Kündigung des Arbeitsverhältnisses seitens des Arbeitgebers in Italien (hier: Individualkündigung)

  • 5 Minuten Lesezeit

Überblick

Die italienische Gesetzgebung gewährt Arbeitnehmern einen umfassenden Schutz im Falle der Kündigung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber ist nur bei Vorliegen eines gerechtfertigten Grundes ("giusta causa") oder eines gerechtfertigten Grundes ("giustificato motivo") berechtigt, den Arbeitsvertrag zu kündigen.

Das Kündigungsverfahren ist gesetzlich geregelt, und ein Verstoß dagegen kann zu einer gerichtlichen Erklärung der Ungültigkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung führen. Wird die Kündigung für ungültig oder unwirksam erklärt, ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, den Arbeitnehmer wieder einzustellen bzw. weiter zu beschäftigen und/oder ihm eine entsprechende Entschädigung zu zahlen.

Um bestimmten Kategorien von Arbeitnehmern, die als besonders schutzbedürftig gelten, ein hohes Maß an Schutz zu gewähren, sieht das italienische Recht außerdem vor, dass der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag unter bestimmten Umständen wie Schwangerschaft, Krankheit, Wehrpflicht usw. nicht kündigen kann.

Von der Individualkündigung zu unterscheiden ist der Fall der Massenentlassung. Das italienische Recht beschränkt diese Möglichkeit lediglich für Unternehmen mit mehr als 15 Arbeitnehmern, wenn innerhalb eines Zeitraums von 120 Tagen die Entlassung von mindestens 5 Arbeitnehmern beschlossen wird. Weitere Anforderungen sind zu erfüllen und bestimmte Voraussetzungen sind zu beachten.

In jedem Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer das Recht auf eine Abfindung ("trattamento di fine rapporto").

Kündigungsgründe

1. Entlassung aus wichtigem Grund ("licenziamento per giusta causa")

Ein Arbeitsvertrag kann aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden kann, auch nicht vorübergehend. Der Oberste Gerichtshof Italiens ("Corte Suprema di Cassazione") hat festgelegt, dass ein wichtiger Grund vorliegt:

  • im Falle einer wesentlichen Verletzung des Arbeitsvertrags und
  • wenn ein solches Ereignis, auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses, eintritt, das sich auf das Arbeitsumfeld auswirkt und die Vertrauensbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig zerstört ist.

Es ist zu beachten, dass die besonderen Fälle eines wichtigen Grundes für die einzelnen Kategorien von Arbeitnehmern oft in den Tarifverträgen geregelt sind.

2. Entlassung aus gerechtfertigtem Grund ("licenziamento per giustificato motivo")

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs Italiens ist zwischen einem subjektiv gerechtfertigten Grund ("giustificato motivo soggettivo") und einem objektiv gerechtfertigten Grund ("giustificato motivo oggettivo") zu unterscheiden.

***

ExkursUnterschied zwischen Kündigung aus wichtigem Grund und Kündigung aus gerechtfertigtem Grund

Der Unterschied zwischen einer Kündigung aus wichtigem Grund und einer Kündigung aus gerechtfertigtem Grund liegt in der Schwere des Umstandes, der sie rechtfertigt. In den Fällen der Kündigung aus wichtigem Grund ist das Verhalten des Arbeitnehmers so schwerwiegend, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses während der Kündigungsfrist nicht einmal vorläufig möglich ist. Der Vertrag wird sofort beendet.

Bei Kündigungen aus gerechtfertigtem Grund muss dagegen zwischen dem Datum der Kündigung und dem letzten Arbeitstag eine tarifvertraglich oder gesetzlich festgelegte Frist, die so genannte "Kündigungsfrist", eingehalten werden, die es dem Arbeitnehmer ermöglicht, in jedem Fall seine Vergütung zu erhalten und sich in der Zwischenzeit eine andere Beschäftigung zu suchen.

***

2.1 Subjektiv gerechtfertigter Grund

Der subjektiv gerechtfertigte Grund liegt bei einer wesentlichen Verletzung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitnehmer vor. In diesem Fall ist die Vertragsverletzung weniger relevant als im Fall des wichtigen Grundes.

2.2. Objektiv gerechtfertigter Grund

Ein sachlich gerechtfertigter Grund liegt vor, wenn es sich um eine Umstrukturierung der Produktion handelt.

Kündigungsverbote

Die italienische Gesetzgebung sieht eine Reihe von Ereignissen und Umständen vor, bei denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig ist. Diese Ereignisse und Umstände sind in den einschlägigen Rechtsvorschriften aufgeführt, die erlassen wurden, um bestimmten Kategorien von Arbeitnehmern, die als besonders schutzbedürftig eingestuft wurden, einen hohen Schutzstandard zu gewähren (z. B.: Heirat, Schwangerschaft, Krankheit, Verletzung, Militärdienst, gewerkschaftliche Ernennungen, öffentliche Ernennungen, Streik usw.). Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf einer Höchstfrist (des so genannten "periodo di comporto") beenden. Diese Frist wird in der Regel in den Tarifverträgen vereinbart.

Kündigungsfrist

Im Falle der Beendigung eines unbefristeten Arbeitsvertrags muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine entsprechende Kündigungsfrist einräumen. Die Dauer der Kündigungsfrist wird in den Tarifverträgen festgelegt und hängt in der Regel von der Betriebszugehörigkeit und der Qualifikation des Arbeitnehmers ab. Während der Kündigungsfrist besteht das Arbeitsverhältnis fort, und beide Parteien sollten ihren gegenseitigen Verpflichtungen nachkommen: Der Arbeitgeber zahlt das regelmäßige Gehalt weiter, und der Arbeitnehmer übt seine normale Arbeitstätigkeit aus. Hält der Arbeitgeber die Kündigungsfrist nicht ein, muss er eine Entschädigung in Höhe des Geldbetrags zahlen, den er bei Einhaltung der Kündigungsfrist hätte zahlen müssen ("indennità di mancato preavviso").

Ablauf der Kündigung – Verfahren

Nach italienischem Recht muss die Entlassung dem Arbeitnehmer schriftlich mitgeteilt werden. Eine mündliche Kündigung ist unwirksam (außer bei Hausangestellten oder während der Probezeit). Enthält die Kündigung keine Gründe für die Entlassung, kann der Arbeitnehmer innerhalb von 15 Tagen nach Erhalt der Kündigung eine Begründung verlangen.

Innerhalb von 7 Tagen nach Erhalt dieses Antrags muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine weitere schriftliche Mitteilung mit Angabe der Gründe übermitteln. Sobald die Gründe schriftlich dargelegt sind, können sie nicht mehr geändert werden. Hält der Arbeitgeber dieses Verfahren nicht ein, wird die Kündigung für unwirksam erklärt.

Kündigungsschutz – Anfechtung der Kündigung

Innerhalb von 60 Tagen (nach Erhalt der Kündigung oder nach Erhalt der schriftlichen Begründung) kann der Arbeitnehmer die Entlassung durch eine schriftliche, auch außergerichtliche, Verteidigung anfechten. In jedem Fall muss der Arbeitnehmer vor der Einreichung einer förmlichen Klage bei Gericht ein obligatorisches Schlichtungsverfahren einleiten. Das Schlichtungsverfahren kann (i) direkt mit den Gewerkschaften gemäß den Bestimmungen der Tarifverträge oder (ii) vor dem Arbeitsamt durchgeführt werden.

Ungerechtfertigte Kündigung 

Wenn kein gerechtfertigter Grund vorliegt, kann die Entlassung für rechtswidrig erklärt werden. Insbesondere kann die Kündigung für unwirksam erklärt werden, wenn der Arbeitgeber das oben beschriebene Kündigungsverfahren nicht eingehalten hat, wenn die Kündigung diskriminierend ist oder kein gerechtfertigter Grund vorliegt oder keine Begründung angegeben wird.

***

Exkurs: Abfindungszahlung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ("trattamento di fine rapporto")

Gemäß Artikel 2120 des italienischen Zivilgesetzbuchs hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags Anspruch auf eine Abfindung ("trattamento di fine rapporto"), und zwar unabhängig davon, ob die Kündigung berechtigt ist oder nicht oder ob der Arbeitnehmer selbst kündigt.

Der Arbeitgeber hat hierfür am Ende eines jeden Jahres eine bestimmte finanzielle Reserve im Verhältnis zu dem Jahresgehalts des Arbeitnehmers zu bilden: Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – gleich aus welchem Grund - hat der Arbeitnehmer Anspruch auf den entsprechenden Gesamtbetrag.


Der vorstehende Beitrag stellt keine Rechtsberatung oder Empfehlung dar. Wir sind bemüht die gemachten Angaben und Informationen stets auf dem aktuellen Stand zu halten. Eine Gewähr oder Haftung hierfür ist ausgeschlossen. Für eine qualifizierte Rechtsberatung und weitergehende Informationen steht Ihnen das reliaLex Team gerne zur Verfügung.


Foto(s): pixabay

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Avv. Kai Uwe Hosse

Beiträge zum Thema