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Muss man stets den günstigsten Sachverständigen beauftragen?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Wer wissen möchte, wie viel z. B. sein Eigenheim oder sein Pkw nach einem Unfall noch wert ist, wird in der Regel einen Sachverständigen aufsuchen und mit der Schätzung beauftragen. Anders als gerichtliche Sachverständige, die nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) vergütet werden, können private Sachverständige ihr Honorar grundsätzlich frei bestimmen – lediglich Wucher ist verboten. Doch darf die Kfz-Haftpflichtversicherung eines Unfallverursachers die Kosten des Geschädigten für ein Sachverständigengutachten einfach kürzen, wenn sie den Preis für überteuert hält?

Teure Schadensschätzung?

Nach einem Verkehrsunfall ließ der Geschädigte seinen Wagen von einem Sachverständigen untersuchen und den Schaden daran schätzen. Die Kosten für das Gutachten betrugen 871,34 Euro, die der Geschädigte vom Unfallverursacher ersetzt verlangte. Dessen Kfz-Haftpflichtversicherer bezahlte aber nur die Hälfte, weil er der Ansicht war, dass die Sachverständigenkosten deutlich überhöht seien. Er dürfe daher eine Kürzung vornehmen. Daraufhin zog der Geschädigte vor Gericht.

Geschädigter muss keine Preise vergleichen

Das Amtsgericht (AG) München verpflichtete die Versicherung zur Übernahme sämtlicher Sachverständigenkosten.

Um feststellen zu können, wie hoch der entstandene Schaden an seinem Pkw überhaupt ist, darf ein Geschädigter auf Kosten des Unfallverursachers einen Sachverständigen mit der Schätzung beauftragen. Ersetzt werden müssen aber nur die zweckmäßigen und erforderlichen Kosten.

Keine Marktforschungspflicht

Allerdings ist der Geschädigte nicht verpflichtet, Marktforschung zu betreiben und Preisvergleiche durchzuführen, um den günstigsten Sachverständigen zu finden bzw. die ausgestellte Rechnung auf Richtigkeit und Angemessenheit zu überprüfen. Er darf sich vielmehr für den Sachverständigen entscheiden, der für ihn ohne Probleme erreichbar ist. Nur wenn offensichtlich ist, dass der Sachverständige zu viel verlangt, darf er nicht beauftragt werden. Dann müsste die Rechnung aber schon sehr hoch sein und Zweifel an der Angemessenheit aufkommen lassen.

Höhe der tatsächlichen Kosten nicht bekannt?

In der Regel hat der Geschädigte als Laie aber keine Ahnung, ob das verlangte Honorar überhöht ist oder nicht. Es darf daher auch nicht zu seinen Lasten gewertet werden, wenn der Sachverständige tatsächlich zu viel Geld verlangt. Ferner wird bei Auftragserteilung oftmals kein Preis vereinbart – vielmehr erfährt der Geschädigte erst nach der Schadensschätzung und Erhalt der Rechnung, wie viel der Gutachter tatsächlich verlangt. In einem solchen Fall kann der Geschädigte gar nicht von vornherein erkennen, ob der Sachverständige z. B. zu hohe Nebenkosten für die Fahrt, Fotos oder Kopien verlangt und daher auch nicht widersprechen.

Keine Pflicht der Gutachter zum „Preisdumping“

Letztlich müssen Sachverständige weder das Grundhonorar noch die Nebenkosten stets so gering wie möglich halten. Freie Sachverständige können ihr Honorar vielmehr – solange es sich nicht um Wucher handelt – frei festlegen. Auch dürfen sie eine Nebenkostenpauschale verlangen – unabhängig davon, ob die geltend gemachten Kosten angefallen sind oder nicht.

Aber: Im Gegensatz zum AG wies der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Endurteil v. 13.07.2016, Az.: 341 C 30483/15, unter anderem darauf hin, dass zumindest bei der Berechnung der Nebenkosten der Rückgriff auf das JVEG zulässig ist. Schließlich sind die Situation der freien und gerichtlichen Sachverständigen sowie ihr Abrechnungsvorgehen zumindest in dieser Hinsicht sehr ähnlich. So entstehen ihnen z. B. gleichermaßen Fahrtkosten, wenn sie den Geschädigten aufsuchen, oder Kosten für die Bilder, die sie schießen.

Keine überhöhten Kosten ersichtlich

Im vorliegenden Fall konnte das AG jedoch keine unangemessen hohen Kosten erkennen. Und selbst wenn sie etwas höher als üblich gewesen sein sollten, so wäre dies für den geschädigten Laien keineswegs ersichtlich gewesen. Die Rechnung enthielt nämlich keine Ungereimtheiten – z. B. mehr abgerechnete als vorgelegte Bilder –, weshalb der Geschädigte davon ausgehen durfte, dass sich das Honorar im Bereich des Üblichen bewegt. Auch war vor Erstellung des Gutachtens kein Preis vereinbart worden – dass eventuell überhöhte (Neben)Kosten angesetzt werden, konnte der Geschädigte daher nicht wissen.

Fazit: Nach einem Verkehrsunfall wird regelmäßig nicht nur um z. B. Reparaturkosten, Restwert oder Schmerzensgeld gestritten, sondern auch darum, ob Gutachterkosten ebenfalls einen Schaden darstellen, der vom Unfallverursacher zu ersetzen ist. Das ist der Fall, wenn die Kosten zweckmäßig und erforderlich waren, um die Höhe des betreffenden Schadens zu ermitteln.

(AG München, Endurteil v. 13.07.2016, Az.: 341 C 30483/15)

(VOI)

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