Kündigungsschutz in Kleinbetrieben und der Probezeit

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Kündigungsschutz in Kleinbetrieben und in der Probezeit 

Von RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Voraussetzung für die Gewährung von Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz ist, dass das Gesetz auf das betroffene Arbeitsverhältnis überhaupt Anwendung findet. Dabei sind im Wesentlichen zwei Voraussetzungen wichtig: zum einen müssen im Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sein, wobei Auszubildende nicht mitgezählt werden, § 23 Kündigungsschutzgestz (KSchG). Unter bestimmten Umständen gilt für Arbeitsverhältnisse, die vor dem 31.12.2003 begründet wurden, ein Schwellenwert von 5 Arbeitnehmern. Außerdem muss das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen länger als 6 Monate bestanden haben, § 1 Abs. 1 KSchG. Damit sind Beschäftigte in Kleinbetrieben und Beschäftigte in den ersten 6 Monaten ihres Arbeitsvertrags deutlich schlechter gestellt, da ihre Kündigung nicht „sozial gerechtfertigt“ im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG sein muss. 

Anders als viele denken, sind die Arbeitnehmer aber auch in diesen Fällen nicht vollständig rechtlos, vielmehr genießen auch sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen „verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutz“. Das Bundesverfassungsgericht stellt hierzu fest: „Wo Bestimmungen des KSchG nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt“, BVerfG vom 27.1.1998, EzA § 23 KSchG Nr. 17.

Die Einzelheiten hierzu sind, wie unter Juristen üblich, streitig und im Ergebnis immer vom Einzelfall abhängig, was dem betroffenen Arbeitnehmer jedoch Argumentationsspielraum lässt.

Jedenfalls sind Kündigungen, die gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) verstoßen, genauso nichtig wie sittenwidrige (§ 138 BGB) oder treuwidrige (§ 242 BGB) Kündigungen. Ebenso sind Kündigungen unwirksam, die gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) verstoßen.

Außerdem muss der Arbeitgeber selbstverständlich auch die allgemeinen Regeln des Kündigungsrechts beachten, er muss also – sofern vorhanden – den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligen und ggf. auch Arbeitsverträge, die nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, im Rahmen der Massenentlassungsanzeigen (heutzutage nicht selten) mitberücksichtigen. 

Schließlich muss die Kündigung auch formal ordnungsgemäß erfolgen und er darf nicht gegen besondere Kündigungsschutzregelungen wie z.B. für Schwangere verstoßen. Auch Verstöße hiergegen können eine Kündigung unwirksam machen und einer Kündigungsschutzklage zum Erfolg verhelfen. Dies soll hier aber nicht Thema sein. 

Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot § 134 BGB

Kündigungen, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, sind nichtig, § 134 BGB. In der Praxis betrifft dies häufig Fälle, in denen eine Verstoß gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz AGG im Raum steht, also eine Diskriminierung wegen Alter, Geschlecht, Rasse etc. 

Verstoß gegen die guten Sitten, § 138 BGB

Ein Rechtsgeschäft - also auch die Kündigung - die gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. Die Rechtsprechung legt bei der Prüfung, ob eine Kündigung gegen die guten Sitten verstößt, strenge Maßstäbe an. So soll ein Grund, der in den Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt (das in der Wartezeit oder bei Kleinbetrieben nicht anwendbar ist) nicht herangezogen werden können. Sittenwidrigkeit soll danach kurz zusammengefasst nur in „krassen Fällen“ anzunehmen sein, wenn die Kündigung auf einem verwerflichen Motiv beruht und wenn sie dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht.

Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist die Kündigung eines öffentlichen Arbeitgebers, der die Kündigung auf die wahrheitswidrige Beantwortung einer unspezifizierten Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren gestützt hat, was einen Verstoß gegen die Rechtslage nach dem BZRG darstellte (BAG Urteil von 15.11.2012, EzA § 138 BGB 2002 Nr. 9). Denn der Arbeitnehmer war berechtigt, die Ermittlungsverfahren zu verschweigen. 

Vor Einführung des Gesetz zur Allgemeinen Gleichstellung wurde die Kündigung wegen der sexuellen Orientierung des Arbeitnehmers als treu- und sittenwidrig eingestuft, (BAG Urteil vom 23.6.1994, EzA § 242 BGB Nr. 39).

Das LAG Schleswig-Holstein hat eine Kündigung als sittenwidrig angesehen, bei der der Arbeitgeber einen bei ihm eingesetzten Leiharbeitnehmer in Kenntnis der Tatsache, dass er mit einer Chinesin verheiratet ist, abgeworben hat und dann das Arbeitsverhältnis in der Wartezeit wegen der weiterhin bestehenden Ehe aus Sicherheitsbedenken gekündigt hat, LAG SchlH 20.6.2011, 3 Sa 95/11, SchlHA 2012, 155).

Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB

Auch allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Grundsatz von Treu und Glauben setzt voraus, dass das Verhalten, an das angeknüpft wird, nicht schon im Kündigungsschutzgesetz geregelt ist. Nach der Rechtsprechung sollen Arbeitnehmer aber vor Kündigungen geschützt werden, die in Willkür oder sachfremden Motiven begründet liegen. Insbesondere bei langjährigen Beschäftigungen ist erforderlich, dass der Grund für Kündigungen auch angesichts der Betriebszugehörigkeit „einleuchten“ muss, so BAG vom 28.8.2003, EzA § 242 BGB 2002, Kündigung Nr. 4.

Nicht gerechtfertigt ist damit z.B. die Kündigung  eines seit Jahrzehnten beanstandungsfrei geführten Arbeitnehmers wegen eines nicht eindeutig ins Gewicht fallenden einmaligen Fehlers, BAG vom 28.8.2003, EzA § 242 BGB 2002, Kündigung Nr. 4.

Bedeutung erlangt der Grundsatz von Treu und Glauben auch, wenn der Arbeitgeber den zu kündigenden Arbeitnehmer unter mehreren aussuchen muss.  Dann ist auf Seiten des Arbeitgebers ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme anzulegen, weshalb der Arbeitgeber eine Auswahl unter sozialen Gesichtspunkten, insbesondere unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit fällen muss.   

Verstößt eine Kündigung nach diesen Anforderungen gegen Treu und Glauben, so ist sie nichtig. 

Verstoß gegen das Maßregelungsverbot, § 612a BGB

Die Regelung bezweckt, dass ein Arbeitnehmer, der seine ihm zugewiesenen Rechte wahrnimmt, nicht deshalb benachteiligt werden darf. Das schließt ein, dass eine Kündigung nicht auf Gründe gestützt werden kann, die in der berechtigten Wahrnehmung der eigenen Interessen des Arbeitnehmers beruhen. Richtigerweise reicht es dafür nach der Rechtsprechung aus, wenn die Kündigung – die an sich ja nicht begründet werden muss – kausal im wesentlichen durch die Wahrnehmung der eigenen Rechte verursacht wurde.

Die Anwendungsfälle können vielfach sein,  z.B. das Pochen auf die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes oder des Datenschutzes, die Beteiligung an Betriebsratswahlen etc. In letzter Zeit wird die Norm häufig im Zusammenhang mit Whistleblowern genannt.

Beteiligung des Betriebsrats, § 102 BetrVG

Sofern ein Betriebsrat oder ein Betriebsobmann gewählt wurden, muss dieser vor einer Kündigung angehört werden. Eine ohne Anhörung erklärte Kündigung ist unwirksam, § 102 BetrVG.

Die Regelung greift auch schon bei Kleinbetrieben ein, da eine Wahl nach dem Betriebsverfassungsrecht schon bei fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wahlberechtigt sind, erfolgen kann.

Die Anhörung muss auch ordnungsgemäß erfolgen, was in der Praxis manchmal zu Problemen führt.

Massenentlassungsanzeige, § 17 KSchG

Ein Arbeitgeber, der mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt, ist verpflichtet, sog. „Massenentlassungen“ (in Betrieben mit mehr als 20 AN bei mehr als 5 Kündigungen, in Betrieben mit mehr als 60 Arbeitnehmer bei der Entlassung von 10% oder mehr als 25 Kündigungen und in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern bei 30 Kündigungen) den Betriebsrat in einem gesonderten Verfahren zu beteiligen und das zuständige Agentur für Arbeit zu informieren. Da für die Anzeigepflicht alle Entlassungen in einem Zeitraum von 30 Tagen zählen, kann so eine Kündigung nachträglich anzeigepflichtig werden. Ebenso übersehen viele Unternehmen diese Regelung. Folge hiervon ist, dass die Kündigung dann im Regelfall unwirksam ist, schon weil das Verfahren nicht eingehalten wird. Diese Regelung gilt dabei auch für Arbeitnehmer in den ersten 6 Monaten der Beschäftigungszeit. Dies ist für Arbeitnehmer insbesondere deshalb interessant, weil bei einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage in der Regel die 6 Monate abgelaufen sind und der Arbeitnehmer dann normalen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz geniesst.  

Fazit 

Dies zeigt, dass Arbeitnehmer in der Probezeit und in Kleinbetrieben nicht vollständig schutzlos gestellt sind, sondern dass auch sie – allerdings unter sehr engen Voraussetzungen – gegen ungerechtfertigte Kündigungen vorgehen können.

Rechsanwalt Heiko Effelsberg, LL.M.


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