EuGH-Urteil: Ist eine Altersgrenze bei Einstellung in den Polizeidienst rechtmäßig?

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Wenn ich mich in Bayern im Polizeidienst bewerben möchte muss ich unter anderem die Einstellungsvoraussetzung erfüllen, zwischen 17 und 25 Jahre alt sein zu müssen. In Sachsen-Anhalt sind die Einstellungsvoraussetzungen identisch. Bin ich etwa mit 28 Jahren zum Polizeidienst nicht mehr in der Lage?

Hierüber hatte der EuGH am 13.11.2014 – C-416/13 zu entscheiden.

Sachverhalt:

Der spanische Kläger bewarb sich als Polizeibeamter in der Stadt Ayuntamiento de Oviedo. Diese sah jedoch als Einstellungsvoraussetzung vor, dass die Bewerber für Stellen bei der örtlichen Polizei nicht älter als 30 Jahre sein dürfen. Die Klage richtete sich gegen diese Vorschrift mit der Begründung, dass diese gegen Art. 2 Abs. 2, Art.4 Abs. 1 und Art. 6 Abs 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sowie von Art.21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoße.

Entscheidung:

Der EuGH stellte zunächst klar, dass insbesondere mit dieser Richtlinie den Streitkräften sowie der Polizei, den Haftanstalten oder den Notfalldiensten unter Berücksichtigung des rechtmäßigen Ziels, die Einsatzbereitschaft dieser Dienste zu wahren, nicht zur Auflage gemacht werden, Personen einzustellen oder weiter zu beschäftigen, die nicht den jeweiligen Anforderungen entsprechen, um sämtliche Aufgaben zu erfüllen, die ihnen übertragen werden können. Dies reichte dem EuGH jedoch nicht aus. Im gleichen Zuge betonte es, dass nur unter sehr begrenzten Bedingungen eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein kann, wenn ein Merkmal, das mit „ … dem Alter … “ zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen legitimen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Insoweit kann die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand stattfinden.[…]

Der Gerichtshof hat anerkannt, dass ein Verbot der Diskriminierung wegen des Alters besteht, das als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anzusehen und durch die Richtlinie 2000/78 für den Bereich von Beschäftigung und Beruf konkretisiert worden ist. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich sowohl aus dem Titel und den Erwägungsgründen als auch aus dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78 ergibt, dass sie einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleich behandelt wird, indem sie dem Betroffenen einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe – darunter auch das Alter – bietet. […]

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass gemäß Nr. 3.5 der Ausschreibung zur Besetzung von Stellen für Beamte der örtlichen Polizei der Stadt Ayuntamientos der Bewerber „in körperlicher und psychischer Hinsicht die entsprechenden Voraussetzungen für die Ausübung der mit dem Amt verbundenen Aufgaben und für die Teilnahme an den [in der Ausschreibung angegebenen] körperlichen Eignungstests erfüllen muss“. Es handelt sich um anspruchsvolle körperliche Eignungstests, deren Nichtbestehen zum Ausschluss führt und durch die dem vorlegenden Gericht zufolge auf eine weniger einschränkende Art und Weise als durch die Festlegung eines Höchstalters erreicht werden kann, dass die örtlichen Polizisten über die besondere für die Ausübung ihres Berufs notwendige körperliche Kondition verfügen. […]

Weder den beim Gerichtshof eingereichten Akten noch den ihm unterbreiteten schriftlichen Erklärungen ist zu entnehmen, dass das Ziel, die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der örtlichen Polizei zu gewährleisten, es erfordert, eine bestimmte Altersstruktur in ihr zu erhalten, die es gebieten würde, ausschließlich Beamte unter 30 Jahren einzustellen.

Art. 2 Abs. 2, Art.4 Abs.1 und Art. 6 Abs.1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die das Höchstalter für die Einstellung örtlicher Polizeibeamter auf 30 Jahre festlegt.

Kommentar:

Der Entscheidung des EuGH ist vollkommen zuzustimmen. Es kann nicht am Alter festgemacht werden, ob ein Bewerber für den Polizeidienst geeignet ist. Ob der Bewerber die körperlichen Voraussetzungen erfüllt, kann im Auswahlverfahren anhand eines körperlichen Eignungstests in Erfahrung gebracht werden. Die Argumentation der Stadt Ayuntamiento de Oviedo ist auch insoweit hinfällig, da der Arbeitgeber auch keine regelmäßigen körperlichen Eignungstest für Polizeibeamten durchführt, um somit zu gewährleisten, dass sämtliche Aufgaben erfüllt werden können, die ihnen übertragen werden können. Das Urteil ist sicherlich auch auf deutsche Behörden zu übertragen, die sehr niedrige Alterseinstellungsgrenzen vorweisen, wie z.B. Bayern oder auch Sachsen-Anhalt. Sollte die körperliche Eignung eine Rolle spielen, so müsste jeder Polizeibeamter jährlich den Sporteignungstest wiederholen, den er bei seiner Einstellung absolvieren musste. Dies ist jedoch nicht gefordert. Ob dieses Urteil für die einzelnen Ländern Konsequenzen nach sich zieht, bleibt abzuwarten.


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