M&A Italien

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reliaLex berät Sie kompetent und zielorientiert in allen Fragen der Unternehmensübertragung und des Anteilskaufs, angefangen bei der Wahl der Strukturierung der Übertragung, über die Durchführung einer umfassenden due diligence (in der Regel umfasst diese rechtliche, arbeitsrechtliche und steuerrechtliche Aspekte), bis hin zu der Ausgestaltung und Verhandlung der Kaufverträge (share purchase oder asset purchase agreements).

Im Folgenden können Sie sich einen ersten Überblick über den rechtlichen Rahmen und die Vertragspraxis der Übertragung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (S.r.l.) und nicht börsennotierter Aktiengesellschaften (S.p.A.) in Italien verschaffen.


A. Allgemeines

Je nach Strukturierung einer M&A Transaktion wird auch in Italien zwischen

  • Übernahmen (Kauf und Verkauf) von Unternehmen („share deal“)
  • Übernahmen von Vermögenswerten („asset deal“) mittels
  • Kauf und Verkauf oder
  • Einbringung
  • Fusionen („merger“ oder „demerger“)

unterschieden.

Für die Wahl der Transaktionsstruktur ist die unmittelbare und langfristige steuerliche Behandlung der Transaktion in der Regel ausschlaggebend.

Fusionen kommt in der Praxis eine relativ geringe Bedeutung zu, weshalb wir uns hier auf die auf die ersten beiden Transaktionsarten beschränken.

Der gesetzliche Rahmen von Fusionen und Übernahmen nicht börsennotierter Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Vermögenswerten, sprich Betrieben oder Betriebszweigen („azienda“ oder „ramo d’azienda“), ist in erster Linie im italienischen Zivilgesetzbuch („codice civile“) festgelegt. Im Gegensatz zu den Zivilgesetzbüchern anderer europäischer Länder regelt das italienische Zivilgesetzbuch auch die wichtigsten Aspekte des Gesellschaftsrechts.

Die vertragliche Praxis bei share- und asset deals entspricht weitgehend derjenigen der meisten anderen kontinentaleuropäischen Länder und orientiert sich, hinsichtlich der vertraglichen Standards, weitgehend an den Erfahrungen des Common Law.

Die Reform des Gesellschaftsrechts aus dem Jahre 2004 erleichtert Fusionen und Übernahmen in Italien:

  • fremdfinanzierte Übernahmen (leveraged buy-out) sind seitdem ausdrücklich vom italienischen Zivilgesetzbuch anerkannt, wodurch Zweifel an deren Gültigkeit nach italienischem Recht ausgeräumt wurden
  • Anteilseigner von italienischen GmbHs (S.r.l.) haben nunmehr einen größeren Gestaltungspielraum hinsichtlich des Gesellschaftsvertrages und können die Satzung ihren spezifischen Bedürfnissen in Bezug auf die Führung der Gesellschaft oder den Ausstieg aus ihr anpassen
  • die Ausgestaltung der Unternehmensführung (governance) von Aktiengesellschaften wurde flexibler gestaltet: so ist es nunmehr möglich anstelle des (i) traditionellen italienischen Systems, das sogenannte (ii) „dualistische System“ (welches der üblichen governance deutscher Unternehmen entspricht) und das sogenannte (iii) „monistische System“ (ähnlich der governance US-amerikanischer oder britischer Unternehmen) umzusetzen;
  • die Grenzen für die Ausgabe von Anleihen durch nicht börsennotierte AGs und GmbHs wurden neu geregelt und erweitert.

B. Share deals 

Während in den meisten Fällen die Entscheidung zwischen einem share deal und einem asset deal von steuerrechtlichen Erwägungen bestimmt wird, gibt es eine Reihe von rechtlichen Aspekten, die bei der Strukturierung einer Transaktion zu beachten sind und die bei der Ausarbeitung der entsprechenden Verträge sorgfältig berücksichtigt werden müssen.

Übertragung / Formalitäten

  • Anteile an einer Aktiengesellschaft: Das Gesellschaftskapital einer S.p.A. wird durch Aktienzertifikate repräsentiert, die meist vor einem Notar übertragen werden. Eine solche Übertragung muss im „Aktionärsbuch“ der Gesellschaft eingetragen werden, damit sie gegenüber der Zielgesellschaft, d. h. der Gesellschaft, deren Aktien verkauft oder übertragen werden, durchsetzbar ist. Bei unverbrieften Aktien erfolgt die Übertragung durch Eintragung in einem gesonderten System für Finanzinstrumente.
  • Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Das Gesellschaftskapital einer S.r.l. ist in „Quoten“ aufgeteilt; diese sind keine Wertpapiere. Es ist daher notwendig, den Kaufvertrag vor einem Notar (oder einem Steuerberater) abzuschließen und diesen Vertrag beim Handelsregister einzureichen, um die Übertragung des Eigentums auch gegenüber der Zielgesellschaft und Dritten durchsetzbar zu machen.

Grundsätzlich sind Aktien und Quoten nach italienischem Recht frei übertragbar. Die Gesellschaftsverträge (Satzungen/Statute) können allerdings Beschränkungen hinsichtlich der Übertragung des Eigentums an Aktien und Quoten vorsehen. So finden sich in den Statuten italienischer Gesellschaften häufig Beschränkungen, wie z.B. Sperrfristen (lock-ups), Vorkaufsrechte (rights of first refusal / pre-emption rights) oder Genehmigungsklauseln zugunsten des Verwaltungsrats (board of directors‘ approval), die bei den Verhandlungen und der Ausarbeitung der Übertragungsverträge berücksichtigt werden müssen.

Strategische Aspekte / Vorteile aus Sicht der Vertragsparteien

  • Im Vergleich zu einem asset deal erfordert der share / quota dealweniger Formalitäten und eine größere Sicherheit in Bezug auf die Kontinuität des zugrunde liegenden Business.
  • Ausnahmen zu dieser Kontinuität bilden jedoch die Auswirkungen von Bestimmungen über einen Kontrollwechsel (change of control clauses), die in laufenden Vereinbarungen und Verträgen der Zielgesellschaft (Target) enthalten sein können.
  • Der Wechsel der kontrollierenden Beteiligung an der Zielgesellschaft bewirkt keinen formellen Wechsel des Arbeitgebers und es bestehen keine ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtungen, Gewerkschaften im Vorfeld des Quoten-/Aktienkaufs zu informieren oder zu konsultieren, wie dies bei der Übertragung eines Unternehmens mittels asset deal (trasferimento (di ramo) d'azienda) der Fall ist.
  • Aus Sicht des Verkäufers ist ein weiterer großer Vorteil eines share oder quota deals, dass alle Verbindlichkeiten beim Target-Unternehmen verbleiben und daher mit der Übertragung der Anteile auf den Käufer übergehen.
  • Aus Sicht des Käufers ist zu beachten, dass es keine implizite/automatische Verkäufergarantien oder Gewährleistungen in Bezug auf die Vermögenswerte des Zielunternehmens gibt. Daher werden Käufer in der Regel ausdrückliche Zusicherungen und Gewährleistungen (representations & warranties) sowie Entschädigungsbestimmungen (indemnification obligations) im Kaufvertrag verlangen (siehe weiter unten).

C. Asset deals 

Asset Deals bieten den Vorteil bestimmte Geschäftsbereiche oder eine bestimmte Niederlassung eines Unternehmens auszugliedern, bzw. gesondert zu erwerben.

Übertragung / Formalitäten

  • Das italienische Zivilgesetzbuch enthält gesonderte Regelungen hinsichtlich der Definition eines Betriebs oder eines Betriebszweigs/einer Niederlassung (azienda und ramo d'azienda) sowie spezifische Bestimmungen für deren Übertragung (Art. 2555 - 2562).
  • Diese Regeln zielen im Wesentlichen darauf ab:
    • die Kontinuität des Unternehmens aufrecht zu erhalten und
    • Gläubiger und Mitarbeiter des Unternehmens zu schützen.
  • Die Übertragung eines Betriebs oder eines Betriebszweigs/einer Niederlassung erfordert den Abschluss einer notariellen Urkunde, in der die zu übertragenden Aktiva und Passiva sowie der Geschäftswert für steuerliche Zwecke festgelegt werden. Der notarielle Kaufvertrag ist beim Handelsregister einzureichen.

Strategische Aspekte / Vorteile aus Sicht der Vertragsparteien

Die Übertragung eines Betriebs oder eines Betriebszweigs/einer Niederlassung unterliegt einer Reihe von Formalitäten. Zu beachten sind z.B.

  • die Verpflichtung zur vorherigen Benachrichtigung der Gewerkschaften (bei Betrieben oder Betriebszweigen mit mehr als 15 Arbeitnehmern)
  • Formalitäten im Zuge der Übernahme von Genehmigungen/Lizenzen
  • Formalitäten bei der Übertragung von Grundstückseigentum/Immobilien.

Nach italienischem Recht ist die Kontinuität des Betriebs nur bis zu einem gewissen Grad gewährleistet. Artikel 2558 des italienischen Zivilgesetzbuches sieht vor, dass laufende Verträge, die sich auf den Betrieb/Betriebszweig beziehen und zum Zeitpunkt der Übertragung bestehen, automatisch auf den Käufer übertragen werden, sofern sie nicht persönlicher Natur sind. Die andere Vertragspartei ist jedoch berechtigt, solche Vereinbarungen mit dem Unternehmen aus einem berechtigten Grund innerhalb von drei Monaten nach der Übertragung zu kündigen. Im Falle einer Kündigung kann der Käufer ggf. Schadensersatz vom Verkäufer verlangen.

Aus Sicht des Verkäufers kann ein asset deal weniger vorteilhaft sein als ein share/quota deal, da der Verkäufer

  • von Rechts wegen mit dem Käufer gesamtschuldnerisch für die vor der Übertragung bestehenden Verbindlichkeiten haftet (Art. 2560);
  • ein 5-jähriges Wettbewerbsverbot übernimmt (Art. 2557); und
  • eine stillschweigende Garantie für das Eigentum an den Vermögenswerten und die Mangelfreiheit gewährt.

Der Käufer eines Betriebs/Betriebszweigs haftet gesamtschuldnerisch mit dem Verkäufer für alle Verbindlichkeiten des Betriebs, die zum Zeitpunkt der Übertragung in den Büchern des Unternehmens eingetragen sind, sowie für alle Steuerverbindlichkeiten des Verkäufers in Bezug auf den Betrieb bis zum Wert desselben. Der Käufer kann seine Steuerpflicht allerdings begrenzen, indem er bei den zuständigen Finanzämtern eine Bescheinigung über das Nichtbestehen von Steuerschulden beantragt. Die Ausstellung einer solchen Bescheinigung, bzw. die Nichtausstellung der Bescheinigung innerhalb von 40 Tagen ab Antragstellung, befreit den Käufer von dieser gesamtschuldnerischen Haftung. 


Der vorstehende Beitrag stellt keine Rechtsberatung oder Empfehlung dar. Wir sind bemüht die gemachten Angaben und Informationen stets auf dem aktuellen Stand zu halten. Eine Haftung hierfür ist ausgeschlossen. Für fallspezifische Fragen und individuelle Beratung wenden Sie sich bitte direkt an uns.

Foto(s): reliaLex


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