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Notarzt wird nicht belangt - Sonderrecht bei Einsatz war gegeben

  • 3 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Rettungskräfte müssen schnell am Einsatzort sein. Jede Sekunde zählt. So wie bei der Rettung eines zweijährigen Mädchens. Das Kind drohte an verschlucktem Schnellkleber zu ersticken. Auf dem Weg geriet der alarmierte Notarzt Alexander Hatz beim Überholen zu weit nach links. Zwei entgegenkommende Pkw sahen sich dadurch gezwungen, stark abzubremsen und ins Bankett auszuweichen. Zu Schäden kam es nicht. Ein betroffener Fahrer zeigte den Notarzt jedoch an.

Strafbefehl wegen Straßenverkehrsgefährdung

Nach polizeilichen Ermittlungen beantragte die Staatsanwaltschaft Ingolstadt in der Folge beim Amtsgericht Neuburg a.d. Donau einen Strafbefehl wegen Gefährdung des Straßenverkehrs. Die von ihr als angemessen erachtete Rechtsfolge für den Notarzt: 4500 Euro Geldstrafe und die Entziehung der Fahrerlaubnis für sechs Monate. Das Gericht ließ den Strafbefehl zu. Der Arzt legte daraufhin innerhalb der zweiwöchigen Frist Einspruch gegen den Strafbefehl ein, sodass es zur Hauptverhandlung gekommen wäre.

Welle der Empörung und Solidarität

Nachdem die Medien allerdings darüber berichteten, kam es vor allem im Netz zu einer Welle der Solidarität. So forderten unter anderem mehr als 200.000 Unterstützer auf openpetition.de Freispruch für den Notarzt Alexander Hatz. Laut Aussagen des Sprechers der übergeordneten Generalstaatsanwaltschaft München habe die Petition in der Sache nichts zu ihrer darauffolgenden Überprüfung des Falls beigetragen. Grund für ihre Entscheidung sei vielmehr eine Mitteilung des Verteidigers des Notarztes gewesen. Die Aufmerksamkeit der Generalstaatsanwaltschaft dürften die Reaktionen dennoch beeinflusst haben. Die knappe schriftliche Presseerklärung der Generalstaatsanwaltschaft nennt als maßgeblichen Grund für die Überprüfung dagegen nur die erst nach Strafbefehlserlass bei Gericht eingegangene Schilderung der Einsatzfahrt durch den Arzt. Dieser behauptet jedenfalls, er sei wie immer mit Blaulicht und Martinshorn sowie Abblendlicht gefahren und habe gegebenenfalls die Lichthupe betätigt. An den konkreten Vorfall selbst könne er sich nicht mehr erinnern.

Staatsanwaltschaft zieht Strafbefehlsantrag zurück

Eine Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung war der Generalstaatsanwaltschaft demnach nicht zu erwarten. Der Arzt habe sich auf die Sonderrechte des Rettungsdienstes berufen können und ausreichend auf andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht genommen. Ein strafbarer Vorwurf lasse sich nicht aufrechterhalten. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt zog ihren Strafbefehlsantrag daraufhin zurück. Die genaueren Umstände bleiben unklar.

Sonderrechte für Rettungskräfte im Straßenverkehr

Die rechtlichen Grundlagen für die Sonderrechte bestimmter Verkehrsteilnehmer, darunter Rettungskräfte, finden sich in § 35 Straßenverkehrsordnung (StVO). Demnach sind Fahrzeuge des Rettungsdienstes von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Die Sonderrechte dürfen allerdings nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Ein Recht zum rücksichtslosen Fahren gibt es daher nicht.

Die Pflicht anderer Verkehrsteilnehmer, den Weg frei zu machen, ergibt sich zudem erst bei Einsatz von Blaulicht und Martinshorn. Dieses Wegerecht findet sich drei Paragrafen weiter in § 38 StVO. Nur die gemeinsame Benutzung von blauem Blinklicht und Sirene ordnet an, dass alle übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben. Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse für Polizei- und Hilfsfahrzeugen findet sich wiederum in § 11 StVO. Die Sonderrechte sollen Rettungskräfte vor allem vor strafrechtlichen Folgen schützen und ein schnelles Gelangen an den Einsatzort ermöglichen. In Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch, den ein Verkehrsteilnehmer bei einem Unfall im Zusammenhang mit einem Rettungsfahrzeug erlangt, bleibt die verschuldensunabhängige Betriebsgefahr des Rettungsfahrzeugs dagegen bestehen. Aufgrunddessen ergibt sich in der überwiegenden Zahl der Fälle zumindest ein Mitverschulden des Rettungsdiensts.

Europäischer Tag des Notrufs

Der 11. Februar ist der Europäische Tag des Notrufs. Der Tag erinnert an die einheitliche und gebührenfreie Notrufnummer 112 in Ländern der Europäischen Union. Auch für diese Notrufverbindungen gilt ein Sonderrecht, das § 108 Telekommunikationsgesetz regelt. Demnach sind Notrufe vorrangig vor anderen Verbindungen herzustellen.

(GUE)

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