Die ordentliche Gerichtsbarkeit in Strafsachen

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Für den Ausgang eines deutschen Strafverfahrens und die Höhe eines auf Geldstrafe, Freiheitsstrafe oder Freispruch lautenden Urteils ist von erheblicher Bedeutung, wo die Strafsache, also bei welchem Strafgericht, erstinstanzlich verhandelt wird.

Man spricht vom Spruchkörper des Gerichts (z. B. Schwurgericht, welches als große Strafkammer zusammentritt) auf der Ebene der Instanz (Landgerichte). 

Das in §§ 7, 9 des Strafgesetzbuches (StGB) verankerte Tatortprinzip regelt zunächst, dass die Straftat dort angeklagt wird, wo die Tat (vermeintlich) begangen wurde. Dies bedeutet, die am Gerichtsbezirk ansässige Staatsanwaltschaft wird Anklage erheben gegen die oder den Beschuldigten im entsprechenden Gerichtsbezirk („Tatortprinzip“). Dieser Tatort bestimmt auch den Ort der das Strafverfahren absichernden Untersuchungshaft, d. h. der oder die Beschuldigte/n werden in Untersuchungshaftanstalten oder Justizvollzugsanstalten des Tatgerichts festgehalten.

Die Zuständigkeit des Gerichts (Spruchkörper und Instanz) regelt das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Es existieren darin 02 verschiedene Ebenen der „Gerichtsermittlung“:

dem sog. Strafbann (orientiert an der etwaigen Rechtsfolge des kommenden Prozesses) und der ausdrücklich gesetzlichen zugewiesenen Zuständigkeit des Gerichts (festgelegt durch das Gesetz).

Letzteres erklärt sich mit dem Gesetzeswortlaut und besagt, dass einige Straftaten immer vor dem entsprechenden Gericht verhandelt werden müssen.

1. Amtsgerichte/AG

Das „niedrigste“ Gericht des Instanzenzugs im ordentlichen Gerichtsaufbau (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht/Kammergericht, Bundesgerichtshof) ist das Amtsgericht.

In Strafsachen richten dort entweder der Strafrichter oder das Schöffengericht oder das erweiterte Schöffengericht als Spruchkörper über Menschen, welche der Verletzung von Strafgesetzen angeklagt werden.

Der Strafrichter, auch Einzelrichter genannt,– weil er einzeln verhandelt und urteilt – entscheidet nach § 25 GVG bei Vergehen (siehe § 12 StGB) wenn sie im Wege der Privatklage verfolgt werden oder wenn eine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von zwei Jahren nicht zu erwarten ist.

Das Schöffengericht besteht aus einem Richter als Vorsitzenden und zwei Schöffen (sog. Laienrichter, da keine Juristen, Siehe § 30 GVG). Es ist zuständig, wenn eine Freiheitsstrafe bis zu 4 Jahren droht (Strafbann) oder bei Verbrechen, § 29 GVG.

Bei Eröffnung des Hauptverfahrens kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Zuziehung eines zweiten Richters beim Amtsgericht beschlossen werden, wenn dessen Mitwirkung nach dem Umfang der Sache notwendig erscheint (erweitertes Schöffengericht).

Das Amtsgericht ist ferner immer zuständig bei Verfahren nach Einspruch gegen einen Strafbefehl (§§ 407 ff StPO) oder bei Verfahren bei Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid (häufig: Verkehrsstrafsachen).

2. Landgerichte /LG

Die kleinen Strafkammern am Landgericht treten z. B. zusammen und sind zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Strafrichters und des Schöffengerichts.

Ansonsten sind die Strafkammern am Landgericht als erkennende Gerichte des ersten Rechtszuges zuständig für alle Verbrechen, die nicht zur Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Oberlandesgerichts gehören.

Die Strafkammern am Landgericht sind auch zuständig für alle Straftaten, bei denen eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe (Strafbann) oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist oder bei denen die Staatsanwaltschaft in den Fällen des § 24 Abs. 1 Nr. 3 Anklage beim Landgericht erhebt. Weiter drängt § 74 Abs. 2 GVG den Gerichten die Verbrechen zu verhandeln: (Gesetzeszuweisung): sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Todesfolge, sexuellen Übergriffs mit Todesfolge, der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge (§ 178 Strafgesetzbuch), Mord, Totschlag, Aussetzung mit Todesfolge Körperverletzung mit Todesfolge usw., bei welcher eine Strafkammer als Schwurgericht zuständig ist.

3. Oberlandesgerichte (in Berlin: das Kammergericht) OLG (KG)

Am Oberlandesgericht bzw. am Kammergericht sind Senate gebildet und zur Entscheidung berufen, ab dieser Instanz sind Schöffen weder beteiligt noch zur (Mit-)entscheidung berufen. Es entscheiden 3 Berufsrichter inkl. einem dem Senat vorsitzenden Richter über die Revision gegen Berufungsurteile des Landgerichts und über die Sprungrevision gegen amtsgerichtliche Urteile sowie für die Beschwerde gegen Beschlüsse gegen das Landgericht (z. B. Haftfortdauerbeschwerde).

In Strafsachen sind die Oberlandesgerichte, in Berlin genannt das Kammergericht, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, für das Gebiet des Landes zuständig für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug bei Hochverrat (§§ 81 bis 83 Strafgesetzbuch), bei Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 100a Strafgesetzbuch) also im Terror-Strafrecht.

Diese Oberlandesgerichte sind ferner für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug zuständig bei den in § 74a Abs. 1 bezeichneten Straftaten, wenn der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles nach § 74a Abs. 2 die Verfolgung übernimmt, bei Mord (§ 211 Strafgesetzbuch), Totschlag (§ 212 Strafgesetzbuch) und den in § 129a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 StGB bezeichneten Straftaten, wenn ein Zusammenhang mit der Tätigkeit einer nicht oder nicht nur im Inland bestehenden Vereinigung besteht, deren Zweck oder Tätigkeit die Begehung von Straftaten dieser Art zum Gegenstand hat, und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt, bei Mord, Totschlag, erpresserischem Menschenraub etc. und § 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen, wenn die Tat nach den Umständen geeignet ist, die äußere Sicherheit oder die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, oder bestimmt und geeignet ist, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt.

4. Der Bundesgerichtshof (BGH)

Weil der Bundesgerichtshof eine reine Rechtsmittelinstanz ist, wird dort keine Beweisaufnahme mehr mit Tatfragen (wie etwa bei der Berufung gegen Urteile des Amtsgerichts) mehr durchgeführt. Gegenstand strafrechtlicher Revisionen sind zumeist Fälle schwerer Kriminalität sowie Staatsschutzdelikte.

Der Bundesgerichtshof ist das oberste Gericht (aber kein Verfassungsorgan) und somit die letzte Instanz in Strafsachen, mit seinem Sitz in Karlsruhe wird von dort als reine Rechtsmittelinstanz über Revisionen der Landes- und Oberlandesgerichte (Kammergericht in Berlin) entschieden. Für Berlin ist übrigens der 5. Strafsenat mit Sitz in Leipzig zuständig.

Es gibt insgesamt 5 Strafsenate mit jeweils 6-8 Richtern inkl. einem Vorsitzenden. Die Zuständigkeit eines Senates beruht auf dem Ortsprinzip und teilweise auf sachlichen Kriterien, beispielsweise ist der 4. Senat zuständig für Verkehrsstrafsachen. 

Der große Senat beim BGH tritt zusammen, wenn von bisheriger Rechtsprechung abgewichen wird, aber bundeseinheitliche Rechtsprechung in gewissen Rechtsfragen geschaffen werden soll.

Die Revision zum BGH kann vom Angeklagten, der Staatsanwaltschaft oder der Nebenklage eingelegt werden. Es wird sodann in einer Hauptverhandlung durch Urteil entschieden, in welcher nur Rechtsfragen, nicht aber Tatfragen erörtert werden. Bei Erfolg der Revision kommt es zur Aufhebung des Urteils (§ 353 StPO) und zur Zurückweisung der Sache zwecks Neuverhandlung ans Ursprungsgericht. Eine eigene Entscheidung trifft der BGH nur, wenn keine weiteren Tatsachen erhoben werden müssen und keine neue Strafzumessung erforderlich ist.

Eine letzte Besonderheit besteht beim BGH, da hier der Generalbundesanwalt als weisungsgebundener Beamter unter dem Bundesministerium für Justiz die Anklage vor dem BGH vertritt bei Zuständigkeit der Delikte gegen die innere Sicherheit (Terrorismus), äußere Sicherheit (Landesverrat, Spionage und Verstößen gegen das Völkerstrafgesetzbuch (z. B. Völkermord).

Daniel Lehnert RA, FAStR, PDoz in Berlin


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