Kündigung erhalten - welche Abfindung steht mir zu?

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Wenn Arbeitnehmer:innen gekündigt werden, stellt sich sehr schnell die Frage nach einer Kompensation. Schließlich wurde einem etwas weggenommen! Aber: im Arbeitsrecht ist kein genereller Anspruch auf eine Abfindung vorgesehen (eine seltrene Ausnahme kommt unter 2.). Dennoch gibt es in der Praxis bekanntlich verschiedene Konstellationen, bei denen Arbeitnehmer:innen doch eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhalten.

Ausgangslage

Das Gesetz sieht grundsätzlich vor, dass länger dauernde Verträge von jedem Vertragspartner gekündigt werden können. Der Gesetzgeber hat aber auch erkannt, dass es Vertragsarten gibt, bei denen ein Vertragspartner besonders schützenswert ist. Er hat für diese Verträge besondere Hürden für die Kündigung aufgestellt, beispielsweise im Arbeitsrecht oder im Wohnraummietrecht. Ein Arbeitgeber darf nicht willkürlich (also ohne Grund) kündigen und muss für die Kündigung eine Frist und die Schriftform einhalten. Anders ist das zum Beispiel bei einem Handyvertrag: der Mobilfunkanbieter (nicht nur der Kunde!) kann den Handyvertrag jederzeit kündigen; zwar gibt es meist auch da eine Kündigungsfrist, die ergibt sich aber nicht aus dem Gesetz, sondern wurde vertraglich vereinbart.  

Wann gibt es also eine Abfindung?

Über eine Abfindung wird meist dann gesprochen, wenn unklar ist, ob der/die Arbeitgeber:in die oben genannten Hürden einhalten kann oder schon von Vornherein vermieden werden soll, dass man über die Hürden spricht. Oder anders gesagt: Der/die Arbeitgeber:in möchte sich von dem/r Arbeitneher:in trennen, es ist aber unklar, ob die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen.

Im Wesentlichen gibt es vier Konstellationen, in denen eine Abfindung in Frage kommt:

  1. Aufhebungsvertrag,
  2. Betriebsbedingte Kündigung mit Hinweis nach § 1a Abs.1 S.2 KSchG,
  3. Vergleich im Kündigungsschutzprozess und
  4. Sozialplan.

1. Aufhebungsvertrag

Ein Aufhebungsvertrag ist für beide Seiten die schnellste Art, das Arbeitsverhltnis zu beenden. Für den/die Arbeitnehmer:in ist es aber deshalb auch die Gefährlichste. Die einzige Voraussetzung, die ein Aufhebungsvertrag erfüllen muss, ist die Schriftform gem. § 623 BGB. Hat also ein:e Arbeitnehmer:in einen Aufhebungsvertrag unterschrieben, kommt er/sie aus diesem, wenn überhaupt, nur schwer wieder heraus.

Natürlich kann man sich aber auch die Vorteile eines Aufhebungsvertrages zu Nutze machen: da der Vertrag eine schnelle und sichere Art bietet, das Arbeitsverhältnis zu beenden und man danach über die Einhaltung der oben genannten Hürden nicht mehr diskutieren muss, sind Arbeitgeber:innen oft gewillt, dies dem/der Arbeitnehmer:in zu vergüten. Wie hoch die Abfindung dann tatsächlich ist, ist reine Verhandlungssache.

2. Betriebsbedingte Kündigung mit Hinweis nach § 1a Abs.1 S.2 KSchG

Eine der seltensten Konstellation ist die betriebsbedingte Kündigung mit Hinweis nach § 1a Abs.1 S.2 KSchG. Der/die Arbeitnehmer:in erhält laut Gesetz automatisch Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von 0,5 Bruttomonatsgehältern für jedes Jahr der Beschäftigung. Voraussetzung ist aber, dass:

  • der/die Arbeitgeber:in "aus dringenden betrieblichen Erfordernissen" kündigt,
  • der/die Arbeitnehmer:in keine Kündigungsschutzklage erhebt und
  • der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung auf beide vorgenannten Punkte hinweist.

In der Praxis kommt es sehr selten vor, dass ein/e Arbeitgeber:in diesen Hinweis erteilt.

3. Vergleich im Kündigungsschutzprozess

Eine sehr häufige Konstellation ist die, dass ein/e Arbeitgeber:in die Kündigung erklärt und der/die Arbeitnehmer:in dagegen innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage erhebt. Der Arbeitgeber muss dann vor Gericht beweisen, dass

  • ein Kündigungsgrund vorliegt,
  • die Kündigung formgerecht erklärt worden ist und/oder
  • die Kündigungserklärung rechtzeitig zugegangen ist.

3.1 Warum schließt man einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht?

Man kann sich nun die Frage stellen, warum man sich vor Gericht überhaupt einigen soll. Schließlich könnte doch das Gericht einfach entscheiden, wer Recht hat. 

Eine solche Entscheidung wird aber der Praxis meist nicht gerecht. Ein Gerichtsverfahren dauert mehrere Monate. Wenn es über zwei Instanzen geht, kann es sogar über ein Jahr sein. In der Zwischenzeit wissen weder Arbeitnehmer:in noch Arbeitgeber:in, wie es enden wird und wie mit dem Arbeitsverhältnis umgegangen werden soll. Andererseits stellt es meist eine gewisse Belastung für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dar, wenn man schon einen Gerichtsprozess gegeneinander geführt hat. Aus diesen Gründen haben beide Parteien ein Interesse daran, dass der Prozess rasch beendet wird.

Je nachdem, wie sicher bzw. unsicher sich der/die Arbeitgeber:in ist, den Arbeitsgerichtsprozess zu verlieren oder zu gewinnen, wird er/sie bereit sein, eine mehr oder weniger hohe Abfindung zu zahlen.

3.2 Muss ich eine Abfindung akzeptieren?

Die Antwort ist relativ leicht: nein.
Als Arbeitnehmer:in macht man sich spiegelbildlich die gleichen Gedanken, wie der/die Arbeitgeber:in. Wenn man sicher ist, den Kündigungsschutzprozess zu gewinnen und an den Arbeitsplatz zurückkehren möchte, muss man keine Abfindung akzeptieren. Je höher aber die Gefahr, den Prozess zu verlieren, desto schlechter ist die Verhandlungsposition. Denn sollte man den Prozess verlieren, ist das Arbeitsverhältnis beendet und man erhält gar nichts.

3.3 Wie muus die Abfindung im Vergleich sein?

Eine verbindliche Regelung gibt es bei der Höhe der Abfindung im Vergleich nicht. Als Ausgangspunkt wird aber als "Faustformel" meist die Abfindung nach § 1a KSchG herangezogen. Allerdings wird diese dann in der Regel entsprechend der Interessenlage im tatsächichen Fall angepasst. Wie hoch die Abfindung im Vergleich sein wird, hängt dann von mehreren Faktoren ab. Die wichtigste Rolle spielt das Prozessrisiko, also wie stark oder schwach die eigene Rechtsposition ist. Für Arbeitnehmer:innen ist außerdem zu berücksichtigen, wie schnell sie eine neue Stelle finden können. Wenn man schnell wieder einen Arbeitsplatz hat, kann man es sich leisten, entspannter in Verhandlungen zu gehen. Wichtig ist natürlich auch die Frage, ob man überhaupt zu einem/r Arbeitgeber:in zurückkehren möchte der/die einen bereits einmal gekündigt hat. Letzteres hängt oft auch vom Kündigungsgrund ab. Nicht zuletzt gibt es zahlreiche andere "Stellschrauben", die sich auf die Abfindungshöhe auswirken können, beispielsweise eine unbezahlte Freistellung oder andere Leistungen des/der Arbeitgebers:in.

4. Sozialplan

Ein Sozialplan ist eine Vereinbarung zwischen dem Betriebsrat und dem/r Arbeitgeber:in über die Abmilderung von wirtschaftlichen Nachteilen im Rahmen einer Betriebsänderung. Wenn eine solche Betriebsänderung den Abbau von Arbeitsplätzen vorsieht, kann es sein, dass darin auch Abfindungen geregelt sind. Meist enthält der Sozialplan dann Berechnungsgrundlagen, mit welchen anhand objektiver Kriterien für jeden betroffnenen Mitarbeiter eine individuelle Abfindung berechnet werden kann.

Rechticher Rat

Ob eine Abfindung angemessen ist, ist oft schwer zu beurteilen. Ein Fachanwalt/eine Fachanwältin für Abeitsrecht kann Ihnen hier unterstützend zur Seite stehen, unabhängig davon, ob eine Abfindung in einem Aufhebungsvertrag, im Kündigungsschreiben, im Kündigungsprozess oder im Sozialplan angeboten wird.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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