Kündigung eines mutmaßlichen Dschihadisten unwirksam

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Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in Hannover hält die Kündigung eines Mitarbeiters eines großen Automobilherstellers für unwirksam. Der Mann war mutmaßliches Mitglied einer Wolfsburger Islamistenzelle. 

LAG Niedersachsen v. 12.03.2018, ger. Aktenzeichen: 15 Sa 319/17 

1. Was wurde entschieden?

Der Arbeitnehmer ist bei dem Automobilhersteller seit 01.09.2008 in der Montage beschäftigt. Die Arbeitgeberin kündigte sein Arbeitsverhältnis am 07.11.2016 fristlos und ein weiteres Mal ordentlich mit Schreiben vom 09.11.2016. Der Arbeitgeber wirft dem Arbeitnehmer vor, er habe sich dem militanten Dschihad anschließen wollen und werde verdächtigt, Terrorismus zu finanzieren, siehe § 89 c StGB (Terrorismusfinanzierung). Der Kläger sei vom Landeskriminalamt Niedersachsen sowie vom Bundesamt für Verfassungsschutz zur Kontrolle und Grenzfahndung ausgeschrieben gewesen. Die Bundespolizei verbot dem Arbeitnehmer, im Dezember 2014 mit dem Flugzeug nach Istanbul zu reisen.

Am Flughafen hatte man in seinem Koffer eine Flugdrohne und mehrere tausend EUR Bargeld gefunden. Angegeben hatte der Kläger, dass er sich in Istanbul einer Zahnbehandlung habe unterziehen wollen. Ihm wurde der Reisepass entzogen. Als der Kläger sich gegen die Entziehung seines Passes wehrte, urteilte das Verwaltungsgericht Braunschweig, es habe hinreichende Verdachtsmomente dafür gegeben, dass er sich im Sinne eines dschihadistischen Salafismus radikalisiert, einen Bekanntenkreis bzw. ein Netzwerk von Personen mit Bezug zum Dschihad gesucht und aufgebaut und in diesem Netzwerk im Sinne des dschihadistischen Salafismus agiert habe. Das Reiseverbot und die Entziehung des Reisepasses seien rechtmäßig gewesen. 

Verwaltungsgericht Braunschweig vom 07.09.2016, ger. Aktenzeichen. 5 A 99/15

Der Arbeitgeber erfuhr nun von dieser Entscheidung und forderte den Arbeitnehmer zur Äußerung auf. Danach kündigte er das Arbeitsverhältnis wegen der Gefährdung des Betriebsfriedens und der Betriebssicherheit. 

Das Arbeitsgericht hat Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers abgewiesen. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Arbeitnehmer eine schwere Pflichtverletzung begangen habe. Er habe sich dem militanten Dschihad anschließen wollen, auf das Vorliegen eines Straftatbestandes komme es dabei nicht an. 

ArbG Braunschweig v. 27.02.2017, ger. Aktenzeichen, 8 Ca 507/16

Das Landesarbeitsgericht Hannover hat nun auf die Berufung des Arbeitnehmers dagegen entschieden. Die Kündigung sei unwirksam. Der bloße Verdacht einer Zugehörigkeit zu einer radikal-militanten Bewegung reiche für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht aus. Nur bei einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses seien außerdienstliche Umstände als Kündigungsgründe geeignet. Rein außerdienstliche Umstände könnten die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses weder fristlos noch fristgemäß rechtfertigen.

2. Was ist mit salafistischer Dschihadismus gemeint?

Oft wird stark verallgemeinernd unter Salafismus eine ultrakonservative Strömung des Islam verstanden. Die Wortbildung soll darauf hindeuten, dass eine althergebrachte Form des Islam wiederbelebt werden soll. Als Dschihadisten werden demgegenüber ebenso uneinheitlich, aber überwiegend religiöse Personen bezeichnet, die den Islam mit Gewalt oder kriegerischen Mitteln durchsetzen wollen. Dschihad bedeutet nicht Heiliger Krieg, sondern Anstrengung auf dem religiösen Weg. 

3. Welche Auswirkungen hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts? 

Die Befürchtung, dass durch die Entscheidung des LAG Niedersachsen kein effektiver Schutz vor gewaltbereiten Personen im Betrieb mehr möglich ist, wäre übertrieben. Gewaltbereite Personen können durchaus eine Gefährdung des Betriebsfriedens darstellen. Allerdings rechtfertigt der Verdacht einer eine außergerichtliche Straftat ohne konkrete Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis keine Kündigung. Möglicherweise wird sich aber noch das Bundesarbeitsgericht mit dieser Frage beschäftigen. Es wird möglicherweise noch genauer klären, ob die Gefährdung des betrieblichen Miteinanders durch den konkreten Verdacht, sich dem militanten Salafismus anschließen zu wollen, nicht doch ausreichende Grundlage für eine Kündigung sein kann. 

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart 


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