Wie lange müssen Geschädigte nach einem Verkehrsunfall auf ihr Geld warten?

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Nach einem Verkehrsunfall werde ich immer wieder gefragt, wie lange es dauert, bis die gegnerische Versicherung zahlt. Grundsätzlich kann bei einem unverschuldeten, einfach gelagerten Unfall von einer Dauer von 4 bis 6 Wochen ausgegangen werden. 

Dass dies nicht immer zutrifft, zeigt eine aktuelle Entscheidung des OLG Dresden vom 26.10.2020, Az.: 4 W 460/20. Der Anwalt des Geschädigten hat nach etwas mehr als 8 Wochen nach dem Verkehrsunfall die Klage eingereicht. Nur wenige Tage nach Klageeinreichung zahlte die Versicherung, sodass der Prozessbevollmächtigte des Geschädigten die Rücknahme der Klage erklärte. Es ging dann lediglich darum, welche Partei die bereits entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten zu tragen hat. Das LG Chemnitz legte die Kosten der Klägerpartei auf. Der Kläger wehrte sich dagegen. Die Entscheidung wurde jedoch auch in zweiter Instanz durch das OLG Dresden bestätigt. 

Das  Gericht war der Ansicht, dass die beklagte Versicherung noch keinen Klageanlass gegeben hat. Dafür hätte sie sich vor Prozessbeginn so verhalten haben müssen, dass der Geschädigte berechtigterweise davon ausgehen musste, ohne Klage nicht zu seinem Recht zu kommen. Das wäre der Fall, wenn die Versicherung die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hätte oder mit der Zahlung in Verzug gewesen wäre. Beides wurde durch das Gericht verneint. 

Im vorliegenden Fall bestand das Problem, dass der klägerische Prozessbevollmächtigte das Angebot unterbreitet hatte, die polizeiliche Ermittlungsakte zur Verfügung zu stellen. Das Gericht führte hierzu aus, dass sich die Prüffrist dann um den Zeitraum verlängere, bis die Unterlagen der Versicherung tatsächlich vorliegen. Außerdem hat der Geschädigte Mietwagenkosten nachgefordert, was bedeutet, die Versicherung müsse die Ansprüche erneut prüfen. Neben der normalen Prüffrist und der Verlängerung wegen der Aktenweitergabe hat das Gericht hier außerdem berücksichtigt, dass sich alles um die Weihnachtszeit abgespielt hatte und in diesem Zeitraum sei mit Bearbeitungsdruck, auch bei einer Versicherungsgesellschaft zu rechnen, so das Gericht. Auch sei die Rechtsprechung im Kfz-Haftpflichtrecht sehr umfangreich, so dass die Prüfung einzelner Positionen einen  erhöhten inhaltlichen Prüfungsaufwand nach sich ziehen könne.

Diese Entscheidung ist meines Erachtens von sehr erheblicher Bedeutung für die Praxis, denn sie zeigt, dass die 6 Wochenfrist keine starre Frist ist. Es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, wann die Versicherung Veranlassung zur Klage gibt. Zu berücksichtigen sind insbesondere das Unfallgeschehen selbst, der Umfang der geltend gemachten Ansprüche, aber auch Feiertage und andere Umstände, die zu einer unverschuldeten Verzögerung führen. 

Es ist deshalb zu empfehlen, die Unfallschadenregulierung gleich in professionelle Hände zu geben. Ansonsten kann ein zu frühes Klageverfahren für den am Verkehrsunfall unverschuldeten Geschädigten schnell zu einer Kostenfalle werden. 


Helena Meißner, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht, Kanzlei Wohlfeil, Gießen

Foto(s): Kanzlei Wohlfeil

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