Kick-back Rechtsprechung ist nicht auf Vertriebsgesellschaften anzuwenden

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Der Bundesgerichtshof schränkt seine anlegerfreundliche Rechtsprechung zur Offenlegungspflicht von Kickback-Zahlungen weiter ein.

Problem:

Der geschädigte Kapitalanleger hat bei Scheitern seiner Anlage in der Theorie 3 Anspruchsgegner, gegen die er seinen Anspruch richten kann, nämlich die Anlagegesellschaft selbst, an der er häufig gesellschaftlich mitgebunden ist, die Initiatoren und den Vermittler, der ihn bei der Anschaffung der Anlage beraten hat. In vielen typischen Konstellationen bestehen werthaltige Ansprüche nur gegenüber dem damaligen Vermittler. Der Anleger stützt seinen Schadenersatzanspruch dann in der Regel auf die Verletzung von Beratungspflichten, z.B. weil die Anlage nicht richtig und vollständig erklärt wurde oder sie nicht zur Risikoneigung des Anlegers passte.

Einen zweiten Weg hat der XI. Zivilsenat des BGH vor einigen Jahren eröffnet, indem er entschieden hat, dass eine vermittelnde Bank einen Interessenskonflikt offenlegen muss, der dadurch entsteht, dass die Bank für die erfolgreiche Vermittlung eine Vergütung erlangt. Dies wurde anfangs im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kunde bei seiner depotführenden Bank davon ausgeht, dass die Beratungsleistungen durch die Kontoführungs- und Depotgebühren mit abgedeckt sind. Das Eigeninteresse der Bank am Abschluss sollte dann zu einem Interessenskonflikt führen, der die Bank zur Offenlegung verpflichtet, um dem Kunden eine Einschätzung der Empfehlung der Bank zu ermöglichen.

Wenn man diesen gedanklichen Ansatz ernst nimmt, hätte dies eine radikale Umkehr bei der Vermittlung von Finanzdienstleistungen zur Folge gehabt, da es üblich ist, dass - entgegen anderer Lebensbereiche - der Anbieter von Bank-, Kapitalanlagen- und Versicherungsprodukten den Vermittler erfolgsabhängig vergütet, die Provision aber wirtschaftlich gesehen von dem Kunden aufgebracht wird.

Aus Kundensicht leider hat der BGH diese Rechtsprechung dann aber nicht weiter entwickelt, sondern den Anwendungsbereich vielmehr sukzessive verringert. So sollten Provisionszahlungen dann nicht anzeigepflichtig sein, wenn sie nicht aus dem Ausgabeaufschlag, sondern der Anlagesumme gezahlt werden. Wieso der postulierte Interessenskonflikt in dieser Situation aber nicht gegeben sein soll, ließ der BGH allerdings offen. Sodann wurde entschieden, dass die Rechtsprechung auch keine Anwendung finden solle, wenn das Anlageprodukt aus dem Eigenbestand verkauft wurde, also in technischer Hinsicht die Bank Verkäuferin und nicht Vermittlerin des Produkts war. Dogmatisch begründete die Rechtsprechung dies damit, dass in diesem Zweipersonenverhältnis der Verkäufer nicht zur vollständigen Aufklärung der Gegenseite und Beratung verpflichtet sei. Dieser Ansatz ist sicherlich juristisch nachvollziehbar, wenn man einen gesonderten Beratungsvertrag ablehnt. Problematisch wurde dies jedoch dadurch, dass nach Ansicht des BGH auch keine Verpflichtung bestehen soll, den Kunden darüber zu informieren, dass ein Eigengeschäft vorliegt, die Rolle der Bank also nicht die der Beraterin, sondern der beteiligten Verkäuferin ist. Ob die Kombination beider Entscheidungen mit der Erwartungshaltung der Kunden übereinstimmt, erscheint zumindest fragwürdig. Jedenfalls eröffnete die Rechtsprechung den Banken die Möglichkeit, durch Übernahme der Anlageprodukte in den Eigenbestand die Anzeigepflicht zu umgehen.

Eine zweite Möglichkeit hatte der für das Handelsvertreterrecht zuständige III. Zivilsenat bereits aufgezeigt, indem er entschieden hatte, dass die Rechtsprechung des XI. Senats, der für Bankgeschäfte zuständig ist, nicht auf freie Anlagevermittler übertragbar sei. Diese Rechtsprechung wurde nun auch auf Vertriebsgesellschaften der Banken übertragen (BGH Urteil vom 19.07.2012, III ZR 308/11).

Sachverhalt:

Die Klägerin hatte sich 2003 auf Vermittlung und Beratung der Beklagten mit 200.000 EUR an einem Medienfonds beteiligt. Die Beklagte ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Sparkasse, die sich mit dem Vertrieb von Anlageprodukten beschäftigt. Das ausgewiesene Agio wurde an die Klägerin erstattet. Die Klägerin verfolgte mit der Klage die Rückabwicklung der Beteiligung und stützte sich dabei u.a. darauf, dass ihr nicht angezeigt worden sei, dass die Beklagte weitere Zahlungen für die Vermittlung erhalten hat.

Entscheidung:

Ohne Erfolg! Der III. Senat hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass der Kunde bei einer typisierenden Betrachtungsweise nicht erwarten dürfe, dass eine rechtlich selbständige aber zur Unternehmensgruppe seiner Bank gehörende Gesellschaft unentgeltlich für ihn tätig werde. Daher müsse er, wenn dies für ihn von Bedeutung sei, selbständig nachfragen, ob und wenn ja in welcher Höhe Rückzahlungen neben den ausgewiesenen Provisionen vereinbart sind.

Bewertung:

Die Entscheidung ist in juristischer Hinsicht „sauber", geht jedoch an der Lebenswirklichkeit vorbei. Der normale Kunde einer Sparkasse differenziert nicht danach, ob er juristisch betrachtet mit einem Mitarbeiter redet, der direkt für die Sparkasse tätig wird, oder ob dieser für eine 100%ige Tochtergesellschaft auftritt, die zur Sparkassenfinanzgruppe gehört. Seine Erwartungshaltung wird in beiden Fällen die gleiche sein, nämlich, eine objektive und richtige Beratung über das Produkt zu bekommen. Wenn man mit dem XI. Senat hierzu auch die Verpflichtung zählt, Interessenskonflikte offen zu legen, so dürfte diese Pflicht auch für die Vertriebstochter gelten.

Hintergrund der Entscheidung ist jedoch, dass die verschiedenen Senate uneinig sind, ob eine Pflicht zur spontanen Anzeige von Kickbacks überhaupt besteht. Der Bankensenat wendet diese Pflicht selbst nicht konsequent an, so dass das Gericht insgesamt kein gutes Bild in dieser Frage macht. Im Hinblick auf die vielen Gestaltungsmöglichkeiten besteht auch nicht zu erwarten, dass in Zukunft noch viele Anleger über den „Trick" der nicht angezeigten Kickbacks zu einer Erstattung kommen werden.

Möglich bleiben allerdings Schadenersatzansprüche, die sich auf die Verletzung der sonstigen Pflichten des Beratungsvertrags stützen, insbesondere also die nicht vollständige oder unrichtige Beratung. Ansätze hierfür gibt es im Regelfall bei geschlossenen Fonds wie Immobilien-, Schiffs- oder Medienfonds genug, da die mit der Anlage verbundenen Risiken unserer Erfahrung nach oft verharmlost oder gar nicht aufgezeigt werden. Dieser Weg schied hier allerdings offenbar aus, da es sich bei der Anlegerin um eine GmbH handelte. Aufgrund der Stellung als Kaufmann wird sie über bestimmte Risiken, die bei „normalen" Anlegern ausschlaggebend sein können, nicht aufzuklären sein.

Heiko Effelsberg, LL.M.

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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