Inanspruchnahme von Sonderrechten durch Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr im Privat-Kfz

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Die Frage, ob den Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren auf dem Weg zur Feuerwache mit dem Privat-PKW Sonderrechte zustehen wird kontrovers diskutiert und von den Gerichten - vermeidlich - ungleich beurteilt.

So hat das OLG Stuttgart in 2002 einem Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr nach Alarmauslösung auf dem Weg zum Gerätehaus Sonderrechte nach § 35 I StVO zugesprochen [1] und damit die Entscheidung des Amtsgericht Reutlingen [2] in erster Instanz bestätigt. Gleichlautend hat im Jahr 2004 auch das AG Hannover entschieden und Geschwindigkeitsüberschreitungen als durch § 35 I StVO als gerechtfertigt bezeichnet [3]. Der Auffassung des OLG Stuttgart und des AG Hannover hat sich eine breite Mehrheit in der Literatur angeschlossen [4]. Auch die Fachministerien der Länder [5], der Bund-Länder Fachausschuss für Straßenverkehrsrecht [6] sowie der Petitionsausschuss des Bundestages [7] haben sich gleichlautend geäußert.

Demgegenüber steht eine Entscheidung des AG Groß-Gerau aus dem Jahr 1991 [8], das keine Sonderrechte annehmen wollte, sondern lediglich unter Berücksichtigung des § 16 OWiG die Geldbuße weit unter den Regelsatz herabsetzte.

Auch das OLG Düsseldorf sah keine Sonderrechte für Freiwillige Feuerwehrleute im Privat-PKW, nahm jedoch an, dass Verstöße gegen die StVO nach § 16 OWiG gerechtfertigt sein können. [9] Dazu ist jedoch anzumerken, dass die Entscheidung des OLG Düsseldorf einen Fall betraf, in dem ein Feuerwehrangehörige wenige Meter vor der Feuerwache noch einen riskanten Überholvorgang durchgeführt hatte, der ihm einen Zeitgewinn von wenigen Sekunden einbrachte, somit war hier schon fraglich, ob die Voraussetzungen des § 35 I StVO überhaupt vorgelegen hätten.

In diesem Zusammenhang hat sich der BGH im Übrigen zur Frage der grundsätzlichen Möglichkeit der Inanspruchnahme von Sonderrechten auch in Privat-PKW geäußert. So führte der BGH bereits 1991 aus:

(...) Unter diesen Gesichtspunkten muss auch die Frage entschieden werden, ob die Teilnahme am allgemeinen Verkehr im Einzelfall Ausübung eines öffentlichen Amtes darstellt oder nicht (BGHZ 42, 176(179) = NJW 1964, 1895 = LM Art. 34 GrundG Nr. 74). Demnach kann die Teilnahme am Straßenverkehr selbst dann, wenn keine Sonderrechte in Anspruch genommen werden, auch bei Verwendung eines privaten Kraftfahrzeuges, als Ausübung eines öffentlichen Amtes zu werten sein (BGHZ 29, 38 (42) = NJW 1959, 481 = LM Art. 34 GrundG Nr. 54; BGH, LM § 839 (Fe) BGB Nr. 23; BGH, NJW 1979, 649 = LM Art. 34 GrundG Nr. 107; BGH, LM BeamtVG Nr. 19 = BGHRBGBB § 839 Abs.1 Hoheitliche Tätigkeit 2; BGH, NJW 1979, 649 = LM Art. 34 GrundG Nr. 107 = VersR 1979, 225). [10]

Der BGH hat hier ausdrücklich angenommen, dass eine hoheitliche Tätigkeit auch ohne Inanspruchnahme von Sonderrechten auch bei Verwendung eines Privaten PKW als Ausübung eines öffentlichen Amtes zu werten sein kann. Der BGH unterstellt bei dieser Formulierung „selbst dann, wenn keine Sonderrechte in Anspruch genommen werden, (...), auch bei Verwendung eines privaten Kraftfahrzeuges" ausdrücklich, dass in einem Privat-PKW Sonderrechte in Anspruch genommen werden können.

Die Frage des Beginns der hoheitlichen Tätigkeit für den Bereich der Freiwilligen Feuerwehr ist sogar explizit durch den BGH beantwortet worden und zwar mit dem zutreffenden Argument, dass eine solche Fahrt nicht nach Belieben gestaltet werden kann, sie ist nach plötzlicher Alarmierung besonders eilbedürftig, und erfolgt unter erhöhter Anspannung und ist zudem wesentlich durch die betriebliche Organisation geprägt [11]. Auch für Fragen der Versicherung ist längst anerkannt, dass diese Fahrten zum Gerätehaus nicht mehr dem privaten Bereich zuzuordnen ist [12].

Die Frage, ob den Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr Sonderrechte nach erfolgter Alarmierung auch mit ihrem Privat-PKW auf dem Weg zur Wache zustehen kann - wenn die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme im konkreten Fall gegeben sind - mit einem klaren „ja" beantwortet werden. Eine hiervon abweichende Ansicht ist schlicht nicht mit dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers zu vereinbaren.

Aufgabe des Gesetzgebers ist es deshalb auch nicht, wie teilweise gefordert, eine Klarstellung vorzunehmen, insbesondere ist keine Klarstellung durch den BGH erforderlich, wie teilweise gefordert wird [13]. Diese ist vor dem Hintergrund der in den Augen des Verfassers eindeutigen Formulierung des BGH [14], dem Wortlaut des § 35 I StVO, der eindeutigen Stellungnahmen des Bund-Länder-Fachausschusses, der Äußerung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages [15] und der geäußerten Ansichten der einzelnen Ministerien der Länder schlicht obsolet.

Zu Recht stellte Schneider bereits 2003 die Frage, welche Behörde denn bei diesen eindeutigen Stellungnahmen noch tätig werden solle [16].

[1] OLG Stuttgart in NJW 2002, 2118, 2119ff.

[2] AG Reutlingen, AZ: 9 OWi 33 Js 17746/01.

[3] AG Hannover in NdsPfl 2004, 22, 23.

[4] Diekman in NVZ 2003, 220, 221; Steegmann, Kommentar zum FSHG 2 § 12 Rdnr. 70; Pflock-Diegmann in Brandschutz 1984 173; Kullik in NZV 1994, 58 und DAR 1995, 126;

[5] Nachweis in: Feuerwehr Magazin 05/2001, S. 38

[6] Brandschutz 2001,572.

[7] Schreiben d. Petitionsausschuss d. Deutschen Bundestages v. 17. 12. 1993.

[8] AG Groß-Gerau in NZV 1992, 333, 334.

[9] OLG Düsseldorf in DAR 1995, 374.

[10] BGH in NJW 1992, 1228.

[11] BGH, Urteil v. 18. 12. 2007 - VI ZR 235/06 ; LG Trier, ZfS 1991, 120; Rolfs, 155.

[12] OLG Celle in VersR 1988, 67; SgEFeu (Sammlung gerichtlicher Entscheidungen zum Feuerschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz, herausgegeben vom Landesfeuerwehrverband NRW) § 11 Nr. 16a.

[13] Dickmann in NVZ 2003, 220, 222.

[14] BGH in NJW 1992, 1228.

[15] Schreiben d. Petitionsausschuss d. Deutschen Bundestages v. 17. 12. 1993.

[16] Schneider in NZV 2003, 245.


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