Hundehalter in der Bredouille

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„Daß mir der Hund das Liebste sei, sagst du, o Mensch, sei Sünde? Der Hund blieb mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde“ (Franz von Assisi). Der Hund zählt schon lange als der beste Freund des Menschen. Er liebt bedingungslos, ist stets an der Seite seines Herrchens und wagt es nicht, über Handlungen und Taten zu urteilen. Bei all dieser verklärenden Romantik darf jedoch nicht vergessen werden, dass es sich beim Hund um ein Lebewesen handelt, welches nie vollumfänglich beherrscht werden kann. Um sich auch weiterhin an seinem Tier erfreuen zu können, sollte sich ein Überblick über die rechtliche Situation der Hundehaltung geschaffen werden.

Die Haftung des Halters

Ausgangspunkt für die Haftung des Hundehalters ist § 833 S. 1 BGB. § 833 S. 1 BGB normiert für den Halter des Tieres eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung. In der Folge hat der Halter des Tieres grundsätzlich für alle Personen- und Sachschäden, die sein Tier verursacht, einzustehen. § 833 S. 1 BGB gelangt dann zur Anwendung, wenn es sich um ein sogenanntes „Luxustier“ handelt. Während dieser Begriff den juristischen Laien dazu verleitet, nur Tiere hierrunter fallen zu lassen, welche einen hohen finanziellen Wert aufweisen, verfängt diese Annahme nicht. Vielmehr handelt es sich um Tiere, die keine Haustiere sind oder die Haustiere sind, aber nicht dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dienen. Sofern es sich demgegenüber um ein Haus- und zudem Nutztier handelt, haftet der Halter des Tieres nach § 833 S. 2 für vermutetes eigenes Verschulden – im Gegensatz zu § 833 S. 1 BGB ist die Möglichkeit der Entlastung gegeben. Luxustiere sind beispielsweise Pferde, Katzen oder eben Hunde, die nur der Liebhaberei dienen, also nicht dem finanziellen Unterhalt des Halters. Somit stellt der „klassische“ Familienhund ein Luxustier dar. Nutztiere können so vor allem Wach-, Jagd- oder auch Hütehunde sein.

Grundlegende Voraussetzung für die Haftung des Halters ist das Vorliegen der Haltereigenschaft. Halter eines Tieres ist, wer das Tier im eigenen Interesse nicht nur ganz vorübergehend nutzt. Dabei kann das Eigentum am Tier durchaus einer anderen Person als dem Halter zufallen. Gleichzeitig kann es auch mehrere Halter geben, bspw. Ehepartner, welche einen gemeinsamen Hund halten.

Der Personen- und/oder Sachschaden muss durch ein Tier verursacht worden sein, d. h. die spezifische dem Tier innewohnende Tiergefahr muss sich verwirklicht haben. Diese äußert sich in einem der Natur des Tieres innewohnendem unberechenbaren und selbstständigen Verhalten [z.B. BGH NJW 1976, 2130 f.; BGH NJW 1982, 763 (764)]. Die Beispiele für tierisches, unberechenbares Verhalten sind vielfältig. So liegt dieses insbesondere dann vor, wenn ein Hund jemanden beißt, umrennt, anspringt oder auf die Straße rennt. Ein aktives Tun ist jedoch nicht in jedem Falle erforderlich. So kann sich die tierspezifische Gefahr auch dann verwirklichen, wenn der Hund sich im Eingangsbereich eines Geschäftes zum Schlafen niedergelegt hat und eine den Laden verlassende Person über diesen stolpert und sich verletzt [so z.B. OLG Hamm r+s 2013, 357], da auch das unbekümmerte Niederlegen an unpassenden Orten Ausdruck der tierspezifischen Gefahr ist. Sofern ein Tier durch einen Menschen provoziert wird, muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Haftung nicht pauschal hierdurch ausgeschlossen wird – das menschliche Verhalten kann allerdings im Rahmen des Mitverschuldens, § 254 I BGB, zu berücksichtigen sein [MükoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 833 Rn. 24]. Folgt das Tier ausschließlich dem Willen und der Leitung eines Menschen, welcher das Tier als eine Art „Werkzeug“ nutzt, so liegt die tierspezifische Gefahr unter Umständen nicht immer zwingend vor [BGH VersR 1966, 1073].

Nutztierprivileg

Handelt es sich bei dem schädigenden Hund jedoch um ein Haus- und Nutztier, haftet der Halter nur bei Vorliegen eines Verschuldens. Dieses Verschulden wird grundsätzlich vermutet, § 833 S. 2 BGB. Allerdings kann der Halter sich dadurch entlasten, dass er widerlegt, gegen die erforderliche Sorgfalt verstoßen zu haben oder er widerlegt die vermutete Kausalität. Sofern Schäden eingetreten sind, die durch Nutztiere hervorgerufen wurden, diese jedoch keine Haustiere darstellen, wird die Gefährdungshaftung nach § 833 S. 1 BGB ausgelöst [hierzu MükoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 833 Rn. 47]. Maßgeblich für die Einordung als Haustier ist die inländische Verkehrsauffassung [MükoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 833 Rn. 48; so ist z.B. ein Kamel nicht als Haustier einzuordnen, OLG Stuttgart BeckRs 2018, 16107].

Die Haftung des Tieraufsehers

Abzugrenzen vom Tierhalter ist der Tieraufseher. Tieraufseher haften nach § 834 S. 1 BGB. Tieraufseher ist, wer die Aufsicht über das Tier durch einen Vertrag übernimmt – dieser muss nicht zwingend in Schriftform geschlossen worden sein. In der Folge haftet der Tieraufseher für Schäden, die durch das Tier während der laufenden Aufsicht verursacht werden. Bei § 834 BGB handelt es sich jedoch um einen Verschuldenstatbestand, sodass das Verschulden (widerlegbar) vermutet wird. In der Folge besteht für den Tieraufseher die Möglichkeit, sich zu exkulpieren, sodass eine Haftung des Aufsehers entfallen kann. Beispielhaft kann für einen Tieraufseher insbesondere der Betreiber einer Hundetagesstätte angesehen werden, welcher die Aufsicht über den Hund für einen Tag oder während eines längeren Zeitraums (bspw. während des Urlaubs des Halters) übernimmt.

Sofern das Tier jedoch lediglich mal kurzzeitig von Familie, Freunden oder Bekannten betreut wird, kann unter Umständen auch ein reines Gefälligkeitsverhältnis – also kein Vertrag im eigentlichen Sinne – vorliegen, sodass die betreuenden Personen noch nicht als Tieraufseher i.S.d. § 834 BGB zu klassifizieren sind. Allerdings greift hier selbstredend die Haftung des Halters aus § 833 S. 1 BGB.

Mitverschulden und Handeln auf eigene Gefahr

Liegt grundsätzlich eine Haftung des Halters bzw. Aufsehers für den durch den Hund verursachten Schaden vor, bedeutet dies nicht zwingend, dass umfänglich für alle angefallenen Schädigungen eingestanden werden muss. Vielmehr kann dem geschädigten Dritten ein Mitverschulden entgegengehalten werden, sofern er an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat, vgl. § 254 BGB. Sofern ein Mitverschulden bejaht werden kann, wird der Schadensersatzanspruch hierdurch im Regelfall gemindert. In bestimmten Fällen kann es so sogar zum Ausschluss des Schadensersatzanspruchs kommen. 

Ein „Handeln auf eigene Gefahr“ wird überwiegend als Ausprägung von § 254 BGB verstanden [detailliert: MükoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 833 Rn. 72 ff., 84]. In wenigen, seltenen Fällen kann es so zu einer gesamten Freistellung von der Haftung kommen. Erforderlich hierfür ist jedoch ein Umgang mit dem Tier, welcher über die ohnehin bestehenden, normalen Gefahren hinausgeht.

Wendet sich ein Tierhalter gegen einen anderen Tierhalter und versucht Schadensersatzansprüche geltend zu machen, muss sich der Schadensersatz fordernde Halter grundsätzlich auch die Tiergefahr seines Tieres anrechnen lassen, sofern die Tiere der Halter sich gegenseitig Verletzungen zufügen [OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 969 (970)].

Beispiele

Dass Aussagen wie „der will doch nur spielen“, „der tut nix“ oder „der beißt nicht“ in vielen Fällen nicht der Realität entsprechen, zeigen zahlreiche Fälle aus der Rechtsprechung. Vielen Hundehaltern ist dabei gar nicht bewusst, wie schnell ein Haftungsfall eintreten kann. Vor allem bleibt hierbei immer zu berücksichtigen, dass die Argumentation beruhend darauf, dass der andere Hund angefangen habe, nicht unbedingt zu einem gänzlichen Haftungsausschluss führt – oder Schäden hierdurch nicht zu ersetzen sind.

Konflikte ergeben sich häufig zwischen Hunde- und Pferdehaltern. Läuft ein Hund auf eine Koppel und gerät das Pferd infolgedessen in Panik und verletzt sich durch einen Sprung, muss (hier zum Vorteil des Hundehalters) die tierspezifische Gefahr des Pferdes berücksichtigt werden, mit der Folge, dass der Hundehalter dem Pferdehalter für die entstandenen Schäden nicht vollumfänglich einstehen muss [so zumindest OLG Rostock NJW-RR 2011, 820; bei Pferden, welche zur Schreckhaftigkeit und Nervosität neigen, kann die Haftung des Hundehalters gänzlich zurücktreten, OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 969 (970)].

Gleichermaßen kann jedoch auch ein Hundehalter, welcher mit seinen Hunden lediglich spazieren gewesen ist, in die Situation kommen, seine durch andere Hunde verursachten Schäden nicht gänzlich ersetzt zu bekommen. So hat das OLG Koblenz mit Urteil vom 9.12.2019 [Az. 12 U 249/18] entschieden, dass obwohl die Hunde des Beklagten der Auslöser für ein „Hundegetümmel“ gewesen sind, der verletzte andere Hundehalter sich die von seinen eigenen Hunden ausgehende Tiergefahr anspruchsmindernd berücksichtigen lassen muss, wenn er infolge des Getümmels stürzt.

Reißt sich der Hund eines anderen Tierhalters los und attackiert den eigenen Hund, so würden viele Tierhalter nicht zögern, den eigenen Hund mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Mit Urteil vom 17.10.2011 [Az.: I-6 U 72/11] hat das OLG Hamm entschieden, dass das Schützen des eigenen Hundes, durch Vorhalten der Hand über den Kopf des Hundes, im vorliegenden Fall dazu führt, dass ein Mitverschulden der verletzten Hundehalterin vorliegt. Durch das Vorhalten der Hand konnte der fremde Hund erst das erste Glied des Zeigefingers abbeißen – hierbei habe die Halterin wissen müssen, was das Schützen des eigenen Hundes zur Folge haben kann, sodass ein Handeln auf eigene Gefahr anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist. Gleichermaßen wurden die angefallenen Tierarztkosten aufgrund der tierimmanenten Gefahr des eigenen Hundes gekürzt.

Häufig treten Fälle auf, in denen der Hundehalter in eine Hunderangelei eingreift und hierbei verletzt wird. Oftmals kann hierbei nicht eindeutig geklärt werden, welcher Hund letztlich die Verletzung hervorgerufen hat. Dennoch haftet der andere Hundehalter, da § 833 S. 1 BGB nicht nur dann anzuwenden ist, wenn der Dritte unmittelbar durch das Tier geschädigt wird, sondern auch dann, wenn ein nur mittelbarer ursächlicher Zusammenhang besteht [so z. B. OLG München r+s 2019, 288]. Allerdings ist auch an dieser Stelle ein Mitverschulden durch das Eingreifen anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

Dass es bei einer Hunderangelei schnell zu sehr hohen Kosten kommen kann, zeigt ein Urteil des OLG Karlsruhe vom 18.09.2019 [Az.: 7 U 24/19], wonach einem Hundehalter, welcher infolge einer Hunderauferei gebissen wurde, hierdurch eine Mittelhandfraktur, nach der Operation dieser eine Lungenembolie und einen Schlaganfall erlitt, ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro zusteht. Zur Verletzung des Mittelhandknochens kam es durch die Rangelei zwischen einem Retriever und einem Schäferhund; beide waren unangeleint. Auch hier wurde die Tiergefahr des eigenen Hundes auf Seiten des Verletzten anspruchsmindernd berücksichtigt.

Die genannten Fälle zeigen auf, dass auch dann, wenn der eigene Hund nicht derjenige ist, der die Rangelei begründete, der eigene Anspruch gemindert werden kann. Dabei bleiben jedoch auch stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, so dass an dieser Stelle keine pauschalen Aussagen getroffen werden können.

Haftpflichtversicherung

Während im Bereich der Pferdehaltung aufgrund sehr hoher Schadenssummen der Abschluss einer Halterhaftpflichtversicherung schon eher die Regel darstellt, vergessen viele Hundehalter oder sehen bewusst davon ab, den Hund Haftpflicht versichern zu lassen – insbesondere bei „normalen“ Familienhunden. Dabei sollte man sich allerdings vor Augen führen, dass der Halter – unter Berücksichtigung der oben genannten Fälle – im Grundsatz immer erstmal haftet. Rennt der Hund nun auf die Straße, verursacht einen Verkehrsunfall und es kommt zu hohen finanziellen Schäden, so hat der Halter des Hundes hierfür mit seinem Privatvermögen einzustehen (gleiches gilt im Übrigen z.B. für Freigänger-Katzen). Dass beispielsweise die Zahlung einer lebenslangen Rente als starke finanzielle Belastung anzusehen ist, liegt auf der Hand. Mithin gestaltet es sich als unerlässlich, eine Haftpflichtversicherung für den Hund – auch für den liebsten und bravsten Hund – abzuschließen.

Foto(s): ©Adobe Stock/Rawlstock


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