Jogginghose und Videokonferenzen: Homeoffice aus arbeitsrechtlicher Sicht

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Verstärkt durch die Ausbreitung des Coronavirus und dadurch einhergehende Einschränkungen in vielen Unternehmen ist die Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen als Homeoffice (auch: Arbeit 4.0) auf dem Vormarsch. Auch in dieser Ausgestaltung gelten selbstverständlich rechtliche Vorschriften, die in diesem Beitrag übersichtsweise dargestellt werden sollen.

Homeoffice: Was genau ist das eigentlich?

Die Frage mag banal klingen, rechtlich sind aber einige Schattierungen festzustellen. Homeoffice ist ein spezieller Unterfall der sog. Telearbeit. Telearbeit zeichnet sich dadurch aus, dass der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin (AN) die geschuldete Tätigkeit an einem festen Arbeitsplatz erbringt, der außerhalb des eigentlichen Betriebs liegt. Im Fall von Homeoffice ist dieser Ort die Wohnung des AN. Möglich ist auch ein Wechsel von Arbeit im Betrieb und Arbeit außerhalb des Betriebs (sog. alternierende Telearbeit).

Vertragliche Grundlagen

Die Tätigkeit im Homeoffice kann auf Basis unterschiedlicher Rechtsgrundlagen erfolgen. Arbeitsverhältnisse kommen ebenso in Betracht wie selbständige Tätigkeiten im Rahmen von Dienst- oder Werkverträgen. Auch ein Heimarbeitsverhältnis kommt in Betracht. Die Abgrenzung richtet sich dabei insbesondere nach der Weisungsgebundenheit, Fremdbestimmtheit und persönlicher Abhängigkeit (vgl. § 611a Abs. 1 BGB). Da die unterschiedlichen vertraglichen Grundlagen auch unterschiedliche Rechtsfolgen bedeuten ist eine sorgfältige rechtliche Einordnung wichtig. 

Im Einzelfall kann auch fraglich sein, ob deutsches Recht Anwendung findet oder ob die Rechtsordnung eines anderen Staates einschlägig ist.

Arbeitgeber (AG) wie AN sollten daher genau darauf achten, was die Grundlage des Homeoffice-Verhältnisses in rechtlicher Hinsicht ist und welche Folgen hieran geknüpft sind. 

Ist der Status unklar und kommt es hierauf an, so kann eine gerichtliche Klärung im Rahmen der sog. Statusklage vor dem Arbeitsgericht herbeigeführt werden.

Die Einführung von Homeoffice

Anspruchsgrundlagen für Arbeitnehmer

Ein allgemeiner, gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice besteht derzeit nicht. Für Bundesbedienstete (§ 16 Abs. 1 Satz 2 Bundesgleichstellungsgesetz [BGleiG]) und schwerbehinderte AN bzw. Gleichgestellte (§ 164 Abs. 4 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX]) bestehen indes Regelungen. Nur in letzterem Fall besteht allerdings ein individueller, klagbarer Anspruch. 

Es können Beteiligungsrechte für Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertretung bestehen. Dies muss im Einzelfall überprüft werden. 

In Tarifverträgen können Regelungen sowohl zur Ein- als auch zur Durchführung des Homeoffice getroffen werden. Im Einzelfall kann sogar ein individueller Anspruch auf einen Homeoffice-Arbeitsplatz gegeben sein. 

Auch Betriebs- oder Dienstvereinbarungen können entsprechende Regelungen enthalten. 

Gleiches gilt für eine sog. Inklusionsvereinbarung, die der AG mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebsrat trifft. Eine solche Vereinbarung enthält Regelungen mit Bezug zur Eingliederung schwerbehinderter AN und Gleichgestellter.

Möglicherweise ergibt sich ein Anspruch auf Einrichtung/Beibehaltung von Homeoffice auch durch die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht (vgl. § 241 Abs. 2 BGB). Damit ein solcher Anspruch besteht darf der AN unter anderem nicht mehr in der Lage sein, die geschuldete Leistung außerhalb des Homeoffice zu erbringen. Erforderlich ist außerdem ein dahingehendes Verlangen des AN.  

Anspruchsgrundlage kann schließlich auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sein. AG können einer solchen "Bindung" entgehen, indem sie Homeoffice lediglich einzelnen AN individuell und unabhängig von abstrakten Kriterien gewähren. 

Die betriebliche Übung kommt zwar als Anspruchsgrundlage ebenfalls in Betracht, dürfte in der Praxis aber eher selten vorkommen. Die Erklärung eines Freiwilligkeitsvorbehalts verhindert, wie üblich, auch hier die Bindung.

Einführung durch den Arbeitgeber

Der AG kann das ihm zustehende Weisungsrecht (§ 106 Satz 1 Gewerbeordnung [GewO]) nicht für die Einführung von Homeoffice verwenden. Dies gilt auch dann, wenn im Arbeitsvertrag ein entsprechendes Versetzungsrecht enthalten ist (eine solche Klausel wäre nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam).

Eine Änderungskündigung zur Einführung von Homeoffice ist im Regelfall unzulässig, ausnahmsweise kommt sie allerdings in Betracht. 

Homeoffice-Vereinbarung

Wie vorstehend dargestellt kommt eine einseitige Einführung von Homeoffice nur in seltenen Fällen in Betracht. Regelmäßig bedarf es einer einvernehmlichen Vereinbarung. In einer solchen Vereinbarung sollten die wesentlichen Arbeitsbedingungen verankert sein. Auch Bezugnahmen auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sind angebracht. Eine schriftliche Fassung rate ich dringend an. 

Ausgestaltung und Durchführung des Homeoffice

Eine der ersten Fragen dürfte sein, welche Art der Tätigkeit geschuldet ist. Im Hinblick auf das Nachweisgesetz (NachwG) muss eine kurze Charakterisierung in die Homeoffice-Vereinbarung aufgenommen werden. Ein Hinweis auf das Direktionsrecht des AG bietet sich an. 

Ebenso sollte der Beginn und eine eventuelle Befristung der Tätigkeit geregelt werden. Auch in einem bereits befristeten Arbeitsverhältnis kann die Tätigkeit im Homeoffice getrennt befristet werden. Für eine solche Befristung finden dann allerdings nicht die Vorschriften des TzBfG Anwendung, sodass es etwa eines sachlichen Grundes für die Befristung nicht bedarf. Zu beachten ist aber, dass eine Überprüfung auf Basis des AGB-Rechts stattfinden kann. 

Einige Probleme können sich im Hinblick auf den Arbeitsort, regelmäßig die Wohnung des AN, in Betracht kommen aber auch andere Orte, stellen.
Sinnvoll kann es sein, ein auf den Arbeitsort bezogenes Versetzungsrecht des AG zu verankern. Hierdurch wird dem AG ermöglicht, den AN – vorübergehend oder dauerhaft – nicht mehr im Homeoffice einzusetzen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hieran weitere Voraussetzungen geknüpft, die bei der Formulierung einer solchen Klausel unbedingt beachtet werden müssen. Ergänzend ist es regelmäßig sinnvoll, eine Ankündigungsfrist für die Durchführung einer solchen Versetzung vorzusehen, weil Vorbereitungsmaßnahmen im Regelfall erforderlich sein werden.
Zu berücksichtigen sind auch etwaige Vorgaben aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Gegebenenfalls bestehen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats.
Grundsätzlich kann eine solche Versetzung aber auch vertraglich ausgeschlossen werden, wenn dies von den Parteien gewünscht ist. Im Rahmen der Sozialauswahl bei Kündigungen kann ein solcher Ausschluss für den AN negative Auswirkungen haben.

Der Arbeitsplatz

Zunächst einmal müssen geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Was geeignet ist hängt dabei zunächst von der zu erbringenden Tätigkeit ab. Aber auch hinsichtlich Ergonomie, Unfallverhütung und Arbeitssicherheit muss der Arbeitsplatz den jeweils geltenden Anforderungen genügen. Der AG wird regelmäßig eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen müssen, wobei die Informationen aus einer Besichtigung der Räumlichkeiten oder aus Mitteilungen des AN entnommen werden können. Eine Darstellung der im Einzelnen erforderlichen Ausstattung würde den Rahmen sprengen, einzelne Aspekte sollen aber auch hier genannt werden.

Für Bildschirm und Computer sowie Eingabegeräte kann Ziffer 6 des Anhangs zur Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) herangezogen werden.

Der Flächenbedarf wird üblicherweise bei 8–10 qm anzusiedeln sein. Er muss belüft- und beheizbar sein und über ausreichenden Tageslichteinfall verfügen. 

Ein ergonomischer Bürostuhl sollte vorhanden sein.

Inwieweit der Vermieter einer Wohnung der Nutzung als Homeoffice zustimmen muss ist abhängig vom Einzelfall, oftmals wird die Zustimmung nicht einmal erforderlich sein.

Arbeitsmittel

Zunächst einmal hat der AG die Pflicht, die Arbeitsmittel bereitzustellen. Auch insoweit sind die Arbeitsschutzbestimmungen zu beachten. Kosten von Einrichtung und Wartung liegen im Regelfall beim AG.

Dem AG ist auch zu raten, die Arbeitsmittel selbst zu beschaffen und dann dem AN zur Nutzung zu überlassen, wobei dies auch kostenfrei erfolgen kann (und sollte). Die einzelnen Gegenstände sollten in Form eines Inventars aufgezeichnet werden, weil jederzeitige Zugriffsmöglichkeiten AG nicht gegeben sein dürften. Inwieweit eine Kennzeichnung der Gegenstände erfolgt muss im Einzelfall bestimmt werden. 

Ein Zurückbehaltungsrecht des AN an den Arbeitsmitteln sollte ausgeschlossen werden. 

Hinsichtlich einer etwaigen Privatnutzung der Gegenstände kommt es zunächst auf die Eigentumsverhältnisse an, im Übrigen auf vertragliche Regelungen. Stellt der AG die Gegenstände zur Verfügung, so kann eine Privatnutzung durch den AN sogar kündigungsrechtliche Konsequenzen haben. 

Selbstverständlich kann die Privatnutzung auch erlaubt werden. 

Fehler und Schäden an den Arbeitsmitteln hat der AN dem AG anzuzeigen, was in der Vereinbarung auch klargestellt werden sollte.
Für die Behandlung von Schäden kommen unterschiedliche Lösungen in Betracht, deren Vor- und Nachteile im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden müssen. Sinnvoll ist häufig eine versicherungsrechtliche Lösung.

Bei Nutzung privater Geräte des AN stellen sich umfangreiche Probleme, angefangen beim Datenschutz (dieser ist auch ein allgemeines Problem der Tätigkeit im Homeoffice).

Arbeitszeit

Grundsätzlich gelten die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen für die Dauer, die Lage der Arbeitszeit kann der AG über sein Weisungsrecht bestimmen, wobei Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestehen.

Auch das Arbeitszeitgesetz findet Anwendung.

Arbeitsunfälle

Arbeitsunfälle stellen die Parteien vor weitere, intensive Herausforderungen, insbesondere gegenüber dem Unfallversicherungsträger. 

Fazit

Die Arbeit im Homeoffice kann für beide Seiten vorteilhaft sein. Damit sie dies werden kann ist eine sorgfältige rechtliche Ausgestaltung notwendige Voraussetzung. Gerne berate ich Sie von ersten Fragen bis hin zur Erstellung einer entsprechenden Vereinbarung.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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