Kann mein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden, wenn ich falsche Angaben im Lebenslauf gemacht habe?

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Viele werden sich beim Verfassen des Lebenslaufes und spätestens bei einer Bewerbung mit dem Gedanken auseinandergesetzt haben, die ein oder andere, möglicherweise unschöne Stelle in der Biografie nicht aufzuführen, oder kleinere „Schönheitskorrektur“ in diesem vorzunehmen – das passiert, wie wir wissen, bis hin zu höchsten politischen Kreisen. Wer kann einem das gänzlich verübeln, man will sich schließlich von der bestmöglichen Seite präsentieren. Doch bis zu welchem Grad ist das zulässig? Kann mein Arbeitgeber unter Umständen das Arbeitsverhältnis beenden? Und wenn ja, wie kann er das?

Damit hat sich jüngst das Bundesarbeitsgericht auseinandergesetzt (vgl. BAG 18.02.2021 - 6 AZR 92/19). Es ging um eine Auseinandersetzung zwischen einen Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber, die schon eine Vorgeschichtet hatte. Insgesamt kann man sagen, dass das Arbeitsverhältnis angeschlagen, wenn nicht gar zerrüttet gewesen ist. Zwei vorherige Kündigungen des Arbeitgebers aus dem Jahr 2015 wurden rechtskräftig für unwirksam erklärt. Im vom BAG entschiedenen Verfahren ging es im Schwerpunkt einerseits um eine außerordentliche bzw. hilfsweise ordentliche Kündigung sowie um eine betriebsbedingte Kündigung.

Andererseits ging es in dem BAG-Fall um eine Anfechtung des ursprünglichen Vertragsangebots des Arbeitgebers. Während eine Kündigung – ob außerordentlich oder ordentlich – das Arbeitsverhältnis für die Zukunft (ex nunc) beendet, wird durch eine Anfechtung das Arbeitsverhältnis so behandelt, als wäre es nie erst entstanden (ex tunc); es wird sozusagen rechtlich rückwirkend „kassiert“.

Durch beide Rechtsinstitute kann der Arbeitgeber unter gewissen Voraussetzungen auf vermeintlich falsche Angaben im Lebenslauf reagieren, dabei ist jedoch Vorsicht und Fingerspitzengefühl geboten. Das zeigt nicht zuletzt auch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts.

Kündigung wegen unwahren Angaben im Lebenslauf?

Im vorliegenden Fall ging es um einen in der IT-Branche tätigen Arbeitnehmer, der eine Straftat, namentlich eine Hacker-Attacke gegen einen ehemaligen Arbeitgeber im Jahre 1998 begangen hat. Innerhalb des Bewerbungsprozesses im Jahr 2014 verschwieg dieser jedoch jene Straftat sowie eine etwaige zweijährige Haftstrafe gegenüber dem Arbeitgeber, was er auch nicht im Lebenslauf aufführte.

Grundsätzlich kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann, § 626 Abs. 1 BGB (so auch bereits BAG, Urteil vom 24.03.2011 - 2 AZR 282/10 m.w.N.). Hierbei kann schon ein begründeter und dringender Verdacht auf o.g. Tatsachen ausreichen. 

Zunächst ist laut den Regelungen des Bundeszentralregisters derjenige berechtigt sich als „nicht vorbestraft“ zu bezeichnen, welcher schon seit mindestens 8 Jahren eine Freiheitsstrafe verbüßt hat. Der Arbeitnehmer hätte also durchaus das Recht gehabt, sich als nicht vorbestraft zu bezeichnen und die Haftstrafe nicht zwingend dem Arbeitgeber mitzuteilen.

Relevant könnte eine Verletzung dieser sog. Offenbarungspflicht jedoch dann werden, wenn die o.g. Vorwürfe bezüglich der Straftat entscheidend für die Geeignetheit für die entspr. Position sind. Aufgrund vieler, weiterer Qualifikationen des Beschäftigten verneinte das ArbG Stuttgart eine unmittelbare berufliche Ungeeignetheit aufgrund der Straftat. Hinsichtlich einer charakterlichen Ungeeignetheit (in diesem Fall wird dem Arbeitnehmer vorgeworfen, sich mutmaßlich aus Rache-Gründen in das IT-System des früheren Arbeitgebers gehackt zu haben), welche grds. angenommen werden könnte, lehnte das ArbG einen Kündigungsgrund deshalb ab, da es äußerst ungerecht erscheinen würde, aufgrund eines persönlichen Fehltritts, welcher knapp 20 Jahre zurückliegt, dem Arbeitnehmer den Berufsweg für die Zukunft gänzlich zu verbauen. Dies wäre jedoch gerade dann der Fall, wenn dieser gezwungen sei, entsprechende Dinge im Lebenslauf anzugeben und unbegrenzt in der Vita stehen zu haben.

Anfechtung des Vertragsangebots vom Arbeitgeber wegen Täuschung über Lebenslaufangaben

Die zweite interessante Frage im BAG-Urteil: Kann mein Arbeitgeber sein Vertragsangebot wegen vermeintlich arglistiger Täuschung anfechten, wenn ich als Arbeitnehmer bei Vertragsschluss unwahre Angaben gemacht habe?

Im Grunde kann der Arbeitgeber sein Vertragsangebot gem. § 123 Abs. 1 BGB anfechten, wenn er arglistig (also bewusst) vom Arbeitnehmer über relevante Tatsachen getäuscht wurde.

Im Fall des angesprochenen Rechtstreits hatte der Arbeitnehmer verschwiegen, 2 ½ Jahre in Haft gewesen zu sein, stattdessen hat er diese Zeit als Arbeitszeit innerhalb eines früheren Beschäftigungsverhältnisses angegeben. Trotz dieser verschwiegenen Zeit hatte der Arbeitnehmer dennoch die Anforderungen an die Stelle hinsichtlich der erwarteten vorherigen Berufstätigkeit erfüllt. Auch sonst erfüllte er alle bildungstechnischen Anforderungen für die Stelle. 

Das Neue und Spannende am BAG-Urteil

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg wies die Klage insgesamt ab – nach Meinung des Landesarbeitsgerichts war die Anfechtung wirksam und das Arbeitsverhältnis wurde rückwirkend aufgelöst (LAG Baden-Württemberg Urt. v. 21.2.2019 – 3 Sa 65/17, BeckRS 2019, 5479).

Anders als bei der erst- und zweitinstanzlichen Entscheidung argumentierte das BAG jedoch wiederum anders:

Es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet wurde. Interessanterweise kommt es laut dem BAG jedoch auf die Anfechtung gar nicht an. Warum? 

Die Rechtsfolge der Anfechtung ist, dass man das Arbeitsverhältnis so behandelt, als hätte es nie existiert (§ 241 Abs. 1 BGB). Diese „Fiktion“ würde jedoch dann laut BAG ins Leere laufen, wenn vorher und erwiesenermaßen auf Initiative des Arbeitgebers festgestellt worden wäre, dass ein Arbeitsverhältnis existiert, bzw. zumindest einmal bestand. Und genau dies suggeriert die Kündigung. Indem das Arbeitsgericht rechtskräftig die Kündigungen aus dem Jahr 2015 für unwirksam erklärte, stellte es fest, dass ein Arbeitsverhältnis fortbesteht. Gleichzeitig brachte dadurch der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass er ein offensichtlich bestehendes Arbeitsverhältnis für die Zukunft auflösen möchte; denn ein überhaupt nicht bestehendes Arbeitsverhältnis kann man wohl kaum durch Kündigung beenden. Damit nahm er sich nach Auffassung des BAG selbst die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis per Anfechtung zu beseitigen. Auch, falls die Voraussetzungen der Anfechtung aufgrund arglistiger Täuschung gegeben sein würden, so wäre es danach nichtmehr möglich das Rechtsverhältnis rückwirkend zu korrigieren.

Das Bundesarbeitsgericht entschied abschließend, dass weder durch die betriebsbedingte Kündigung, noch durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung, weiterhin auch nicht durch die Anfechtung das Arbeitsverhältnis beendet wurde.

Man könnte sagen, der Arbeitgeber hat sich durch die Kündigung(en) den Weg über die Anfechtung verbaut.

Praxistipps

Arbeitnehmer könnten sich in Zukunft durch dieses Urteil v.a. merken, dass unerhebliche, für die Auswahlentscheidung der jeweiligen Berufsposition nicht bis wenig relevante Angaben im Lebenslauf oder während Bewerbungsverfahren, weder eine (außer)ordentliche Kündigung noch eine Anfechtung rechtfertigen können.

Weiterhin sollte man sich als Arbeitgeber bewusst sein, dass zu schwerwiegende „Schönheitskorrekturen“ oder das Verschweigen von relevanten Tatsachen, welche beruflich und charakterlich das Vertrauensverhältnis zerstören können bzw. von entscheidender Bedeutung für die Einstellung sind, durchaus eine Anfechtung rechtfertigen können. Gleichzeitig macht das BAG jedoch auch deutlich: Eine Pflicht, nahezu ewig, die Karriere belastende biographische Tatsachen im Lebenslauf „mitzuschleppen“, kann auch nicht im Sinne einer fruchtbaren Entwicklung des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt sein.

Als rechtliche Quintessenz sei sich letztlich zu merken, dass laut BAG mit einer einmal erfolgten und als unwirksam erklärten Kündigung gleichzeitig auch die Existenz eines Arbeitsverhältnisses festgestellt wird und selbst durch eine Anfechtung vom Arbeitgeber danach nichtmehr ohne weiteres aufgelöst werden kann.

Brauchen Sie Hilfe?

Wenn Sie Probleme in Ihrem Arbeitsverhältnis haben, sei es wegen einer Kündigung oder Anfechtung des Arbeitsvertrages: lassen Sie sich durch unsere Experten beraten und vereinbaren sogleich einen Termin!

(Herrn stud. iur. Jan Kulka wird herzlich für die Unterstützung bei der Vorbereitung dieses Beitrags gedankt)


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