Lohnwucher: Arbeitgeber schuldet üblichen Lohn

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Gemäß § 138 BGB sind sittenwidrige Rechtsgeschäfte unwirksam. Diese Regelung gilt auch für das auffällige Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis. Ein wucherähnliches Geschäft liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände, zum Beispiel eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten hinzutreten. Verstößt die Entgeltabrede gegen § 138 BGB schuldet der Arbeitgeber die übliche Vergütung.

Die übliche Vergütung ist immer dann relativ einfach zu bestimmen, wenn in der Branche Entgelttarifverträge existieren. 

Das Arbeitsgericht (ArbG) Lingen hat mit Urteil vom 24.06.2013 (Aktenzeichen 1 Ca 578/09) einen Fall entschieden, in dem der Arbeitnehmer als Hilfskraft in einer Pizzeria einen Stundenlohn von anfangs 3 EUR, später 4 EUR erhielt. Nach dem einschlägigen Tarifvertrag ergab sich in der untersten Lohngruppe einen Stundenlohn von 7,50 EUR. 

Lohnwucher liegt vor, wenn der übliche Lohn um mehr als 1/3 unterschritten wird. Ein Stundenlohn von 5 EUR (= 2/§ des Tariflohns von 7,50 EUR) oder jedenfalls knapp darüber wäre rechtlich zulässig gewesen. Ein Lohn von deutlich unterhalb 5 EUR jedoch nicht. 

Damit war die Vergütungsvereinbarung unwirksam. Der Arbeitgeber schuldete den üblichen Lohn. Mit der Klage hatte der Arbeitnehmer einen  Stundenlohn von 7,20 EUR (also sogar weniger als tariflich vorgesehen) eingeklagt und gewonnen.

Dies bedeutet für die Praxis:

Der übliche Lohn kann vertraglich unterschritten werden. Es müssen aber mindestens 2/3 der üblichen Lohns vereinbart werden. Liegt der vereinbarte Lohn noch unter dieser Grenze, so ist die Vereinbarung unwirksam. Der Arbeitgeber schuldet dann den üblichen Lohn (also nicht nur die 2/3!).

Zu beachten ist auch, dass der übliche Lohn durch Lohnerhöhungen steigt, Hält der Arbeitsvertrag anfangs die 2/3-Grenze ein, so kann diese später unterschritten werden, wenn der übliche Lohn steigt.

Unabhängig von einer "moralischen Bewertung" tun sich Arbeitgeber mit Wucherlöhnen letztlich keinen Gefallen - sie riskieren vielmehr, am Ende den üblichen Lohn zahlen zu müssen (obwohl man diesen vertraglich hätte unterschreiten können).


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