Inkasso Dänemark

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Forderungseinzug in Dänemark

Fehler beim Forderungseinzug können unnötig Liquiditätsengpässe, Forderungsausfälle und erhöhte Kosten verursachen. Der Forderungseinzug ist deshalb ein eminent wichtiges Thema für jeden Gewerbetreibenden, jeden Freiberufler und jeden Selbstständigen.

Die ersten Schritte

Wenn der Schuldner innerhalb einer vereinbarten Zahlungsfrist oder in Ermangelung einer solchen Zahlungsfrist innerhalb einer angemessenen Frist nicht zahlt, sollte der Schuldner schleunigst durch eine Zahlungserinnerung gemahnt werden, um ihn innerhalb einer kurzen Frist von 1-2 Wochen zur Zahlung zu veranlassen.

Die erste Mahnung ist von großer Bedeutung. Nicht nur, weil sie den vielleicht lediglich vergesslichen Schuldner an die Zahlung erinnert, sondern auch weil sie den Schuldner in Verzug setzt, was ihre rechtliche Bedeutung ausmacht. 

Zahlt der Schuldner immer noch nicht, sollte der Gläubiger sich drastischer Mittel bedienen und dem Schuldner wenigstens klarmachen, dass im Fall der Nichtzahlung innerhalb einer Woche ein „Advokat" (Rechtsanwalt) eingeschaltet wird, um Forderungseinzug zu veranlassen.

Der „Advokat" wird den Schuldner mahnen, den fälligen Betrag innerhalb von 10 Tagen zu zahlen. Begehrt der Schuldner eine Fristverlängerung oder fragt der Schuldner nach der Möglichkeit in Raten zu zahlen, wird der Rechtsanwalt überprüfen ob, die Nachfrage ernst gemeint ist, und wenn der Gläubiger damit einverstanden ist, wird der „Advokat" dafür sorgen, dass der Schuldner einen freiwilligen Vergleich „frivilligt forlig" unterschreibt, wobei der Schuldner die Forderung und die vereinbarten Zahlungsbedingungen akzeptiert.

Ein freiwilliger Vergleich ist ein vollstreckbarer Titel, und der Zahlungsanspruch kann, wenn der Schuldner noch immer keine Zahlung leistet, im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. 

Gerichtsverfahren

Mahnverfahren „Betalingspåkrav"

Das „Betalingspåkrav" ist wie das deutsche Mahnverfahren ein relativ schnelles und vereinfachtes Verfahrensinstrument, um für unbestrittene Forderungen, die niedriger als DKK 100.000/Euro 13.500 sind, einen Titel zu erwerben. 

Mahnbescheide werden vom Antragssteller auf amtlichen Vordrucken ausgefüllt und bei Gericht eingereicht. Das Gericht prüft nicht, ob die im Mahnbescheid geltend gemachte Forderung tatsächlich besteht oder berechtigt ist. Es prüft lediglich die Einhaltung gewisser Formalien, z.B. ob die Zinsenansprüche gerechtfertigt sind oder ob der Schuldner Gewerbetreibender ist oder nicht. Sind diese Formalien erfüllt, wird der Mahnbescheid dem Schuldner zugestellt. 

Der Schuldner hat dann eine Frist von 14 Tagen, um gegenüber dem Gericht Widerspruch gegen den Mahnbescheid einzulegen. Tut er dies nicht, wird der Mahnbescheid ein rechtskräftiges Urteil und kann als vollstreckbarer Titel zur Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner benutzt werden.

Legt der Schuldner fristgerecht Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, ist das Mahnverfahren abgeschlossen, und der Gläubiger muss ein Klageverfahren beantragen, wenn er seinen Anspruch weiterverfolgen möchte. 

Klageverfahren „Retssag"

Hat der Schuldner nicht binnen der Frist von 10 Tagen, die der „Advokat" dem Schuldner zur Zahlung erlaubt hat, entweder Zahlung veranlasst oder einen freiwilligen Vergleich unterschrieben, ist der nächste Schritt, Klageschrift „Stævning" beim zuständigen Gericht einzureichen, um dadurch einen vollstreckbaren Titel zu erwerben. 

Die Klageschrift besteht aus dem Rubrum, in dem die Parteien des Rechtsstreits, also Kläger „Sagsøger" und Beklagter „Sagsøgte", genau zu bezeichnen sind, den Klageanträgen und schließlich der Begründung der Klage. In dieser Klagbegründung sind alle Tatsachen vorzutragen, aus denen sich der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten ergibt.

Die Klageschrift wird vom Gericht dem Beklagten zugestellt, der innerhalb einer vom Gericht bestimmten Frist hierauf zu erwidern hat. In der Klageerwiderung hat der Beklagte, wenn der die Klagabweisung anstrebt, alle Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergibt, dass der Anspruch gegen ihn nicht besteht. 

Normalerweise wird die erste Gerichtssitzung 1-3 Monaten nachdem die Klageschrift eingegeben worden ist, stattfinden. Es ist unsere Erfahrung, dass viele Schuldner, nachdem Klageschrift zugestellt worden ist, entweder zahlen oder einen freiwilligen Vergleich unterschreiben.

Viele Schuldner erscheinen nicht in der ersten Gerichtssitzung oder erheben keinen Widerspruch gegen den Anspruch der Gläubiger. In solchen Fällen wird das Gericht ein Urteil erwirken, wonach der Schuldner den Anspruch der Gläubiger zahlen muss und zudem einen Teil der Kosten des Forderungseinzuges, hierunter Gerichtsgebühren und Anwaltskosten. 

Es ist nicht notwendig, dem Schuldner das Gerichtsurteil zuzustellen, wir würden jedoch automatisch eine Kopie an den Schuldner schicken.

Zahlt der Schuldner nicht binnen 14 Tagen nach dem Urteil, kann das Urteil ohne weitere Formalitäten zur Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner benützt werden. Ein endgültig vollstreckbares Urteil bleibt bis 20 Jahre nach Erlass vollstreckbar. Wir würden selbstverständlich kein Klageverfahren einleiten, ohne die ausdrückliche Einwilligung der Gläubiger.

Normalerweise empfehlen wir nicht Klageverfahren einzuleiten, die Ansprüche weniger als DKK 50.000 betreffen. Im Voraus untersuchen wir so weit möglich, ob der Schuldner solvent ist, und wenn die Ansprüche eine juristische Person betreffen, überprüfen wir zudem die veröffentlichten Jahresabschlüsse. Besitzt der Schuldner Immobilien, werden wir auch im Grundbuch überprüfen, ob die Immobilien mit Hypotheken belastet sind, so dass der Gläubiger eine Chance hat zu bewerten, ob es sich lohnt, Klage zu erheben.

Es ist nicht notwendig, ein Klagverfahren einzuleiten, wenn die Forderung schon in einem vollstreckbaren Dokument akzeptiert worden ist. Vollstreckbare Dokumente mögen Schecks, Wechsel und Schuldbriefe sein, die ausdrücklich vorschreiben, dass Vollstreckung ohne weiteres stattfinden

Vollstreckung „tvangsfuldbyrdelse"

Wenn der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel, z.B. ein gerichtliches oder schiedsrichterliches Urteil oder einen freiwilligen Vergleich, erlangt hat, und der Schuldner noch immer keine Zahlung leistet, kann der Zahlungsanspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden.

Der Schuldner wird auf Antrag des Rechtsanwaltes des Gläubigers vom Gerichtsvollzieher „Fogden" aufgefordert, im Vollstreckungsgericht zu erscheinen. 

In der Sitzung wird der Schuldner vom Gerichtsvollzieher und dem „Advokat" des Gläubigers aufgefordert, seine finanzielle Lage zu beschreiben sowie die pfändbaren Vermögenswerte. Der Schuldner ist gesetzlich verpflichtet, Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten.

Falls der Schuldner unfähig ist, sofort zu zahlen, ist der Gerichtsvollzieher dazu ermächtigt, die Parteien aufzufordern, einen Vergleich einzugehen in welchem der Schuldner sich bereit erklärt, die Schulden durch monatliche Ratenzahlungen innerhalb einer Frist von höchstens 10 Monaten zu begleichen. Danach wird ein Zugriff auf das Vermögen des Schuldners stattfinden können.

Falls der Schuldner die mit dem Gerichtsvollzieher eingegangene Absprache nicht erfüllt, kann der Kreditor verlangen, dass Besitztum, auf welches Zugriff ausgeschrieben worden ist, auf einer Auktion veräußert wird.

Wenn der Schuldner sich selbst als zahlungsunfähig bezeichnet, oder besitzlos ist, wird dieses vom Gerichtsvollzieher als Offenbarung von Insolvenz betrachtet. Eine derartige Offenbarung schützt den Gläubiger 6 Monate vor einer Wiederholung von Maßnahmen gegen den Schuldner. Solch eine Insolvenzerklärung hindert auch andere Gläubiger bezüglich ihrer Zugriffsmaßnahmen innerhalb der 6-monatigen Zeitspanne.

Falls ein Schuldner, welcher aufgefordert worden ist, vor dem Gerichtsvollzieher zu erscheinen, nicht kommt, kann der Gläubiger den Gerichtsvollzieher auffordern, polizeilichen Beistand zum Erscheinen des Schuldners zu veranlassen.

17. November 2022

Deutschsprachiger dänischer Anwalt, Søren Locher

Kanzlei Fabritius Tengnagel & Heine, Kopenhagen, Dänemark.


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