Kündigung einer Pflegekraft wegen Misshandlung

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Gerade in der Coronakrise danken wir alle den Pflegekräften und den Mitarbeitern, welche in ähnlichen Berufen arbeiten. Eine Entscheidung aus dem Jahr 2019 (also vor Corona) vom 19. November 2019 des Landesarbeitsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern lässt uns nachdenken und lädt zum Diskutieren ein, ob die Entscheidung wirklich richtig ist.

Grundsätzlich gilt folgendes: 

Bei der Pflege älterer Menschen muss besondere Rücksicht auf ihre Rechte und Bedürfnisse genommen werden. Körperliche Misshandlungen sind tabu und können eine Kündigung einer Pflegekraft rechtfertigen. Ob diese dann als außerordentliche (fristlose) oder nur als ordentliche (fristgerechte) Kündigung zulässig ist, muss durch eine Interessenabwägung im Einzelfall entschieden werden.

Was war geschehen?

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine bereits seit ca. 25 Jahren in der Pflege - und Senioreneinrichtung beschäftigte Altenpflegerin wollte im Januar 2017 einen 73-jährigen Pflegebedürftigen waschen. Dieser stand unter Betreuung seiner Lebensgefährtin, da er an hochgradiger Demenz litt.

Zum Tatzeitpunkt hatte er eingenässt und war seit mehreren Tagen nicht mehr gewaschen und rasiert worden, da er die Körperpflege immer wieder abgelehnt hatte.

Am besagten Tag war er der Pflegekraft zunächst freiwillig ins Bad gefolgt und hatte sich dort auf den Duschstuhl gesetzt. Dann lehnte er aber dass einseifen und abduschen ab, er schrie laut, spuckte und trat nach der Pflegekraft. Diese setzte sich darüber hinweg, rief eine Kollegin herbei, die den Pflegebedürftigen festhielt, während sie selbst den Pflegebedürftigen weiter duschte und auch abwusch.

Die Betreuerin selbst hatte nicht eingewilligt, Zwangsmittel zum Zwecke der Körperpflege einzusetzen.

Der Heimdirektor bemerkte diesen Vorfall, führte ein Personalgespräch und kündigte der Pflegerin fristlos, hilfsweise ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen. Die Pflegekraft erhob Kündigungsschutzklage, die aber bereits vom Arbeitsgericht Stralsund abgewiesen wurde (Urteil vom 4. Januar 2019). Sie legte dagegen Berufung zum Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern ein.

Und das Landesarbeitsgericht entschied dann, dass die Misshandlung eines Heimbewohners eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt. Die Berufung hatte teilweise Erfolg, und zwar dahingehend, dass das Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung für unwirksam ansah.

Allerdings hatte die ordentliche Kündigung, die zu Ende August 2017 ausgesprochen worden war, weiterhin Bestand. Damit hatte die Pflegekraft ihr Arbeitsverhältnis letztlich doch verloren, wenn auch nicht mit sofortiger Wirkung.

In den Urteilsgründen heißt es wie folgt:

"Die Misshandlung von Heimbewohnern kann im Allgemeinen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Die Heimunterbringung kranker oder gebrechlicher Menschen schränkt weder ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit noch ihr Persönlichkeitsrecht ein. Ihre Rechte und Bedürfnisse sind vielmehr zu wahren und fördern. Dabei ist körperliche Gewalt im Allgemeinen unzulässig. Ob Zwangsmittel im Ausnahmefall angewandt werden dürfen, müssen die zuständigen Ärzte, Betreuer und staatlichen Institutionen entscheiden."

Diese Grundsätze hatte die Pflegekraft nicht beachtet, da sie körperliche Gewalt gegen ein demenzkranken Heimbewohner einsetzte. Das Waschen und Rasieren geschah gegen seinen klar erkennbaren Willen. Es bestand keine akute Gefahr für den Betroffenen oder anderer Heimbewohner, sodass ein sofortiges Einschreiten aus Sicht des Gerichts nicht erforderlich war. Angesichts der beträchtlichen Dauer des Waschens und Duschens, habe hier auch keine Bagatelle vorgelegen. Der körperliche Zwang, sodass Landesarbeitsgericht, war weder auf einen kurzen Augenblick beschränkt, noch bewegte er sich im niederschwelligen Bereich.

Zugunsten der Pflegekraft sprach aber, dass die Übergriffe nicht als Gewaltexzess zu bewerten waren. Außerdem bestand das Arbeitsverhältnis bereits seit 25 Jahren und damit sehr lange. Im Ergebnis urteilte das Gericht deshalb, dass die fristlose Kündigung unverhältnismäßig war. Aber die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu Ende August 2017 war wirksam.

Als Ergebnis können wir hier folgendes festhalten: Pflegekräfte in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen tragen eine besondere Verantwortung gegenüber Patienten und Pflegebedürftigen. Viele pflegerische Handlungen, z.B. das Setzen einer Spritze oder auch das Schneiden von Haaren oder Fingernägeln, sind rechtlich als strafbare Körperverletzung zu bewerten, wenn keine wirksame Einwilligung des Patienten bzw. Pflegebedürftigen vorliegt. Um derartige Vorwürfe von vornherein zu vermeiden, sollten Pflegekräften Grenzüberschreitungen in diesem Bereich auch im eigenen rechtlichen Interesse strikt vermeiden.

D. h.: Lehnen Pflegebedürftige wie hier im Streitfall Maßnahmen der Körperpflege ab, z.B. das Waschen, Duschen, Rasieren oder Nagel schneiden, haben Pflegekräfte erst einmal keine andere Möglichkeit, als die Ablehnung in der Pflegedokumentation zu vermerken. Ob dann im nächsten Schritt Zwangsmittel im Ausnahmefall eingesetzt werden können, müssen die Pflegebedürftigen oder die Betreuer zusammen mit anderen Personen und Stellen entscheiden.

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