Insolvenzverwalter der GENO Wohnbaugenossenschaft eG plant verjährungshemmende Maßnahmen

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Im Rahmen meiner anwaltlichen Tätigkeit bekam ich zuletzt des Öfteren Mandatsanfragen in Sachen GENO Wohnbaugenossenschaft eG. Hierzu kam es zur Korrespondenz seitens meines Partnerkollegen mit der gegnerischen Rechtsanwaltskanzlei.

Verjährungshemmende Maßnahmen bis 2021 für Beitritte in 2011 geplant 

In diesem Zuge erfuhr mein Kollege, dass der Insolvenzverwalter als nächstes plant, diejenigen Genossen innerhalb der 10-Jahresfrist zur Zahlung aufzufordern, die 2011 der GENO Wohnbaugenossenschaft eG beigetreten sind.   

Der Insolvenzverwalter hat bisher gemäß Mitteilung auch schon die allermeisten Genossen angeschrieben und zur Zahlung aufgefordert, welche bei Insolvenzeröffnung (01. August 2018) nicht ausgeschieden, also noch Genossen, waren. Im Jahr 2021 verjähren dabei die Ansprüche gegen diejenigen Genossen, sofern nicht gehemmt, die in 2011 beitraten, § 22 Abs. 6 GenG.

Insolvenzverwalter verlangt Erfüllung der Kapitalaufbringung  

Der Insolvenzverwalter verlangt Erfüllung der Kapitalaufbringung, d.h. die Einlagezahlungen aus der Beitrittserklärung. Genossen, die 2011 beitraten, können demnach grundsätzlich damit rechnen in unverjährter Zeit bis spätestens 2021 Post vom Insolvenzverwalter zu erhalten.

Rechtslage uneindeutig

Es ist in der Literatur und Rechtsprechung nicht abschließend geklärt, ob die Stundungsabrede hier nichtig ist. Jeder Fall ist zunächst individuell zu durchleuchten und das Verfahren noch jung. Rechtskräftige Entscheidungen der Berufungsgerichte liegen meiner Kenntnis nach noch nicht vor und dass es solche gibt, wird seitens des Insolvenzverwalters nicht behauptet, sondern lediglich dass es zwei Verfahren gibt, die derzeit vor einem Oberlandesgericht in der Berufungsinstanz angesiedelt sind.   

Meiner Meinung nach können sich die Genossen auf Vertrauensschutz berufen, denn diese dachten, dass Sie die Genossenschaftsbeiträge in Raten einzahlen können über viele Jahre und daran muss sich der Insolvenzverwalter nach überzeugendem Ansatz festhalten lassen. Die meisten Genossen waren/sind Kleinsparer, die aus finanziellen Gründen nur Raten zahlen konnten und sie sind insoweit schutzwürdig. Es wäre meiner Überzeugung nach rechtsmissbräuchlich, würde der Insolvenzverwalter diesem Vertrauensschutz zuwider einfach den ausstehenden Betrag vorzeitig fordern können. Insofern bleibt zu hoffen, dass sich die Oberlandesgerichte urteilend auf die Seite der Genossen stellen.     

Hier ist es zudem dergestalt, dass dem Vorstand Betrug / Untreue vorgeworfen wird.

Ich verweise hierzu auf die Entscheidung des LG Tübingen 5 O 154/19 aus einem Fall, die zu Lasten eines Insolvenzverwalters in einem anderen Schneeballprinzip-Verfahren ausgegangen ist.  

 Der dortige Leitsatz spricht für sich und ist meiner Meinung nach auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zwar ging es dort um die Rückforderung ausgezahlter Scheingewinne und hier um die Einforderung ausstehender Genossenschaftsbeiträge (Kapitalaufbringung), aber es dürfte in der Wertung keinen Unterschied machen. In beiden Fällen wurde ein Schneeballsystem installiert und in beiden Fällen fordert der Insolvenzverwalter noch Gelder (zu Unrecht wie das LG Tübingen meint:

 „Der Insolvenzverwalter eines insolventen Anlagebetrugsunternehmens kann Auszahlungen nur anfechten, wenn es sich um Erträge handelt, nicht jedoch bei Rückzahlung von betrügerisch erlangten Kapital.“

 Auf diesen Fall umgemünzt, ist die Ansicht gut vertretbar wonach eine Kapitalaufbringung nicht geschuldet ist, wenn die Vorstände einer Genossenschaft satzungswidrig in die eigene Tasche gewirtschaftet haben und der Genossenschaftszweck auch nicht mehr durch Kapitalaufbringung erreicht werden kann.

 Der Insolvenzverwalter ist der Ansicht, da die Ratenzahlungsvereinbarung nichtig sei, gelten die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft mit der Rechtsfolge, dass alle Beträge sofort verlangt werden können. Meiner Meinung nach muss aber unterschieden werden zwischen der Frage der Anwendbarkeit und den Rechtsfolgen (der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft). Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft ist mittlerweile allgemein anerkannt. Ob diese Grundsätze hier greifen, ist jedoch höchst unklar (eine ansatzweise gefestigte Rechtsprechung gibt es hierzu meines Wissens nach nicht).

 Es gilt der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Gesellschaft regelmäßig nicht von Anfang an nichtig, sondern lediglich mit Wirkung für die Zukunft auflösbar ist. Fraglich ist danach, was gilt, sollte die Ratenzahlungsvereinbarung nichtig sein. Dies wurde meines Wissens nach bislang nicht höchstrichterlich entschieden.

 Insofern ist es interessant, wie die Oberlandesgerichte und ggf. der Bundesgerichtshof in diesen Fällen entscheiden werden. Auch wenn es bisher wenige Entscheidungen erstinstanzliche Entscheidungen gibt, so sind mir allerdings keine bekannt, die zu Gunsten eines Genossen ausgegangen sind. Leider übernehmen viele Rechtsschutzversicherungen diese Fälle nicht, mit der Begründung, dass Genossenschaftsrecht nicht versichert sei oder dass eine Kapitalanlageausschlussklausel greife. Viele Genossen entscheiden sich nachvollziehbarer Weise dagegen, sich ohne Deckung einer Rechtsschutzversicherung  in einen Rechtsstreit mit ungewissen Ausgang zu stürzen. Ein Vergleich – ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht - mit dem Insolvenzverwalter kann in geeigneten Fällen durchaus sinnvoll sein; jedoch verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise.

 Meiner Meinung nach durften die Genossen davon ausgehen, dass sie nach Bekanntwerden der Betrugsvorwürfe betreffend die gegenständlichen Vorstände das Geld für ihren Lebensunterhalt verbrauchen dürfen und dies taten die meisten Genossen bei lebensnaher Betrachtungsweise auch. Mithin wären die Genossen entreichert. Verwendet der Bereicherungsschuldner das Erlangte für Aufwendungen, so ist er entreichert, wenn diese Aufwendungen -wie hier - zu keinem bleibenden Vermögensvorteil geführt haben (BGH v. 27.10.2016 - IX ZR 160/14, Tz. 15).





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