Kündigung von Betriebsräten: Hohe Abfindungssumme ist keine Betriebsratsbegünstigung

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Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2023, Az. 6 StR 133/22, wird in den Chef-Etagen Deutschlands folgende Frage diskutiert: Kann eine vermeintlich zu hohe Abfindungssumme für ein Betriebsratsmitglied eine strafbewehrte Betriebsratsbegünstigung und damit vielleicht sogar die Straftat einer Untreue begründen?

Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht bereits im Jahr 2018 wie folgt geklärt:

Grundsätzlich keine unzulässige Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds durch hohe Abfindungsvereinbarung - Bundesarbeitsgerichts vom 21.03.2018, Az. 7 AZR 590/16 -

Bei becklink 2009410, beck-online, wird das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wie folgt zusammengefasst:

„Beabsichtigt der Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis mit einem Betriebsratsmitglied unter Berufung auf verhaltensbedingte Gründe außerordentlich zu kündigen und schließen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied nach Einleitung eines Verfahrens zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Kündigung und nach vorausgegangenen Verhandlungen eine Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung und gegebenenfalls andere Zuwendungen, so liegt darin regelmäßig keine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds.“

Hohe Abfindungssumme nach Zustimmung zur verhaltensbedingten Kündigung

„Der Kläger war seit 1983 bei der Beklagten beschäftigt und seit 2006 Vorsitzender des in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrats. Anfang Juli 2013 hatte die Beklagte beim Arbeitsgericht unter Berufung auf - vom Kläger bestrittene - verhaltensbedingte Gründe ein Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers eingeleitet. Am 22.07.2013 schlossen die Parteien außergerichtlich einen Aufhebungsvertrag, in dem unter anderem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2015, die Freistellung unter Vergütungsfortzahlung und eine noch im Verlauf des Arbeitsverhältnisses auszuzahlende Abfindung von 120.000 Euro netto vereinbart wurden“; Quelle: becklink 2009410.

Betriebsrat ficht seine eigene Abfindungsvereinbarung wegen vermeintlicher Betriebsratsbegünstigung an

So ungewöhnlich es auch klingen mag, nachdem das Betriebsratsmitglied am 23.07.2013 vereinbarungsgemäß von seinem Betriebsratsamt zurückgetreten war und in der Folgezeit die Auszahlung der Abfindung an ihn erfolgt war, hat er zur Überraschung des Arbeitgebers Klage auf Weiterfortbeschäftigung beim Arbeitsgericht eingereicht. Begründung: Die Abfindungsvereinbarung sei unwirksam und damit nichtig, weil diese gegen das Begünstigungsverbot von Betriebsräten verstößt.

BAG: Weder Benachteiligung noch Begünstigung

Das Bundesarbeitsgericht wies den Vorwurf des Betriebsratsmitglieds zurück und stellte klar:

„Ein Betriebsratsmitglied wird durch einen im Zuge einer kündigungsrechtlichen Auseinandersetzung abgeschlossenen Aufhebungsvertrag in der Regel auch dann nicht unzulässigerweise begünstigt iSv. § 78 Satz 2 BetrVG, wenn der Aufhebungsvertrag besonders attraktive finanzielle oder sonstige Konditionen enthält, die einem Arbeitnehmer ohne Betriebsratsamt nicht zugestanden worden wären. Diese Begünstigung beruht regelmäßig auf dem besonderen Kündigungsschutz des Betriebsratsmitglieds nach § 15 Abs. 1 KSchG, § 103 BetrVG, der seine Rechtsposition gegenüber anderen Arbeitnehmern ohne vergleichbaren Sonderkündigungsschutz erheblich verbessert. Es kommt daher nicht darauf an, ob die in dem Aufhebungsvertrag vereinbarten Leistungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen sind.“ Quelle: openJur 2019, 349

Günstigere Verhandlungsposition als Betriebsrat wegen Sonderkündigungsschutz 

Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 21.03.2018 - 7 AZR 590/16 herausstellend:

„Ein Mandatsträger verfügt bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags aufgrund des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG und der Erforderlichkeit der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung bzw. deren gerichtlicher Ersetzung nach § 103 BetrVG über eine günstigere Verhandlungsposition als Arbeitnehmer ohne Mandat. Der gesetzlich in § 15 KSchG und § 103 BetrVG geregelte Sonderkündigungsschutz geht der allgemeinen Regelung des § 78 Satz 2 BetrVG als speziellere Regelung vor und verbessert im Hinblick auf seinen Schutzzweck (Unabhängigkeit der Amtsausübung, Kontinuität der Amtsführung, Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen ohne Furcht vor Entlassung) die kündigungsrechtliche Rechtsstellung der Träger besonderer Funktionen gegenüber der Rechtsstellung der übrigen Arbeitnehmer ohne vergleichbaren Sonderkündigungsschutz (vgl. BAG 7. Oktober 2004 - 2 AZR 81/04 - zu II 4 der Gründe, BAGE 112, 148). Der darin zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertentscheidung entspricht es, dass sich die besondere und ihrerseits bereits begünstigende kündigungsrechtliche Rechtsstellung als Verhandlungsposition auf den Abschluss und den Inhalt eines Aufhebungsvertrags auswirken kann (zutr. Kreutz GK-BetrVG 11. Aufl. § 78 Rn. 85). Darin liegt grundsätzlich keine unzulässige Begünstigung iSv. § 78 Satz 2 BetrVG.“

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