Examenskandidaten der Zweiten Juristischen Staatsprüfung dürfen einzelne Prüfungen wiederholen

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Mit Beschluss v. 29.07.2015 (6 B 41/15) hat das Verwaltungsgericht Lüneburg in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass ein Prüfling einen Teil der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten im Rahmen des Zweiten Juristischen Staatsexamens wiederholen darf. Speziell geht es dabei um die Klausuren, in denen ein weiterer Prüfling sich vorab die Lösungsskizze durch einen damaligen Referatsleiter im Landesjustizprüfungsamt verschafft hatte. Das Verwaltungsgericht Lüneburg führt dabei u.a. wie folgt aus:

„Nach summarischer Prüfung ist hinsichtlich der betroffenen angefochtenen Klausuren der Antragstellerin (ZG- und VA-Klausur) der Grundsatz der Chancengleichheit verletzt. Bei einem Umfang von lediglich 15-20 zu korrigierenden Klausuren kann nicht ausgeschlossen werden, dass die vermeintliche Prüfungsleistung des Verfassers bzw. der Verfasserin der Klausur mit der Kennziffer 9654/13 6 die Bewertung der übrigen 14-19 Klausuren beeinflusst hat. Denn die Bewertung einzelner Klausuren ist nicht gänzlich unabhängig von der Leistung der übrigen Prüflinge. Sofern eine juristische Klausur von vielen Prüflingen sehr ordentlich bearbeitet wird, wird zwangsläufig ein strengerer Bewertungsmaßstab angelegt als in den Fällen, in denen die Prüflinge nur gelegentlich ein Problem erkannt und richtig gelöst haben (Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht - Verfahren, Vermeidbare Fehler, Rechtsschutz, 3. Auflage 2007, RN. 104).“

Das Landesjustizprüfungsamt hat auf Grundlage dieser Entscheidung nunmehr allen weiteren Prüflingen, die durch den Korruptionsskandal und den damit verbundenen Täuschungsversuchen betroffen sind, die Möglichkeit eingeräumt, einzelne Klausuren des Zweiten Juristischen Staatsexamens zu wiederholen. Eine in dieser Form einzigartige und wohl auch ausnahmslose Entscheidung. Denn immerhin sind wohl ca. 500 Prüflinge, die rund 2.600 Klausuren aus dem Zeitraum Oktober 2011 bis Januar 2014 wiederholen könnten, betroffen.

Es zeigt sich abermals, wenn auch in einem sehr speziellen Fall, dass ein prüfungsrechtliches Verfahren gegen Landesjustizprüfungsämter nicht unbedingt ein Kampf „David gegen Goliath“ sein muss. Das Grundrecht der Berufsfreiheit sowie der Gleichbehandlungsgrundsatz sind die elementaren Grundrechte, die einem Prüfling bei einem Widerspruchs- und ggf. Gerichtsverfahren stark zur Seite stehen. In diesem Fall hat sich der Mut von wenigen ausgezahlt, sodass viele davon profitieren können.


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