Entbindung von der Schweigepflicht bei Eintritt des Versicherungsfalls

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1.
Mitwirkungsobliegenheit bei Eintritt des Versicherungsfalls

Bei Personenversicherungen verlangt der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls in der Regel eine umfassende Entbindungserklärung von der Schweigepflicht, damit er umfassend Auskunft über den Gesundheitszustand bei verschiedenen Stellen, z. B. Ärzten, einholen kann. 

Die umfassende Entbindung von der Schweigepflicht wird unter Hinweis auf die Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten verlangt, sowie unter Hinweis darauf, dass der Versicherungsfall sonst nicht geprüft werden kann. 

Mit der umfassenden Entbindung von der Schweigepflicht erhebt der Versicherer aber nicht nur Daten zur Prüfung des Versicherungsfalls, sondern der Versicherer prüft auch, ob vorvertraglich falsche oder unzureichende Angaben zum Gesundheitszustand gemacht wurden. 

Stellt der Versicherer eine solche vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung fest, lehnt er ab, für den Versicherungsfall zu leisten und ficht den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an, mit der Folge, dass der Versicherungsvertrag rückwirkend entfällt. 

2.
Es ist zulässig, die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit erst bei Eintritt des Versicherungsfalls zu prüfen. 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 22.02.2017, Az: IV ZR 289/14, sowie mit Urteil vom 05.07.2017, Az: IV ZR 121/15 zum Umfang der Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten bei der Datenerhebung entschieden und Grundsätze aufgestellt, wie eine zulässige Datenerhebung durch den Versicherer zu erfolgen hat. 

Zum einen hat der BGH entschieden, dass zu den notwendigen Erhebungen zur Feststellung des Versicherungsfalls und zum Leistungsumfang auch solche Datenerhebungen zählen, die klären sollen, ob der Versicherte seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat. Es ist also zulässig, dass der Versicherer die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht erst bei Eintritt des Versicherungsfalles prüft und nicht bereits bei Vertragsabschluss.

3.
Der Versicherer darf keine umfassende Entbindung von der Schweigepflicht verlangen

Zum anderen hat der BGH entschieden, dass der Versicherer im Rahmen seiner Leistungsprüfung vom Versicherten nicht die Erteilung einer umfassenden Entbindung von der Schweigepflicht verlangen darf. Die Datenerhebung durch den Versicherer hat vielmehr gestuft und im Dialog zu erfolgen. 

Die Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten erstreckt sich zunächst auf die Zustimmung zur Erhebung von Vorabinformationen allgemeiner Art, die es dem Versicherer ermöglichen zu konkretisieren, welche Informationen für die Leistungsprüfung tatsächlich relevant sind. 

Auf Grundlage der Vorabinformationen vermag der Versicherer sodann einzelne spezifischere Anfragen zum Versicherungsfall zu stellen, deren Beantwortung unter Umständen wieder zur Grundlage weiterer ins Detail gehender Erkundigungen werden kann. 

Der Versicherte muss dem Versicherer bei der Datenerhebung also keine freie Hand zu lassen und muss auch keine vorformulierten Entwürfe des Versicherers über eine umfassende Entbindung von der Schweigepflicht unterschreiben. 

Über die nur schrittweise zu erfüllende Obliegenheit der Schweigepflichtentbindung hat der Versicherer den Versicherten zu informieren. 

Noch nicht entschieden hat der BGH über die Frage, ob der Versicherer Daten verwerten darf, die er unzulässig erhoben hat, z. B. weil er nicht über die nur schrittweise zu erfüllende Obliegenheit zur Entbindung von der Schweigepflicht informiert hat. 


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