Drum prüfe, wer sich lange bindet – ob er die AGBs richtig verwendet

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Zur Wirksamkeit einer Rückzahlungsvereinbarung über Fortbildungskosten

 

Als grundlegender Bestandteil der Personalentwicklung ist Fortbildung eine Erforderlichkeit des Erwerbslebens und wird regelmäßig vom Arbeitgeber gesteuert. Laut einer Statistik aus dem Jahr 2016 haben Unternehmen in diesem Jahr 33,5 Milliarden Euro in berufliche Weiterbildung investiert, davon 17,6 Milliarden Euro an Teilnahgebühren und 15,9 Milliarden Euro an eingesetzter bezahlter Arbeitszeit. Die Finanzierungskosten wurden zu gut 50 % von den Betrieben, zu ca. 35 % von Privatpersonen und zu ca. 15 % von der öffentlichen Hand aufgewandt. Unternehmen investieren in die berufliche Aus- und Weiterbildung, um so viel und so lange wie möglich vom neuen Wissen der Mitarbeiter zu profitieren. Diese Erwartung ist jedoch untrennbar mit dem auf diese Weise ausgebildeten Mitarbeiter verbunden. Zu ihrer Absicherung greifen Arbeitgeber daher häufig zu Vereinbarungen über die Rückzahlung von Fortbildungskosten, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist nach Beendigung der Fortbildung endet. Dies kann zu Spannungen führen, da vor allem gut qualifizierte Mitarbeiter oft ungern bereit sind, ihre Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt aufzugeben ("Mobilitätsinteresse").

 

Was ist vor diesem Hintergrund arbeitgeberseitig noch erlaubt und was nicht mehr?  Aus der Kasuistik im Bereich der Vereinbarungen über Fortbildungskosten kann abgeleitet werden, ob ein Gericht vermutlich eine auf eine bestimmte Weise formulierte Vereinbarung für wirksam oder unwirksam erklären würde. Kurz gefasst ergeben sich hieraus folgende Grundsätze (für Details zu den einzelnen Punkten besuchen sie die Langfassung unter https://kanzlei-kerner.de/drum-pruefe-wer-sich-lange-bindet-ob-er-die-agbs-richtig-verwendet/ :

 

Eine Vereinbarung, wonach der Arbeitnehmer Fortbildungskosten erstatten muss, wenn er binnen einer bestimmten Zeit das Arbeitsverhältnis beendet, kann wirksam sein, wenn der formulierende Arbeitgeber dem sog. Mobilitätsinteresse des Arbeitgebers mit einem angemessenen Ergebnis entgegenkommt. Das kann nur der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer durch die Aus- oder Weiterbildung einen sog. geldwerten Vorteil erwirbt, indem er entweder direkt im Unternehmen einen finanziellen Vorteil erlangt oder auf dem Arbeitsmarkt Chancen auf eine höherwertigere Position erwirbt. Nur wenn das der Fall ist und die Aus- oder Weiterbildung in der Investition eine gewisse Bagatellgrenze überschreitet, kann der Arbeitgeber überhaupt eine Bindung an das Unternehmen verlangen. Dabei gilt: Je größer der Vorteil und je länger die Dauer der Fortbildungsmaßnahme und damit auch der Freistellung des Arbeitnehmers für diese Maßnahme, umso länger darf die Bindung andauern. Überschreitet die festgelegte Bindungsdauer das angemessene Maß, ist die Rückzahlungsklausel ohne Korrekturmöglichkeit unwirksam.

 

Aus den in diesem Bereich ergangenen Urteilen kann man folgende Regelfälle herleiten (jeweils bei Freistellung von der Arbeitsleistung):

 

  • Aus-/Fortbildungsdauer bis zu einem Monat: Bindungsdauer bis zu sechs Monaten
  • Aus-/Fortbildungsdauer bis zu zwei Monaten: Bindungsdauer bis zu zwölf Monaten
  • Aus-/Fortbildungsdauer zwischen drei und vier Monaten: Bindungsdauer bis zu zwei Jahren
  • Aus-/Fortbildungsdauer zwischen sechs und zwölf Monaten: Bindungsdauer bis zu drei Jahren
  • Aus-/Fortbildungsdauer mehr als zwei Jahre: Bindungsdauer bis zu fünf Jahren

 

Für Aus-/Fortbildungsdauern zwischen diesen Stufen fehlen bislang höchstrichterliche Urteile.

 

Dem Arbeitnehmer muss hierneben vor Beginn der Aus- oder Fortbildung dargelegt werden, welche Rückzahlungspflichten ihn erwarten können (Grund und Höhe der Forderung). Mindestens die Berechnungsgrundlage muss hierfür Teil der Vereinbarung sein. Sofern die Bindung längerfristig ist, darf auch eine zeitanteilige Minderung nicht fehlen. Die potentiell zu zahlende Summe muss sich mindestens jährlich gestaffelt vermindern.

 

Schließlich ist erforderlich, dass die möglichen Beendigungsgründe danach differenziert werden, ob sie aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung eben so wenig der Fall wie bei einer Kündigung des Arbeitnehmers, die auf vertragswidrigem Verhalten des Arbeitgebers beruht.

 

Kommt es in einem dieser Bereiche zu Mehrdeutigkeiten oder Missverständlichkeiten, ist die Rückzahlungsverpflichtung unwirksam. Es ist dann auch nicht mehr von Belang, ob die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammt. Das zeigt in aller Deutlichkeit das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11.10.2019 (Az. 1 Sa 503/19). Hier hatte der Arbeitgeber formuliert, dass der Mitarbeiter sich verpflichtet, die

 

„entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der für die Zeit der Freistellung gezahlte Vergütung, zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 24 Monaten nach Beendigung der Fortbildung auf Wunsch dem Mitarbeiter (sic!) beendet wird oder das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund, den der Mitarbeiter zu vertreten hat oder ordentlich aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen gekündigt wird.“ [ Hervorh. nur hier ]

 

Das war dem Gericht zu unkonkret, da die Formulierung unterschiedslos eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfasst, die auf eine Kündigung zurückzuführen ist, die der beklagte Arbeitnehmer ausgesprochen hat, unabhängig davon, welche Gründe die Eigenkündigung motiviert haben. Da eine Eigenkündigung „auf Wunsch des Mitarbeiters“ auch durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers bedingt werden kann, hatte der Arbeitgeber hier also nicht sorgfältig genug die möglichen Sphären der Beendigung auseinandergehalten. Die Klausel wurde folglich als unwirksam bewertet.

 

Eine vollständige Urteilsbesprechung finden Sie in der Langversion dieses Beitrags unter https://kanzlei-kerner.de/drum-pruefe-wer-sich-lange-bindet-ob-er-die-agbs-richtig-verwendet/


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