Arbeitsrecht - Kündigung wegen Verweigerung eines Corona-Tests unwirksam

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Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der sich betrieblich angeordneten Corona-Tests verweigert, kann unwirksam sein. So eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vom 24.11.2021 - 27 Ca 208/21. 

In dem der Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg zugrunde liegenden Fall war der Arbeitnehmer als Fahrer eines größeren Mobilitätsunternehmens beschäftigt. Es bestand durch Trennscheiben in den Fahrzeugen eingeschränkter Kundenkontakt. Neben einer Verpflichtung zum Tragen einer Maske ordnete der Arbeitgeber an, dass sich ungeimpfte und nicht erst kürzlich genesene Fahrer vor Dienstantritt einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Corona-Schnelltest zu unterziehen haben. Der Arbeitnehmer lehnte dies ab. Auch die Mitnahme eines Test-Kits, um den Test vor Dienstantritt daheim durchzuführen, verweigerte der Arbeitnehmer. Seiner Ankündigung, einen eigenen Test mitzubringen, folgte der Arbeitnehmer ebenfalls nicht. Als der Arbeitnehmer den Arbeitgeber schließlich aufforderte , ihm einen weniger invasiven Test (Spuck- bzw. Gurgeltest) zur Verfügung zu stellen, erteilte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zunächst ein Hausverbot und sprach nachfolgend  die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. Juli 2021 aus.

Auf die hiergegen von dem Arbeitnehmer erhobene Kündigungsschutzklage stellte das Hamburger Arbeitsgericht nun fest, dass die Kündigung unwirksam sei. Zwar sei die Anordnung einer Testpflicht durch den Arbeitgeber nicht zu beanstanden. Dies sei vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Daher habe der Arbeitnehmer mit seiner Weigerung zur Durchführung der Tests gegen eine arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen. Es gelte aber das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Milderes Mittel, der Weigerung des Arbeitnehmers zur Durchführung der Tests zu begegnen, wäre nach Auffassung des Arbeitsgericht eine Abmahnung gewesen. Der Arbeitgeber hätte den Arbeitnehmer daher vor Ausspruch der  Kündigung abmahnen müssen. Das war unterblieben und die Kündigung daher unwirksam mit der weiteren Folge, dass der Arbeitgeber die in der Zeit von Mitte Juli bis November 2021 offenen Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers nachzuzahlen haben wird. Der Arbeitnehmer ist darüber hinaus weiter zu beschäftigen.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg folgt dem Ultima-Ratio-Prinzip. Nach dem Ultima-Ratio-Prinzip, welches das gesamte Kündigungsrecht beherrscht, kommt eine Kündigung stets nur als letztes Mittel in Betracht. Der Arbeitgeber muss daher in jedem Fall versuchen, die Kündigung durch andere geeignete Maßnahmen abzuwenden.

Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist es wegen des Ultima-Ratio-Prinzips daher in der Regel erforderlich, dass der Arbeitnehmer zuvor wegen eines anderen früheren Pflichtverstoßes durch den Arbeitgeber einschlägig abgemahnt worden ist, damit der Arbeitgeber wegen eines gleichartigen Verhaltens eine verhaltensbedingte Beendigungskündigung aussprechen kann. Der Arbeitgeber muss darüber hinaus stets prüfen, ob er den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz, ggf. auch zu schlechteren Bedingungen, weiterbeschäftigen kann und dem Arbeitnehmer ggf. einen solchen Arbeitsplatz anbieten. 

In Zeiten weit verbreiteter und technisch inzwischen - anders als im Fall des hier betroffenen Fahrers - oftmals leichterdings möglicher Arbeit im Home Office wird sich vor Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung wegen Weigerung zur Durchführung von Corona-Tests auch eine Pflicht des Arbeitgebers zur Prüfung möglichen Einsatzes des Arbeitnehmers im eigenen Home Office ergeben können. Rechtsprechung der Arbeitsgerichte dazu steht noch aus.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg  gibt jedenfalls Anlass für den Hinweis, dass es sich in allen Fällen empfiehlt, die Wirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung fachanwaltlich überprüfen und ggf. durch Kündigungsschutzklage anfechten zu lassen. Wie der Hamburger Fall mit einer viele Monatsvergütungen umfassenden - gegenleistungsfreien - Nachzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitsnehmers als Ergebnis des Prozesses zeigt, bietet ein rechtliches Vorgehen vielfach wirtschaftlich bedeutende Chancen zugunsten der Arbeitnehmerseite.

Michael Timpf

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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