Kann eine Vollmachterteilung die vollständige oder teilweise Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts verhindern?

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1. Unstimmigkeiten bei der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts

Üben Eltern die gemeinsame elterliche Sorge für ihr Kind aus, kann es bei Trennung oder Scheidung oftmals zu Streitigkeiten zwischen den Eltern über die Mitwirkung oder Ausübung der elterlichen Sorge durch den einen oder anderen Elternteil kommen. Können sich die Eltern nicht einvernehmlich einigen wie die elterliche Sorge generell oder in bestimmten Punkten zum Wohle des Kindes ausgeübt werden soll, kann die elterliche Sorge einem Elternteil entweder ganz entzogen werden oder nur in Teilbereichen.

Der vollständige oder teilweise Entzug des elterlichen Sorgerechts stellt einen gravierenden Eingriff in die Rechte des vom Entzug betroffenen Elternteils dar.


2. Erteilung einer Vollmacht


Mit Beschluss des BGH vom 29.4.2020 - XXII ZB 112/19 - hat dieser darauf hingewiesen, dass der Entzug des Sorgerechts nicht die Ultima Ratio sein muss, sondern das Problem genauso gut durch Erteilung einer Vollmacht des einen Elternteils an den anderen gelöst werden kann. Der die Vollmacht erteilende Elternteil bevollmächtigt damit den anderen Elternteil die Belange des Kindes wahrzunehmen, entweder umfassend oder nur in Teibereichen der elterlichen Sorge.


3. Vollmachterteilung ist widerruflich


Der Elternteil, der die Vollmacht erteilt, kann nicht dazu gezwungen werden, im Rahmen der Vollmachtserteilung zu erklären, dass er für die Zukunft auf einen möglichen Widerruf der nunmehrigen Vollmachtserteilung verzichten wird.

Wird Vollmacht erteilt, steht dem vollmachtgebenden Elternteil das Recht zu, zu überprüfen, ob der andere Elternteil die Vollmacht möglicherweise missbräuchlich gegenüber Dritten verwendet. Liegt ein derartiger Fall vor, kann die Vollmacht widerrufen werden.


4. Kindeswohls muss gesichert sein

Bevor also einem Elternteil die elterliche Sorge entzogen wird, sollte der Elternteil überprüfen, ob es möglich ist, die strittigen Punkte im Rahmen der Ausübung des Sorgerechts dadurch zu lösen, dass er dem anderen Elternteil insoweit eine Vollmacht erteilt.

Bei der Erteilung einer Vollmacht muss überprüft werden, ob dadurch der Elternteil, der die Vollmacht erhält zum Wohle des Kindes handeln kann. Das Kindeswohl ist bei jeglicher Entscheidung der vorrangige Maßstab.

Das Kindeswohl wird unter anderem durch die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Beachtung des Kindeswillens und die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität bestimmt.



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