Die GmbH in der Krise - Strategische Überlegungen (Teil I)

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Kaum ein anderes Risiko ist für den Geschäftsführer einer GmbH größer, als das Risiko einer Insolvenz der von ihm geführten Gesellschaft. Selten geht es aber um den Vorwurf, die Insolvenz verursacht zu haben, sondern fast immer um den Vorwurf angeblichen Fehlverhaltens während der Insolvenzreife. Diesem Vorwurf kann der Geschäftsführer entgegenwirken, wenn er weiß, was er im Vorfeld zu tun hat.

Zur Vorbereitung einer anwaltschaftlichen Beratung habe ich die meines Erachtens wichtigsten Punkte in zwei „Rechtstipps“ zusammengefasst. Teil I beinhaltet Hinweise auf allgemeine und grundsätzliche Fragen, während Teil II Hinweise zu den Themen Liquidität und Prozessvorsorge enthält.

I. Insolvenzantragspflicht

Gemäß § 15a Abs. 1 S. 1 InsO hat der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag „ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit“ zu stellen.

Grundsätzlich muss der Geschäftsführer unverzüglich den Antrag stellen und darf nur dann – ausnahmsweise – hiervon absehen, wenn konkrete objektive Anhaltspunkte dafür sprechen, dass es mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gelingen wird, die Zahlungsunfähigkeit innerhalb der kommenden drei Wochen zu beseitigen.

Die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags entfällt nicht dadurch, dass ein Gläubiger einen Antrag stellt.

II. Rechtsfolgen einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht

Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht hat sowohl strafrechtliche als auch berufsrechtliche und vor allem haftungsrechtliche Auswirkungen.

1. Strafrechtliche Auswirkungen

§ 15a Abs. 4 u. 5 InsO sieht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr (bei Fahrlässigkeit) bzw. bis zu drei Jahren (bei Vorsatz) vor. Aufgrund der Tatsache, dass die Insolvenzgerichte („Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen - MiZi“) verpflichtet sind, den Strafverfolgungsbehörden Insolvenzeröffnungen mitzuteilen, hat die Staatsanwaltschaft - von Amts wegen - prüfen, ob konkrete Anhaltspunkte für Straftaten vorliegen.

Im Falle einer Verfahrenseröffnung durch die Staatsanwaltschaft benötigt man einen erfahrenen Strafverteidiger mit guten insolvenzrechtlichen Kenntnissen.

2. Berufsrechtliche Auswirkungen

Wer rechtkräftig wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung verurteilt wird, wird für die Dauer von fünf Jahren ab Rechtskraft des Urteils „amtsunfähig“ für das „Amt“ des Geschäftsführers (Inhabilität, vgl. § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3a GmbHG).

Eine strafrechtliche Verurteilung hat stets einen Eintrag in das Bundeszentralregister zur Folge, bei einer Verurteilung von mehr als 90 Tagessätzen zusätzlich einen Eintrag als „vorbestraft“ in das Führungszeugnis.

3. Haftungsrechtliche Auswirkungen

Haftungsrechtliche Folgen bestehen zum einen in der Haftung des Geschäftsführers gegenüber Gesellschaftsgläubigern und zum anderen gegenüber dem Insolvenzverwalter wegen verbotener Minderung der Insolvenzmasse (vgl. § 64 GmbHG).

Gesellschaftsgläubiger klagen recht selten, da sie den erheblichen Aufwand im Vergleich zu dem zu erzielenden Ertrag scheuen.

Die größte Aufmerksamkeit des Geschäftsführers - im Rahmen seiner Strategieplanung – sollte daher immer der möglichen Haftung aus § 64 Satz 1 GmbHG gelten. Diese Vorschrift lautet:

„Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden.“

§ 64 S. 2 GmbHG ergänzt:

„Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.“

Hieraus ergibt sich die Pflicht der Geschäftsführer, nach Eintritt der Insolvenzreife die Masse zur Verwertung durch die Gläubiger zu erhalten.

Die große praktische Bedeutung der Haftung aus § 64 GmbHG beruht darauf, dass der Insolvenzverwalter „relativ“ wenig tun muss, um eine schlüssige Klage zu erheben, während der beklagte Geschäftsführer sehr viel Aufwand nötig hat, will er seine Verurteilung abwehren.

Der Insolvenzverwalter braucht nur Indizien vorzutragen, die rückblickend auf eine Zahlungseinstellung ab einem bestimmten Zeitpunkt schließen lassen. Dann wird gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO die Zahlungsunfähigkeit seit diesem Zeitpunkt vermutet. Gelingt es dem Geschäftsführer nicht, diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen, unterstellt das Gericht die Behauptung des Insolvenzverwalters als richtig.

Der Begriff der gemäß § 64 GmbHG zu erstattenden „Zahlungen“ wird von den Gerichten sehr weit ausgelegt wird. Erfasst werden nicht nur Geldzahlungen, sondern alle masseschmälernden Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen.

Die prozessuale Unterlegenheit des Geschäftsführers gegenüber dem Insolvenzverwalter zeigt sich auch bei der Frage des Verschuldens. Nach der Rechtsprechung wird das für die Haftung gemäß § 64 GmbHG erforderliche Verschulden des Geschäftsführers vermutet. Der Geschäftsführer muss also darlegen und beweisen, warum er die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft weder gekannt noch grob oder leicht fahrlässig verkannt hat.

Die besondere Bedeutung der „Insolvenzverschleppungshaftung“ ergibt sich daraus, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, den Anspruch geltend zu machen, will er eine eigene Haftung aus § 60 Abs. 1 InsO vermeiden.

Es ist daher keine Seltenheit, dass Geschäftsführer - aufgrund dieser Haftung – zusätzlich Privatinsolvenz beantragen müssen.

III. Grundsätzliches - Strategische Überlegungen

Es liegt im eigenen Interesse des Geschäftsführers gezielte strategische Überlegungen anzustellen. Anwaltliche Beratung, die den Umständen des Einzelfalls Rechnung trägt, kann durch diese Überlegungen nicht ersetzt, sondern bestenfalls unterstützt werden. Sämtliche Überlegungen können durch Änderung der gesetzlichen Vorgaben oder der Rechtsprechung hinfällig werden.

1.
Strategische Überlegungen in eigenen Angelegenheiten erfordern zunächst eine grundlegende Ausrichtung des Geschäftsführers auf sein persönliches Interesse. Dazu hat sich der Geschäftsführer der Frage zu stellen, ob er überhaupt bereit ist, den Herausforderungen einer Krisensituation entgegenzutreten. Wer eine Gesellschaft in und durch die Krise führen will, braucht Durchsetzungsvermögen. Konflikte drohen vor allem mit Gesellschaftern und mit Geschäftsführerkollegen.

Eine Abberufung des Geschäftsführers durch die Gesellschafter zu dem Zweck, die gebotene Antragstellung zu vereiteln, ist als Umgehungsgeschäft gemäß § 134 BGB unwirksam, so dass die Antragspflicht fortbesteht. Der Geschäftsführer kann von der Gesellschaft nur dann wirksam von der Antragspflicht befreit werden, wenn die Gesellschafter die Liquiditätslücke der Gesellschaft innerhalb der Dreiwochenfrist des § 15a Abs. 1 S. 1 InsO schließen.

Auch von einem nicht ressort-zuständigen Geschäftsführer wird verlangt, dass er den zuständigen Kollegen überwacht, damit Fehlentwicklungen – die Verletzung der Insolvenzantragspflicht ist eine besonders gravierende – erkannt und korrigiert werden. Es hilft nicht, sich später darauf zu berufen, man habe sich gegenüber dem zuständigen Geschäftsführer und den Gesellschaftern nicht durchsetzen können. Hier sollte – rechtzeitig – eine Amtsniederlegung erwogen werden.

2.
Der Geschäftsführer muss entschlossen sein, sich selbst strikte Grenzen zu setzen, um seine persönliche Haftung zu vermeiden. Der Geschäftsführer hat sich darüber im Klaren zu sein, wie er angesichts der Krise im Geschäftsverkehr auftritt und in welchem Umfang er überhaupt noch Geschäftsführer sein will.

Ein Geschäftspartner, der im Falle einer späteren Insolvenz der Gesellschaft einen Verlust erleidet, wird versuchen, den Geschäftsführer persönlich haftbar zu machen. Denkbar ist z.B. eine Haftung wegen Betrugs (§ 823Abs. 2 BGB, § 263 StGB) oder Kreditbetrugs (§ 823 Abs. 2 BGB, § 265b StGB). Um eine solche Haftung zu vermeiden, sollte der Geschäftsführer es auf jeden Fall unterlassen, die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft besser zu zeichnen, als sie ist. Im Übrigen sollte er kein Geschäft durch Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens des Geschäftspartners beginnen.

Jeder Geschäftsführer sollte sich rechtzeitig mit der Möglichkeit der Amtsniederlegung befassen. Ist die Insolvenzreife erst einmal eingetreten, kommt eine Niederlegung zu spät. Legt er dennoch nieder, ohne zuvor den gebotenen Antrag zu stellen, muss er sich so behandeln lassen, wie wenn er weiterhin Geschäftsführer wäre, als solcher die Antragspflicht verletzt und weitere Zahlungen i.S.d. § 64 GmbHG nicht unterbunden hätte.

3.
Schließlich sollte der Geschäftsführer für eine persönliche Versicherung (D&O-Versicherung) sorgen, um im Notfall Unterstützung zu erhalten. Eigentlich sollte sich jeder Geschäftsführer persönlich mit den Versicherungsbedingungen befassen, um zu gewährleisten, dass die individuell für ihn relevanten Risiken ausreichend gedeckt sind.

Zu achten ist auf einen rechtzeitigen Abschluss des Versicherungsvertrags.

Empfohlen sei der Abschluss einer selbstfinanzierten persönlichen D&O-Versicherung, und zwar zusätzlich zu der gesellschaftsfinanzierten Firmen-D&O-Versicherung. Die Prämien sind verhältnismäßig gering, sodass sich der eigene finanzielle Aufwand schon lohnt, wenn im Schadenfall nur wenige Anwaltsstunden vom Versicherer übernommen werden.

Der Vorteil einer persönlichen D&O-Versicherung besteht vor allem darin, dass der Insolvenzverwalter von ihr keine Kenntnis erlangt, wenn er die Unterlagen der Gesellschaft sichtet.

D&O steht für Directors and Officers, dies sind nach amerikanischem Sprachgebrauch Vorstände und Aufsichtsräte. Die D&O-Versicherung ist eine Berufshaftpflichtversicherung für Geschäftsführer, auch Managerhaftpflicht-Versicherung genannt. Hiermit werden sämtliche Geschäftsführertätigkeiten, vom operativen Geschäft bis hin zu strategischen Entscheidungen, haftungstechnisch abgedeckt. Empfohlen sei insoweit die Beratung durch einen qualifizierten Versicherungsmakler.

Fortsetzung in Teil II

Meine Kanzlei berät und vertritt Sie hinsichtlich der aufgeworfenen Fragestellungen und begleitet Sie –sofern erforderlich - sowohl im möglichen Vergleichsverfahren, Insolvenzverfahren und letztlich auch in einem möglichen Strafverfahren.

Die Beratung, die der Geschäftsführer nach Insolvenzeröffnung für sich persönlich in Anspruch nimmt, um zu Verteidigungszwecken rückblickend eine Liquiditätsbilanz und einen Liquiditätsplan erstellen zu lassen, hat er selbst zu bezahlen. Beratung, die der Geschäftsführer im Vorfeld für die Gesellschaft in Anspruch nimmt, um die Situation prüfen zu lassen, ist hingegen von der Gesellschaft zu bezahlen.

Meine Kanzlei bietet hierzu ein spezielles Rechtsprodukt unter www.anwalt.de – „Die GmbH in der Krise – Strategieberatung“ an.

V.i.S.d.P.:
Rechtsanwalt Jörg Streichert
Der Verfasser ist für den Inhalt verantwortlich.

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