Grobe Fahrlässigkeit bei Nutzung des Navigationssystems im Auto

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Ist es grob fahrlässig, auf der Autobahn das Navigationssystem zu bedienen? Diese Frage musste das Oberlandesgericht Nürnberg in einer Entscheidung vom 02. Mai 2019 (OLG Nürnberg, Urteil vom 02. Mai 2019 – 13 U 1296/17) beantworten. 

Jeder kennt das Problem: Man ist auf der Autobahn und plötzlich fordert das Navigationsgerät oder das Radio einen Teil der Aufmerksamkeit ein. Was, wenn nun während der Bedienung des Geräts ein Unfall passiert? Wie ist es dann mit der Haftung?

Oft kommt in Haftungsfragen der Begriff „grobe Fahrlässigkeit“ zur Sprache. Zum Beispiel beim innerbetrieblichen Schadensausgleich oder, wie im hier entschiedenen Fall, bei Mietwagen. Es klagte eine Autovermietungsgesellschaft gegen den Fahrer eines ihrer Mietwagen. In den AGB der Autovermieterin war festgelegt, dass für den Fall eines Unfalls, der Fahrer bei grober Fahrlässigkeit einen Teil des Schadens übernehmen müsse.

Das Gesetz gibt für die Frage, was grobe Fahrlässigkeit ist, keine Definition an die Hand. Nach § 276 Absatz 2 BGB handelt (einfach) fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Für die grobe Fahrlässigkeit hat die Rechtsprechung eine eigene Definition erarbeitet. Sie liegt demnach vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, indem schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden sowie das nicht beachtet wird, was im vorliegenden Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein gängiges Alltagsbeispiel dafür ist das Überfahren eines Stoppschilds, ohne zuvor anzuhalten.

Die Richter in Nürnberg haben diese sperrige Definition nun für das Bedienen eines Infotainmentsystems während der Autobahnfahrt, anhand von zwei Punkten angewendet. Zunächst sind sie auf die Geschwindigkeit eingegangen. Dabei haben sie insbesondere angemerkt, dass eine Geschwindigkeit von über 130 km/h international unüblich sei und eine darüber hinaus gehende Geschwindigkeit auch eine erhöhte Konzentration erfordere. Zudem könne auf § 1 Nr. 1 der Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung abgestellt werden, dort ist die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h als Empfehlung gesetzlich verankert. Das Gericht legt diese Empfehlung nun wie folgt aus: 

Ein Fahrzeugführer, der entgegen dieser gesetzgeberischen Empfehlung und ungeachtet der damit verbundenen Erhöhung der Risiken für sich und andere Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug mit höheren Geschwindigkeiten als 130 km/h führt, ist in besonderer Weise verpflichtet, seine volle Konzentration auf das Führen des Fahrzeugs aufzuwenden. Dies gilt umso stärker, je weiter er die Richtgeschwindigkeit überschreitet.

Der zweite Ansatzpunk des Gerichts ist die Ablenkung durch das Infotainmentsystem. Dabei hat das Gericht die Ablenkungsdauer mit der Strecke in Relation gesetzt, die das Fahrzeug in dieser Zeit zurücklegt. In dem entschiedenen Fall wurden bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h in einer geschätzten Ablenkungszeit von 3 Sekunden bereits 167 Meter zurückgelegt. Dass angesichts der drohenden schweren Unfallfolgen dieses Verhalten eine schwere und unentschuldbare Pflichtverletzung der Sicherheit des Straßenverkehrs darstellt, leuchte jedem ein, so das Gericht.

Zuletzt stellte das Gericht noch klar, dass ein Spurhalteassistent den Fahrer nicht vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entlasten kann, wenn er keinen Sicherheitsgewinn bringt, den Unfall also nicht verhindert.

Dieser Beispielsfall ist besonders interessant, weil sich das Gericht durch seine Argumentation doch sehr klar zu der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h bekennt und die Frage aufwirft, warum der Gesetzgeber die Regelung dem internationalen Standard nicht anpasst.

Rechtsanwältin Helena Meißner, Kanzlei Wohlfeil, Gießen



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