Nötigung im Straßenverkehr, Gefährdung des Straßenverkehrs, Verliere ich meinen Führerschein?

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Als Strafverteidigerin und Fachanwältin für Verkehrsrecht weiß ich, dass ein nötigendes Verhalten im Straßenverkehr des Öfteren im Rahmen eines Strafverfahrens nach §§ 240, 315c StGB oder im Rahmen eines Bußgeldverfahrens nach §§ 1 ff., 49 StVO i. V. m. § 24 StVG durch die Behörden sanktioniert wird. Zu schnell geht die Polizei bzw. Staatsanwaltschaft oder die Bußgeldstelle davon aus, dass eine strafbare Nötigung im Straßenverkehr vorliegt. In der Praxis werden solche Strafverfahren meistens im Wege eines Strafbefehls oder Bußgeldbescheids erledigt. Hier spielt die Einspruchsfrist von zwei Wochen eine enorme Rolle, sonst wird der Strafbefehl bzw. Bußgeldbescheid rechtskräftig, d. h. sowohl der Strafbefehl als auch der Bußgeldbescheid wirken quasi wie ein Urteil gegen Sie.

Achtung!

Nicht jeder vorsätzliche Regelverstoß im Straßenverkehr, der ein Nötigungselement enthält, ist eine Nötigung i. S. des § 240 StGB oder eine Gefährdung des Straßenverkehrs i. S. d. § 315c StGB (vgl. BGHSt 23, 4, 7 = NJW 1969, 1444; BGHSt 48, 233, 238 = NJW 2003, 1613 = NStZ 2003, 486; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.08.2014 - 1 Ss 542/14). Die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr und die damit verbundenen Erfahrungen lehren jedoch, dass sich im heutigen Straßenverkehr viele Verkehrsteilnehmer ständig gegenseitig irgendwie behindern, sogar rücksichtlos verhalten. Für solche Fälle stellt die Rechtsordnung eine Reihe von Sanktionen bereit:

  • Wer vorsätzlich gegen eine Verkehrsregel verstößt und dadurch einen anderen behindert, handelt regelmäßig nach § 49 StVO ordnungswidrig i. S. v. § 24 StVG.
  • Begeht er dabei eine der „sieben Todsünden“ im Straßenverkehr und führt das zu einem „Beinaheunfall” (BGH St 48, 119), macht er sich nach § 315 c StGB wegen Gefährdung des Straßenverkehrs strafbar.
  • Setzt er das von ihm geführte Kfz in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig mit der Folge eines „Beinaheunfalls” ein, ist er nach § 315 b StGB wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu bestrafen (BGH St 48, 233).
  • Nach allgemeiner Meinung erfüllen bestimmte Verhaltensweisen im Straßenverkehr den Straftatbestand der Nötigung i. S. d. § 240 StGB.

Ein nötigendes Verhalten im Straßenverkehr wird nach der Rechtsprechung in den vielen Fällen jedoch erst dann angenommen, wenn ein Kraftfahrer sehr dicht und bedrängt auf seinen Vordermann auffährt (vgl. BVerfG NJW 2007, 1669 m. w. N.), seinen Hintermann – aus welchen Gründen auch immer – absichtlich „ausbremst” oder vorsätzlich einen unerwünschten Verfolger „abdrängt”.

Auf den Punkt gebracht: Die Gemeinsamkeit der Fälle mit dem Element „Nötigung im Straßenverkehr” ist, dass die Einwirkung auf den anderen Verkehrsteilnehmer nicht die bloße Folge, sondern der Zweck des verbotswidrigen Verhaltens ist (vgl. BGH St 7, 379; 21, 301; 41, 231; 48, 233; BGH VRS 64, 267).

In diesem Zusammenhang betont der BGH, dass der Erfolg – dass der andere den Weg frei macht, bremsen muss oder nicht überholen kann – für den Täter einer Nötigung nach § 240 StGB „das Ziel seines Handelns” ist. Auf den „bloß” rücksichtslosen Überholer trifft das in aller Regel nicht zu. Sein Ziel ist, schnell voran zu kommen. Dass dies auf Kosten anderer geschieht, ist nur die in Kauf genommene Folge seiner Fahrweise. Ein Schuldspruch wegen Nötigung scheidet in einem solchen Falle aus (teilweise anderer Ansicht a. A. OLG Stuttgart V 1995, 285; OLG Köln NZV 1995, 405).

Mit Beschluss vom 15.02.2008, III–5 Ss 130/07 – 61/07 I, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf festgestellt, dass der „bloß” rücksichtslose Überholer sich in aller Regel nicht nach § 240 StGB wegen Nötigung strafbar macht, denn die Einwirkung seines Fahrverhaltens auf andere Verkehrsteilnehmer ist im Zweifel nicht der Zweck, sondern nur die in Kauf genommene Folge seiner Fahrweise.

Fazit: Bei dem Vorwurf einer Nötigung im Straßenverkehr ist stets von dem Verkehrsanwalt klar zu stellen, ob es Ziel des Mandanten war, den anderen Verkehrsteilnehmer zu einem ungewollten Verhalten wie z. B. Warten, Bremsen oder einem Umweg zu zwingen, oder war es nur die von ihm in Kauf genommene Folge seines Bestrebens, sein Ziel z. B. seinen Abladevorgang ohne mühsame Rangiertätigkeit zu erledigen oder schneller voranzukommen.

Folgen der Strafbarkeit wegen einer Nötigung im Straßenverkehr sind gravierend!

Wer eine Straftat begeht, der kann mit einer Geldstrafe bis hin zur Freiheitsstrafe rechnen, auch wegen eines Versuchs. Schlimmer als eine Geldstrafe ist für den Beschuldigten einer Nötigung im Straßenverkehr jedoch meist die Verhängung eines Fahrverbots von bis zu drei Monaten nach § 44 StGB oder im schlimmsten Fall die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB sowie Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nach § 69a StGB.

Seit 01.05.2014 werden für Ordnungswidrigkeiten ein Punkt, für grobe Ordnungswidrigkeiten mit Regelfahrverboten sowie Straftaten 2 Punkte und Straftaten mit Entziehung der Fahrerlaubnis 3 Punkte eingetragen.

Achtung: Bei 8 Punkten wird der Führerschein entzogen.

Fazit: Wenn Ihnen eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorgeworfen wird, machen Sie unbedingt von Ihrem Schweigerecht Gebrauch! Vermeiden Sie auch ein Teilgeständnis. Am besten teilen Sie den Polizeibeamten mit, dass Sie einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung Ihrer rechtlichen Interessen beauftragen. Dann werden die Polizeibeamten Sie sicherlich mit ihren Fragen in Ruhe lassen. Wer sich wegen Nötigung nach § 240 StGB oder der Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 StGB strafbar gemacht hat, muss damit rechnen, dass das Gericht ihm die Fahrerlaubnis auch schon vor dem Erlass des Urteils nach § 111a StPO einziehen kann. Deshalb ist es äußert wichtig, dass Ihr Anwalt vor der eventuellen Einlassung sofort einen Antrag auf Akteneinsicht stellt und sodann mit Ihnen die Sach- und Rechtlage eingehend erörtert.

Tipp: Man befindet sich also beim Vorwurf einer Nötigung im Straßenverkehr stets in einer sehr prekären Lage. Deshalb sollte man nicht lange zögern und sich sofort an einem auf Verkehrsrecht spezialisierten Anwalt wenden.

Rechtsanwältin Jacqueline Ahmadi

Strafverteidigerin und Fachanwältin für Verkehrsrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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