelverwertungsverbot.

Ist der Vorteil des Wohnens im Eigentum des anderen Ehegatten bereits anderweitig geregelt oder abgegolten (z.B. durch Ansatz eines Wohnvorteils für die gesamte Immobilie im Rahmen einer rechtskräftigen Unterhaltsentscheidung, oder durch Vereinbarung der Tilgung entsprechender gemeinsamer Darlehen für die Immobilie oder der alleinigen Hauslasten oder Miete) kommt eine Nutzungsvergütung in der Regel nicht mehr in Betracht, da entsprechende andere Gesichtspunkte im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen sind.

Die Nutzungsvergütung richtet sich entsprechend dem unterhaltsrechtlichen Wohnvorteil anhand der objektiven Marktmiete, kurz nach der Trennung bis zum endgültigen Scheitern der Ehe jedoch lediglich anhand der für eine angemessen kleinere Wohnung zu zahlenden Miete.

  • Antrag auf endgültige Zuweisung der Ehewohnung nach Rechtskraft der Scheidung, § 1568a BGB

Die Ehewohnung kann dauerhaft einem Ehegatten zur Benutzung zugewiesen werden, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist oder die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht, § 1568a I 1 BGB.

Das Eigentum eines der Ehegatten (oder Dritter) ist jedoch nicht mehr nur im Rahmen der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen (§ 1361b I 3 BGB), sondern vielmehr ist dem Nichteigentümer-Ehegatten die Ehewohnung nur dann ausnahmsweise dauerhaft zuzuweisen, wenn dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden, § 1568a II BGB.

D.h. der Regelfall ist die Zuweisung der Ehewohnung an den dinglich Berechtigten. Nur Ausnahmsweise wird dem nicht dinglich berechtigtem Ehegatten die Wohnung zugewiesen.

Der Begriff der unbilligen Härte entspricht dabei der Abwägung im Rahmen des § 1361b I BGB.

Aufgrund des Eingriffs in grundrechtlich geschützte Positionen (Eigentum) und des Ausnahmecharakters der Regelung sind an die Annahme einer unbilligen Härte jedoch strenge Anforderungen zu stellen.

Die bloße dringendere Bedürftigkeit der Wohnung genügt daher für eine dauerhafte Zuweisung der Wohnung des anderen Ehegatten nicht.

Notwendig sind vielmehr Anhaltspunkte wie:

  • Der Nichteigentümer Ehepartner ist finanziell nicht in der Lage sich und den durch ihn betreuten Kindern einen Ersatzwohnraum zu verschaffen.
  • Der Nichteigentümer Ehepartner ist aus beruflichen und finanziellen Gründen auf die Wohnung dringend angewiesen. Bloße Unannehmlichkeiten infolge eines Umzugs genügen jedoch nicht. Ausreichend ist aber, wenn sich z.B. der dem Unterhalt der Familie dienende Arbeitsplatz des Selbstständigen in der Wohnung befindet und nicht ausgelagert werden kann.
  • Der Nichteigentümer Ehepartner die Kindesbetreuung im Fall des Umzugs nicht sichern kann.

Ähnlich liegt die Lage bei Zuweisung einer Wohnung, die aufgrund eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses gewährt wird, § 1568a IV BGB.

Beweislast in einem entsprechenden Verfahren auf Zuweisung trägt trotz Amtsermittlungsgrundsatzes der Ehegatte, welcher die Zuweisung der Ehewohnung

Liegen bei Miteigentum beider Ehegatten keine die Billigkeit in eine Richtung ausschlagenden Gründe vor, hat eine Überlassung zu unterbleiben. Vielmehr richtet sich die Auseinandersetzung nach den Regelungen zur Gemeinschaft (§§ 741 ff. BGB).

Im Falle einer Mietwohnung tritt gem. § 1568a III BGB der zur Forderung der Überlassung Berechtigte mit Mitteilung an den Vermieter bzw. mit Rechtskraft einer gerichtlichen Zuweisungsentscheidung in den Mietvertrag ein, welcher fortan allein mit dem Vermieter fortgesetzt wird.

Im Falle der dauerhaften Zuweisung einer Immobilie im Alleineigentum des anderen Ehegatten oder im Miteigentum beider Ehegatten kann seitens beider Ehegatten die Begründung eines Mietvertrages gefordert werden, § 1568a V 1 BGB.

Hierfür ist eine sich an der objektiven Marktmiete orientierender Mietzins zu vereinbaren, §§ 1568a V 3 BGB. Die Mietdauer kann aus Gründen der Billigkeit (insofern z.B. Eigentum des Vermieter-Ehegatten und dessen Interesse an anderer Verwertung) auch befristet werden, § 1568a V 2 BGB.

Wird kein Mietverhältnis vereinbart, kann der weichende Ehegatte eine Nutzungsvergütung fordern gem. 745 II BGB.

Die Ansprüche auf Eintritt in ein Mietverhältnis nach § 1568a III BGB sowie auf Begründung eines Mietverhältnisses nach § 1568a V BGB erlöschen 1 Jahr nach Rechtskraft der Scheidung, so § 1568a VI BGB.

Diese Vorschrift hat jedoch nach neuester Entscheidung des BGH vom 10.03.2021 (- XII ZB 243/20) auch Wirkung auf die dingliche Zuweisung nach § 1568a I, II BGB, d.h. der Zuweisung der Ehewohnung an einen Ehegatten.

Dies bedeutet, dass der Ehegatte, der aufgrund unbilliger Härte die Überlassung des Wohnraumes verlangen könnte, dies nach Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung nicht mehr verlangen kann, wenn dies nicht zuvor gerichtlich geltend gemacht worden ist.

Dies bedeutet die nunmehr höchstrichterliche Klärung der bislang umstrittenen Frage, ab wann einer der Ehegatten bei Miteigentum an der Ehewohnung auch eine Teilungsversteigerung der Eigentümergemeinschaft beantragen kann, um sein darin enthaltenes Kapital freizusetzen, bzw. bis wann § 1568a BGB als lex specialis Vorrang genießt, d.h. die Überlassung der Wohnung gegen die Begründung eines Mietverhältnisses gefordert werden kann.

2. Auseinandersetzung der Eigentumsverhältnisse 

Die Auseinandersetzung der Immobilie erfolgt dabei auf verschiedene Möglichkeiten:

  • Teilungsvereinbarung der Eigentümer, d.h. einen einstimmigen, auf Beendigung der Gemeinschaft gerichteten Beschluss aller Teilhaber. Dieser kann gerichtet sein, auf
    • Teilung infolge der gemeinsamen, freihändigen Veräußerung des Objekts, sowie Teilung des Überschusses.
    • Teilung durch Übertragung von Miteigentumsanteilen auf andere Miteigentümer gegen Ausgleichszahlung.
  • Teilungsregeln der §§ 752 – 754 BGB, d.h. grds. der Teilung in Natur, alternativ durch Verkauf und Teilung des Erlöses.
    • Die einseitige Auseinandersetzung (d.h. auch gegen den Willen des anderen Miteigentümers) erfolgt dabei durch die gerichtliche Teilungsversteigerung.

Ein entsprechender Antrag ist im Zuge der obig genannten Rechtsprechung wohl spätestens nach Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung möglich.

Ein entsprechendes Verfahren ist jedoch stark risikobehaftet und erfordert taktischen Vorgehens, insbesondere wenn die Immobilie selbst (möglichst günstig) ersteigert werden soll, oder eine ebensolche Ersteigerung durch den anderen Ehegatten gerade verhindert werden soll.

Auch ist zu beachten, dass durch ein entsprechendes keine schnelle und kostengünstige Auseinandersetzung bewirkt wird, da die Teilungsversteigerung zum einen weder eine Entscheidung über die anschließende Verteilung des Erlöses bietet, zum anderen den vorherigen Einsatz weiterer Geldmittel zur Erstellung von Gutachten etc. erfordert.

Bei Fragen zur Auseinandersetzung bzw. Zuweisung der ehelichen Immobilie stehen wir im Rahmen einer kostenpflichtigen Erstberatung sowie anschließender Beauftragung gerne zur Verfügung.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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