Erfolgreiches Unterlassungsverfahren gegen rechtsmissbräuchlichen Massenabmahner

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Meine Kanzlei wurde auf Abmahnungen von Kollegen aufmerksam, wo es hieß:

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Derartige Werbeaussagen sind klar standeswidrig. Das OLG Hamm bestätigte dies mit deutlichen Worten, vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 07.09.2010, Az. I-4 U 126/10:

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind die Kosten auch unter Berücksichtigung billigen Ermessens der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Sie muss die Kosten tragen, weil sie nach dem bisherigen Sach-und Streitstand ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich unterlegen wäre (§ 91 a Abs. 1 ZPO). Der Unterlassungsantrag, der bestimmte Formulierungen in Abmahnschreiben der Antragsgegnerin zum Gegenstand hatte, war bis zur Abgabe der weiteren Unterlassungserklärung als erledigendem Ereignis zulässig und begründet.

Der Unterlassungsantrag war im Wesentlichen hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO. Die konkreten Verletzungshandlungen in Form der beiden unstreitigen Abmahnungen sind in den Antrag einbezogen. Bedenklich wäre allein der Bestandteil „wort-und inhaltsgleiche Formulierung" in der Antragsfassung gewesen. Diese hätte aber nicht zu einer Unzulässigkeit des Antrags geführt. Auf diese hätte die Antragstellerin nämlich keinen entscheidenden Wert gelegt, wie die Annahme der etwas anders formulierten Unterlassungserklärung vom 20. Juli 2010 deutlich macht.

Der Zulässigkeit des Antrages stand auch nicht entgegen, dass der Antragstellerin die Antragsbefugnis gefehlt haben könnte. Die Abmahnung vom 31. Mai 2010 ist nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Sie ist die Reaktion auf ein wettbewerbswidriges Verhalten der Antragsgegnerin, von dem die Antragstellerin als konkrete Mitbewerberin unmittelbar betroffen ist. Ihr selbst können durch ein solches Werbeverhalten Mandanten in einem erheblichen Umfang abgeworben oder vorenthalten werden. Sie hat als Mitbewerberin insofern ein ganz erhebliches Interesse daran, das als wettbewerbswidrig beanstandete Verhalten zu unterbinden. Das Interesse ist nicht mit dem Interesse zu vergleichen, das ein Mitbewerber daran haben kann, dass der Konkurrent seinen Informationspflichten gegenüber den Verbrauchern nachkommt. Es geht hier auch nur um eine einzige Abmahnung, zu der es sofort gekommen ist, als die Antragstellerin von diesen Vorgängen erfuhr. Dafür, dass die Antragstellerin trotz ihres zu vermutenden wettbewerbsrechtlichen Interesses am Abstellen dieser Werbung bei der Abmahnung überwiegend von sachfremden Interessen geleitet worden sein könnte, könnte nur die Berechnung der Anwaltskosten in Höhe von 1.720,20 € .sprechen. Sicherlich fällt die Streitwertangabe von 100.000,- € auf. Es ist auch jedenfalls im Regelfall so, dass ein Rechtsanwalt, der sich selbst für die Abmahnung eines unschwer zu erkennenden Wettbewerbsverstoßes mandatiert, für eine Abmahnung keine Anwaltsgebühren beanspruchen kann (BGH GRUR 2004, 789 -Selbstauftrag). Ob hier wirklich ein Ausnahmefall vorlag, bei dem dieser Grundsatz nicht gelten sollte, ist sehr fraglich, mag aber letztlich dahinstehen. Selbst wenn nämlich die Erstattungsforderung nach Grund und Höhe unbegründet gewesen sein sollte, spricht dies hier jedenfalls nicht für ein vorrangiges Gebührenerzielungsinteresse der Antragstellerin. Selbst wenn die Antragstellerin mit einer solchen gewagten Gebührenforderung nach Grund und Höhe zusätzlich. Druck aufbauen wollte, ergibt sich daraus nicht, dass sie die Gebühren wider besseres Wissen in Rechnung stellte. Außerdem ist es ein Unterschied, ob man eine solche Gebührenforderung für unbegründet hält oder ob man aus der unbegründeten Forderung einen' Rechtsmissbrauch herleitet. Auch das spätere Verhalten spricht gegen ein vorrangiges Gebührenerzielungsinteresse. Als die Antragstellerin merkte, dass sie wegen der besonderen Umstände im Umfeld der Unterlassungserklärung ohne gerichtliches Vorgehen wohl nicht weiterkommen würde, machte sie allein den Unterlassungsanspruch geltend und gerade nicht den Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten. Sie hat später mit dem Mandanten Sommer weitere Nachprüfungen über Abmahnungen der Antragsgegnerin in dessen Namen angestellt und gerade wegen der gefährlichen Anlockwirkung für die Abgemahnten die weitere Werbung solcher Art in Abmahnschreiben unbedingt verhil1dem wollen. Das spricht jedenfalls für ein mindestens gleichrangiges wettbewerbliches Interesse, auch wenn die Al1tragsteJlerin der Antragsgegnerin möglicherweise auch durch finanzielle Einbußen eine Lehre erteilen wollte.

Der Antragstellerin hätte in der Sache der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1. 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 43 b BRAO zugestanden. Die Parteien sind unstreitig Mitbewerber. In der Werbung in den Abmahnschreiben ist auch eine geschäftliche Handlung zu sehen. Diese geschäftliche Handlung ist unlauter im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG, weil sie gegen § 4 Nr. 11 UWG verstößt. Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG liegt dann vor, wenn gegen eine Gesetzesnorm verstoßen wird, die zumindest auch dazu bestimmt ist, als Marktverhaltensregelung die Interessen der Marktteilnehmer zu regeln. Eine solche Marktverhaltensregelung ist nicht nur das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, sondern auch das Verbot der Werbung für die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall, weil es sich insoweit um eine Marktzutrittsregelung handelt. Es liegt auch ein Verstoß gegen diese Vorschrift vor. Ein Rechtsanwalt darf zwar im Rahmen seiner Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich für seine Berufstätigkeit werben. Sie darf aber nicht auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtet sein (BGH GRUR 2002, 902, 904 =NJW 2002, 2642-Vanity-Nummer). Das wäre hier der Fall gewesen.

Die beanstandete Werbung ist hier unter Verstoß gegen § 43 b BRAO auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtet gewesen. Dabei muss es zunächst um die Werbung um einzelne konkrete Mandate gehen, also um unmittelbar auf die Erteilung eines Einzelauftrages gerichtete Maßnahmen. Die Vorschrift erfasst gerade nicht mehr das unaufgeforderte Herantreten an potentielle Mandanten, um diese dafür zu gewinnen, im Bedarfsfall für erforderlich werdende Leistungen den Werbenden in Anspruch zu nehmen (BGH WRP 2001,923, 926 -Anwaltswerbung 11). Der Unterschied wird auch deutlich, wenn man den Normzweck heranzieht. Das Verbot soll den Rechtssuchenden vor anwaltlicher Werbung schützen, wenn er schon einen Beratungsbedarf hat, der dem Rechtsanwalt bekannt geworden ist. Insbesondere wer sich in einer Notsituation befindet, in der er zur Durchsetzung seiner Rechte anwaltlicher Hilfe bedarf, soll sich frei und unbeeinflusst für einen Rechtsanwalt entscheiden können und nicht der Gefahr ausgesetzt sein, von einem Rechtsanwalt bedrängt oder gar überrumpelt zu werden.

Legt man dies zugrunde, so hat die Antragsgegnerin hier im Rahmen der Abmahnung bei den Abgemahnten und insbesondere bei xxx, auf die es wegen der Zuständigkeit des Landgerichts besonders ankam, um ein konkretes Mandat in deren' Rechtsangelegenheit in Zusammenhang mit deren Internetgestaltung geworben. Gerade durch den Hinweis auf die Wettbewerbsverstöße in der Abmahnung hat sie sie auf möglicherweise weiteren Beratungsbedarf in der wettbewerbsgemäßen -Gestaltung nicht nur für den augenblicklichen Zustand, sondern auch für die Zeit nach einer anstehenden Gesetzesänderung hingewiesen. Sie hat die Notwendigkeit der Einschaltung eines kompetenten Anwalts erwähnt und sich auch für Informationen per eMail angeboten. Eine auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtete Werbung ist darin zu sehen, dass der Umworbene in einem konkreten Einzelfall tatsächlich der Beratung oder der Vertretung bedarf, der Werbende davon weiß und den bekannten Bedarf zum Anlass seiner Werbung nimmt (BGH -Anwaltswerbung 11, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Drucksituation wird noch verstärkt, wenn dabei die besondere Situation einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung ausgenutzt wird.

Dem Unterlassungsanspruch hätte auch nicht entgegen gestanden, dass die durch die Verletzungshandlungen begründete Wiederholungsgefahr schon vor der Erledigungserklärung durch die Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin im Schreiben vom 31. Mai 2010 weggefallen ist. In diesem Schreiben hat diese zwar eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Sie konnte aber aus objektiver Sicht nicht ernsthaft zur Streitbeilegung dienen und der Antragstellerin einen gerichtlichen Unterlassungsanspruch ersetzen. Die Antragsgegnerin hat nämlich im selben Schreiben zu erkennen gegeben, dass ihr ein ernstlicher und dauerhafter Unterlassungswille fehle. Sie hat die Antragstellerin nämlich unter Fristsetzung aufgefordert, die als unberechtigt empfundene Abmahnung zurückzunehmen und angedroht, ansonsten die Rechtsfrage selbst im Wege einer negativen Feststellungsklage vor dem Landgericht Dresden als Gericht ihrer Wahl klären zu lassen. Wenn die Frage der Berechtigung der Abmahnung somit ohnehin gerichtlich geklärt werden und ein Gerichtsverfahren gerade nicht vermieden werden sollte, musste es der Antragstellerin auch unbenommen bleiben, ihrerseits die vorrangige Klage auf Unterlassung vor dem Gericht ihrer Wahl zu erheben. Die Unterlassungserklärung stand jedenfalls in keiner Weise einem entsprechenden gerichtlichen Titel gleich und brauchte deshalb von der Antragstellerin auch nicht angenommen zu werden."

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