Grundlagen des deutschen privaten und öffentlichen Nachbarrechts

  • 6 Minuten Lesezeit

Die folgenden Ausführungen sollen die wesentlichen gesetzlichen Grundlagen des deutschen privaten und öffentlichen Nachbarrechts darlegen.

In kaum einem Rechtsgebiet werden Streitigkeiten mit einem solchen persönlichen Engagement geführt. Viele Rechtstreitigkeiten ließen sich jedoch durchaus vermeiden. Das Nachbarrecht regelt die rechtlichen Beziehungen zwischen den Eigentümern verschiedener Grundstücke und stellt somit positiv ausgedrückt eine Ordnung für das friedliche Miteinander dar. Die Regelungen des Nachbarrechts sollen daher ein gutes nachbarliches Zusammenleben ermöglichen. 

Konfliktvermeidung ist im Bereich des Nachbarrechts besonders wichtig, da der persönliche Lebensbereich durch die naturgemäße Nähe der Beteiligten durch einen eskalierenden Streit in der Regel häufig eingeschränkt wird. Ein Nachbarstreit bringt u. U. eine tägliche Konfrontation mit sich, die es zu vermeiden gilt, da ein solcher Streit erfahrungsgemäß nicht rein sachlich, sondern eher auf der persönlichen Ebene geführt wird. 

Kann jedoch keine einvernehmliche Lösung der Streitenden gefunden werden, gibt das Nachbarrecht den Parteien die erforderlichen Rechte und Pflichten auf. Das Nachbarrecht ist die Gesamtheit der Rechtsvorschriften, die im Zusammenhang mit Ansprüchen und Duldungspflichten des Eigentümers zu benachbarten Grundstücke stehen. Gesetzliche Regelungen enthalten die §§ 906 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und die Nachbarrechtsgesetze in den Bundesländern.

Die Landesgesetzgeber in Hamburg und Bremen und Mecklenburg-Vorpommern haben im Gegensatz zu den Nachbarländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein das Nachbarrecht nicht kodifiziert. 

Der Gesetzgeber hat im BGB nur wenige Fragen des Nachbarrechts geregelt und gemäß Art. 124 EGBGB nachbarrechtlichen Landesvorschriften unberührt belassen. In einigen Bundesländern (z. B. Bayern) finden sich zudem Regelungen in den jeweiligen Ausführungsgesetzen zum BGB (AGBGB). In Hamburg sind für das Nachbarrecht lediglich die Vorschriften des BGB und der Hamburger Bauordnung anzuwenden.

Die Grundlage des Eigentums ist in § 903 BGB i. V. m. Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu sehen und bildet somit den Kernbereich des Nachbarrechts. Danach kann der Eigentümer grundsätzlich nach seinem Belieben mit dem Grundstück verfahren und jeden anderen von Einwirkungen auf sein Grundstück ausschließen. 

Dieser Inhalt des Eigentums kann durch Gesetze oder dingliche und obligatorische Rechte Dritter begrenzt werden, da die eigenen Rechte regelmäßig dort enden, wo die Rechte Dritter berührt werden. Die Befugnis des Eigentümers, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren, muss also überall dort zurücktreten, wo verfassungsrechtlich zulässige, auf einer ordnungsgemäßen gesetzlichen Grundlage beruhende Gesetze und Verordnungen eine bestimmte Art der Benutzung des Eigentums verbieten. 

Wir alle sind auf die eine oder andere Weise Nachbarn. Als direkte Grundstücksnachbarn, als Mieter in einem Mehrfamilienhaus oder als Wohnungseigentümer in einer Wohnungseigentumsanlage. Nicht nur die jeweiligen Eigentümer der jeweils unmittelbar angrenzenden Grundstücke sind vom Nachbarbegriff umfasst. 

Nachbarn sind vielmehr alle Eigentümer, dinglich oder schuldrechtlich zur Nutzung Berechtigte, von denen grundstücks- und/oder nutzungsbezogen eine Störung des Eigentums an fremden Grundstücken ausgeht (vgl. Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2005, S. 13 Rn. 62 f.). Eine allgemein gültige Definition des Nachbarn findet sich weder im BGB noch im öffentlichen Nachbarrecht.

Lediglich in den Nachbarrechtsgesetzen der Bundländer Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird der Nachbar wie folgt definiert: Nachbar ist der Eigentümer eines Grundstücks, das an ein anderes Grundstück angrenzt. Da es sich um eine Definition aus den Nachbarrechtsgesetzen der Länder handelt, ist sie jedoch auch nur für den Bereich dieser Länder gültig.

Das Nachbarrecht als gesamte Rechtsmaterie beruht nicht nur auf den bisher erwähnten zivilrechtlichen Vorschriften, sondern auch auf Vorschriften aus dem öffentlichen Recht. Das BGB sowie alle Nachbarrechtsgesetze der einzelnen Bundesländer regeln ausschließlich jeweils die gegenseitigen Rechtsbeziehungen zwischen den benachbarten Grundstückseigentümern bzw. Berechtigten. 

Auf der Seite des öffentlichen Rechts bestimmen u. a. die Vorschriften des Bauplanungsrechts und des Bauordnungsrechts die Rechtsbeziehungen zwischen der jeweils zuständigen Behörde und den involvierten Grundstückseigentümern. Je nach Ausgangssituation ist der sich gestört fühlende Nachbar nicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen in der bloß bipolaren Beziehung zum verantwortlichen Eigentümer oder Betreiber einer Störquelle beschränkt. 

Im öffentlichen Nachbarrecht kann als weiterer potentiell passivlegitimierter Akteur eine Überwachungsbehörde bzw. deren Rechtsträger in Escheinung treten (vgl. Achim Seidel, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nachbarschutz, §, 2, S. 9, Rdn. 8). Insbesondere die §§ 31 – 35 Baugesetzbuch (BauGB) sowie die Abstandsvorschriften der jeweiligen Landesbauordnungen begründen auch subjektive Rechte der Grundstücksnachbarn im Verhältnis zu den Eigentümern angrenzender Grundstücke. 

Die Regelung der Abstandsflächen in Hamburg ergibt sich aus § 6 Hamburger Bauordnung (HBauO) und besagt, dass vor den Außenwänden von Gebäuden Flächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten sind. Bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind und von denen keine gebäudeähnliche Wirkung ausgeht, z. B. durchbrochene Einfriedigungen und Stellplätze, sind grundsätzlich in Abstandsflächen zulässig und erzeugen selbst keine Abstandsflächen. Die geforderte Tiefe der Abstandsfläche beträgt 0,4 H und in Gewerbe- und Industriegebieten 0,2 H, mindestens jedoch 2,50 m.

Bei Unterschreitung der Abstandsflächen ist ein begründeter Abweichungsantrag erforderlich. Abstandsflächen müssen auf dem eigenen Grundstück nachgewiesen werden. Sie dürfen sich auf andere Grundstücke erstrecken, wenn eine Baulast die Unbebaubarkeit der Fläche sichert. 

Weitere öffentlich-rechtliche Regelungen, die die zivilrechtlichen Ansprüche der Nachbarn sogar beschränken können, ergeben sich für Hamburg beispielsweise aus der Hamburger Baumschutzverordnung und dem Naturschutzrecht: Nach der „Verordnung zum Schutz des Baumbestandes und der Hecken in der Freien und Hansestadt Hamburg“ (Baumschutzverordnung vom 17. September 1948) sind grundsätzlich alle Bäume und Hecken geschützt, d. h. sie dürfen ohne schriftliche Ausnahmegenehmigung des zuständigen Bezirksamtes nicht gefällt und keine Teile von ihnen entfernt oder beschädigt werden (z. B. Zweige, Äste, Rinde, Wurzeln). 

Ausgenommen davon sind lediglich Einzelbäume, Obstbäume sowie das übliche Beschneiden der Hecken. Genehmigungen für das Fällen oder den Rückschnitt von Bäumen können erteilt werden, wenn ein ausnahmefähiger Sachverhalt vorliegt. 

Üblicherweise werden Fällgenehmigungen mit der Auflage von Ersatzpflanzungen verbunden. Zur Abwehr akuter Gefahren z. B. bei schweren Sturmschäden darf der Baum sofort gefällt bzw. die Gefahr beseitigt werden. Die Gefahrensituation bzw. Fällung ist mit Hilfe von Fotos o.ä. zu dokumentieren und dem Bezirksamt anzuzeigen.

Nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 c des Hamburgischen Naturschutzgesetzes (HmbNatSchG) ist es verboten, in der Zeit vom 15. März bis zum 30. September Bäume, Hecken und Gebüsche abzuschneiden, zu roden oder auf andere Weise zu zerstören. Dies betrifft auch Bäume und Sträucher, die sonst nicht geschützt sind. 

Ebenso ist zu beachten, dass gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 3 d HmbNatSchG Bäume mit erkennbaren Horsten, Brut- oder Schlafhöhlen in der Zeit vom 1. Februar bis zum 30. September nicht gefällt oder bestiegen werden dürfen. Dabei fällt jedoch das übliche Beschneiden der Hecken in den Sommermonaten nicht unter dieses Verbot. Unter dem „üblichen Beschneiden von Hecken“ ist dabei das Entfernen der jeweils jüngsten Triebe zu verstehen. 

Aus Vogelschutzgründen sollte dieses erst nach dem 24. Juni (Johanni) bis ca. Mitte Juli vorgenommen werden. Verlangt also z. B. ein betroffener Nachbar von seinem Grundstücksnachbarn in dieser Zeit, dass dieser etwaigen über die Grundstücksgrenze gewachsenen Überwuchs gemäß § 910 BGB entfernen soll, so sind die o. g. Regelungen des Naturschutzes vorrangig und der zivilrechtliche Anspruch zumindest temporär nicht durchzusetzen.

Ausdrücklich möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich keine kostenlose Beratung anbiete. Aufgrund der Vielzahl von Anfragen aus dem Internet kann ich auch Nachfragen zu diesem Artikel grundsätzlich nicht kostenlos beantworten.

Für eine konkrete Beratung wenden Sie sich gerne an: Die Kanzlei für Immobilienrecht | De Luise.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Marco De Luise

Beiträge zum Thema