Fortbildungsvereinbarung und personenbedingte Kündigung

  • 5 Minuten Lesezeit

Arbeitgeber unterstützen Arbeitnehmer im Rahmen einer Fortbildung finanziell, weil sie sich später Vorteile davon versprechen. Deshalb schließen sie eine Fortbildungsvereinbarung mit Bindungsfrist. Löst sich der Arbeitnehmer vor Ablauf der Frist, verlangt der Arbeitgeber Rückzahlung anteiliger Fortbildungskosten. Über dieses Verlangen entbrennt häufig Streit, wie ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 01.03.2022 – 9 AZR 260/21 – zeigt. Das Urteil gibt Anlass, die Grundsätze einer solchen Vereinbarung zu betrachten.

1. Existenz einer wirksamen Rückforderungsvereinbarung

Zur Rückzahlung von Fortbildungskosten kann ein Arbeitnehmer grundsätzlich nur dann verpflichtet sein, wenn es eine rechtliche Grundlage dafür gibt. Sie kann im Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einer individuellen Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber liegen. Maßgeblich ist aber, dass sie eine ausdrückliche Absprache über die Rückzahlung enthalten muss. Es ist durchaus denkbar, dass schon der Arbeitsvertrag eine Regelung dazu enthält.

Eine besondere Form (etwa Schriftform) muss dafür nicht eingehalten werden. Eine mündliche Absprache, die neben der Fortbildung auch die Rückzahlung der Fortbildungskosten erfasst, genügt.

Wichtig ist weiter, dass der Fortbildungsvertrag nicht unter Umständen abgeschlossen wurde, die beim Arbeitnehmer einen unzulässigen Druck hervorriefen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Vereinbarung zeitlich unmittelbar vor Beginn der Fortbildungsmaßnahme zustande gekommen ist.

2. Fortbildung im Interesse des Arbeitnehmers

Die Fortbildungsvereinbarung muss das Ziel der beruflichen Fort- oder Weiterbildung des Arbeitnehmers verfolgen. Damit scheidet die bloße Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz aus (ungeachtet des gesetzlichen Verbots solcher Rückzahlungsklauseln im Berufsausbildungsverhältnis und gleichgestellten Ausbildungsgängen).

Erforderlich ist also, dass die Fortbildung im Interesse des Arbeitnehmers erfolgt. Er muss mittels der durch die Fortbildung gewonnenen zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten eine Verbesserung seiner beruflichen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt erzielen „können“, was sich auch in höheren Gehaltserwartungen ausdrücken kann. Dabei genügt schon die ernsthafte Möglichkeit der Nutzung der erhöhten Qualifikation, beim eigenen oder einem externen neuen Arbeitgeber.

Erfolgt die Fortbildung dagegen im bloßen Interesse des Arbeitgebers (z. B. Einarbeitung am Arbeitsplatz, Vermittlung spezieller Kenntnisse innerbetrieblicher Abläufe, Auffrischung/Vertiefung vorhandener Kenntnisse, Lehrgänge ohne Vermittlung eines qualifizierten Abschlusses), können keine Fortbildungskosten zurückgefordert werden.

3. Erfassung nachvollziehbarer Fortbildungskosten

Unter relevanten Fortbildungskosten sind nur jene zu verstehen, die vom Arbeitgeber für die Fortbildung aufgewendet werden (z. B. Schulungskosten, Lehrgangskosten, Lernmittel, Prüfungsgebühren, Kosten der Unterkunft und Verpflegung, Reisekosten). Dazu kann auch das Gehalt gehören, das der Arbeitgeber für Freistellungen während der Zeit der Fortbildungsmaßnahme an den Arbeitnehmer zahlt.

Derartige Kosten müssen in der Vereinbarung transparent angegeben und aufgelistet sein, also in Form einzelner, abschließend benannter Beträge dem Grunde und der Höhe nach. Eine pauschale Mitteilung von Summen ohne Angabe einzelner Kostenpositionen genügt keinesfalls den Anforderungen der Rechtsprechung.

4. Zulässige Bindungsdauer

Die Dauer der Bindung des Arbeitnehmers durch die Fortbildungsvereinbarung ist nicht gesetzlich normiert, also Einzelfall abhängig. Das Bundesarbeitsgericht hat insoweit eine Faustformel entwickelt, die die Dauer der Fortbildungsmaßnahme in den Vordergrund stellt. Bindet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darüber hinaus, ist die Rückzahlungsklausel meist unwirksam – vorbehaltlich einer Interessenabwägung. Sie lautet:

Fortbildungsdauer bis zu 1 Monat: Bindung zulässig bis zu 6 Monaten

Fortbildungsdauer bis zu 2 Monaten: Bindung zulässig bis zu 12 Monaten

Fortbildungsdauer bis zu 4 Monaten: Bindung zulässig bis 24 zu Monaten

Fortbildungsdauer bis zu 12 Monaten: Bindung zulässig bis zu 36 Monaten

Fortbildungsdauer über 24 Monate: Bindung zulässig bis zu 60 Monaten

Als Fortbildungsdauer gilt dabei die Zeitspanne, in der der Arbeitnehmer von seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt ist.

Auf die Einhaltung der Bindungsdauer werden im Übrigen Zeiten angerechnet, in denen der Arbeitnehmer keine tatsächliche Arbeitsleistung erbringen muss (z. B. wegen Mutterschutz, Arbeitsunfähigkeit etc.).

5. Ratierliche Rückzahlung

Die Rückzahlungsvereinbarung muss eine zeitanteilige Staffelung des rückzuzahlenden Betrages im Verhältnis zur Bindungsdauer orientiert an vollen Monaten vorsehen. Der Arbeitgeber darf danach nur den jeweils anteiligen Betrag fordern, der nach Abzug der vom Arbeitnehmer innerhalb der Bindungsfrist noch im Unternehmen erbrachten Zeiten verbleibt. Der zulässige Rückforderungsbetrag reduziert sich also ausgehend vom Gesamtbetrag der Fortbildung mit jedem Monat der Beschäftigung nach Beendigung der Fortbildungsmaßnahme um 1/6 bei 6-monatiger Bindungsfrist, 1/12 bei 12-monatiger Bindungsfrist etc.

6. Zulässige Beendigungsgründe

Schließlich – und dazu hat sich das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 01.03.2022 – 9 AZR 260/21 geäußert – kommen nicht alle Beendigungsgründe als Grundlage für eine Rückzahlung in Betracht. Da der Arbeitnehmer der Pflicht zur Rückzahlung der Fortbildungskosten durch eigene Vertragstreue entgehen können muss, greifen nur Gründe, die in seiner Verantwortungs- und Risikosphäre liegen. Eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers scheidet also aus.

In der Sphäre des Arbeitnehmers liegen dagegen jene Gründe, die er selbst beeinflussen kann. Dies trifft nur auf die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen und die Eigenkündigung des Arbeitnehmers ohne Veranlassung des Arbeitgebers zu.

Eine Rückzahlung der Fortbildungskosten ist also nicht geschuldet, wenn sie jedes Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis erfasst, das während der vereinbarten Bindefrist erfolgt. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zur Eigenkündigung berechtigt ist, weil ihn ein rechtswidriges Verhalten des Arbeitgebers (z. B. Lohnverzug) dazu veranlasst.

Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt klargestellt, dass auch eine Eigenkündigung aus personenbedingten Gründen weder durch den Arbeitgeber veranlasst wird noch der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers entspringt. Kann der Arbeitnehmer die erworbene Qualifikation im Rahmen der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung ohnehin nicht mehr einbringen, „kann der Arbeitgeber unabhängig von der Kündigung des Arbeitnehmers dessen Qualifikation bis zum Ablauf der Bindungsdauer nicht nutzen.“ Es liegt dann ein nicht mehr erfüllbares „sinnentleertes“ Arbeitsverhältnis vor, an dessen Fortbestand kein billigenswertes Interesse mehr besteht.

Somit müssen auch solche Fälle in der Fortbildungsvereinbarung ausgenommen werden. Denn schon die unwirksame Klausel an sich führt zur Rechtswidrigkeit, nicht erst der Gebrauch derselben im konkreten Einzelfall.

7. Beweislast im Prozess

Die Darlegungs- und Beweislast im Prozess trägt derjenige, der sich auf die für ihn positiven Rechtsfolgen beruft. Der Arbeitgeber muss also die Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel darlegen/beweisen. Also trägt er das Prozessrisiko.

8. Empfehlung

Fordert Ihr früherer Arbeitgeber Rückzahlung der Fortbildungskosten, sollten Sie die Rückzahlungsklausel unverzüglich von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen. Gerne stehe ich Ihnen dafür zur Verfügung.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Torsten Jannack

Beiträge zum Thema