Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

„Drei, zwei, eins … meins!“ bald auch bei Zwangsversteigerungen?

  • 4 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Die vom Bundesrat in einem Gesetzentwurf am 11. Mai beschlossene Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens stößt nicht nur bei Bundesjustizministerin Zypries auf Skepsis. Welche Änderungen sind für die Zwangsvollstreckung geplant und wie wirkt sich die Reform auf Gläubiger und Schuldner aus?

Zwangsversteigerung per Internet 

Das Gerichtsvollzieherwesen in seiner derzeitigen Form entspricht inzwischen nicht mehr in allen Bereichen den neuen technischen Möglichkeiten. Deshalb soll im Zuge der Reform die Versteigerung von gepfändeten Gegenständen im Internet ermöglicht werden. Der Gesetzgeber verspricht sich hierdurch mehr Effizienz im Vollstreckungsverfahren und im Interesse aller Beteiligten sollen auf diesem Weg höhere Erlöse erzielt werden.

Sofortige Offenlegung der Vermögensverhältnisse

Besonders weitreichende Änderungen sind im Bereich der sogenannten Sachaufklärung vorgesehen. Bisher ist der Schuldner erst zur Offenbarung seiner Vermögensverhältnisse verpflichtet, wenn zuvor ein erfolgloser Sachpfändungsversuch stattgefunden hat. Um das Verfahren zu beschleunigen, verzichtet der Entwurf hierauf, die Vermögensauskunft des Schuldners steht also bereits bei Beginn des Zwangsvollstreckungsverfahrens an. Da es sich hier um einen erheblichen Grundrechtseingriff handelt, bestehen gegen die Vorverlagerung der Vermögensoffenbarung erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.

Im Bereich der Mobiliarpfändung soll der Gerichtsvollzieher befugt sein, diese Vermögensauskunft des Schuldners und auch Auskünfte von Dritten über seine Vermögensverhältnisse einzuholen. Bei Durchführung einer Vorpfändung wird zukünftig auf die vorherige Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung und die Zustellung des Schuldtitels verzichtet, wie es nach geltendem Recht noch vorgeschrieben ist. Der Gläubiger kann sich in seinem Vollstreckungsantrag auf einzelne Maßnahmen beschränken oder einen uneingeschränkten Antrag stellen und dem Gerichtsvollzieher die Wahl der Maßnahme überlassen. Der Gläubiger kann sowohl eine Sachpfändung beantragen oder eine Sachpfändung verbunden mit der Einholung der Vermögensauskunft. Auf den ersten Blick hat der Gläubiger damit mehr Spielraum. Doch es entstehen für ihn gleichzeitig auch mehr Risiken: Beantragt er etwa eine Vermögensauskunft und stellt ein anderer Gläubiger einen Sachpfändungsantrag, so kann der Antrag auf Vermögensauskunft ins Leere gehen, wohingegen der Sachpfändungsantrag des anderen Gläubigers Erfolg hat. Ähnliches gilt für den Gerichtsvollzieher, wenn ein uneingeschränkter Vollstreckungsantrag vorliegt, im Hinblick auf die Auswahl der Maßnahmen. Unter Umständen wird er dann mit Vorwürfen des Gläubigers konfrontiert, der ja die Vollstreckungskosten tragen soll. 

Keine persönliche Zustellung der Zahlungsaufforderung

Probleme kann auch die vorgesehene nur noch postalische Zustellung bringen, die für Zahlungsaufforderung, Ladung, Formulare zur Abgabe der Vermögensauskunft, erforderliche Hinweise und Belehrungen im Gesetzentwurf vorgesehen ist. Damit entfällt die persönliche Zustellung durch den Gerichtsvollzieher, der auf diesem Weg nicht mehr im gleichen Umfang Kenntnisse über die persönlichen Verhältnisse des Schuldners erlangen kann wie bei der noch bestehenden persönlichen Zustellung vor Ort. Gleichzeitig mit der Zustellung wird dem Schuldner eine Zahlungsfrist von zwei Wochen gesetzt und auch ein Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft mitgeteilt für den Fall, dass er seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt. Der Termin ist möglichst zeitnah nach dem Fristablauf anzusetzen. 

Einschränkung der Teilzahlung
 
Darüber hinaus sieht der Entwurf Änderungen der Zivilprozessordnung im Bereich der Teilzahlungsgewährung vor, die dann nur noch mit dem Einverständnis des Gläubigers möglich ist. Gemäß der noch geltenden Rechtslage kann Teilzahlung in Raten insbesondere auch ohne das Einverständnis des Gläubigers gewährt werden, wenn sich dies aus der Interessenabwägung ergibt. Diese Ausnahmeregelung ist im neuen Gesetz nicht mehr vorgesehen, es bleibt nur noch die Härtefallregelung. Problematisch erweist sich diese einseitige Verschlechterung der Rechtsposition des Schuldners, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner bereits vorher Konflikte bestanden haben. Auch hier ist der Schuldner dann allein auf das Wohlwollen des Gläubigers angewiesen.

Umstritten: Gerichtsvollzieher als Private

Nach dem Willen der Ländervertreter sollen Gerichtsvollzieher zukünftig nicht mehr als Beamte, sondern als beliehene Private die Zwangsvollstreckung betreiben. Damit sollen Leistungsanreize geschaffen, der Wettbewerb zwischen den Gerichtsvollziehern etabliert und somit das Gerichtsvollzieherwesen effizienter werden. Der Gläubiger soll dem entsprechend innerhalb seines Gerichtsbezirks wählen können, welchen Gerichtsvollzieher er mit der Vollstreckung beauftragt. Skeptiker und die Bundesjustizministerin befürchten, dass die Kosten für die Zwangsvollstreckung explosionsartig um bis zu 200 Prozent ansteigen. Damit könnten Gläubiger geringerer Forderungen von der Vollstreckung abgeschreckt werden. Zwar ist ein effizientes und schnelles Vollstreckungsrecht ein wichtiger Standortfaktor. Allerdings ist fraglich, ob gerade dieser Bereich, der einen erheblichen Grundrechtseingriff des Schuldners bedeutet, Privaten überlassen werden soll. Weiter ist die Einrichtung von Vollstreckungsbüros geplant, die mehrere Gerichtsvollzieher gemeinsam nutzen können. Zugunsten eines effektiven Vollstreckungszugriffs soll der Gerichtsvollzieher Schuldnerdaten bei Behörden abfragen können.

Im Herbst ist die auf Länderebene geplante Einrichtung von Vollstreckungsgerichten, die ein elektronisches Schuldnerverzeichnis zum Abruf vorhalten sollen, Thema der Justizminister-Konferenz und das Kabinett wird sich ab Sommer mit einer Reform der Kontopfändung befassen: In Hinblick auf die dem Schuldner verbleibenden, existenziell notwendigen Mittel sollen Gesetzesänderungen das Verfahren beschleunigen. Ob es letztlich zur Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens kommt, bleibt also abzuwarten.

(WEL)


Artikel teilen:


Beiträge zum Thema