Ohne meinen Anwalt sage ich gar nichts! Neue Rechtslage bei polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen

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Bisher: Kein gesetzlich geregeltes Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei polizeilichen Vernehmungen

Ungeachtet der grundsätzlichen Frage, ob und wenn ja wann ein Beschuldigter sich überhaupt einer Vernehmung aussetzen sollte, hat die Strafprozessordnung ein Anwesenheitsrecht eines Verteidigers bislang gem.§ 168c Abs.1 StPO nur für richterliche und gem. § 163a Abs.3 S.2, 168c Abs.1 StPO für staatsanwaltschaftliche Vernehmungen vorgesehen.

Ein Teilnahmerecht des Verteidigers an polizeilichen Vernehmungen hat das Gesetz bisher hingegen nicht eingeräumt.

Neu: Recht auf Anwesenheit und Benachrichtigung des Verteidigers bei polizeilichen Vernehmungen

Damit ist es vorbei: Nach der ab dem 6.9.2017 geltenden Rechtslage besteht nun nicht nur ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers des Beschuldigten, sondern auch ein Recht des Beschuldigten auf Benachrichtigung des Verteidigers. Dies folgt aus § 163a Abs.4, 168c Abs.1 und Abs.5 StPO n.F.

Neu: Hinweis- und Informationspflichten bei der Beschuldigtenvernehmung

Diese wichtige Stärkung der Rechtsposition des Beschuldigten wäre in der Praxis aber allenfalls halb vollzogen, wenn der Beschuldigte seine Rechte nicht kennt und nicht darüber belehrt wird.

Daher wurde nach der seit 6.9.2017 gültigen Änderung der StPO neben der elementaren Verpflichtung der Ermittlungsperson, den Beschuldigten bezüglich seines Rechtes zu schweigen und auch auf Anwaltskonsultation zu belehren (§ 136 Abs.1 S.2 StPO) die Verpflichtung der Ermittlungsperson statuiert, den Beschuldigten, der in Kenntnis seines Rechtes auf Anwaltskonsultation vor einer etwaigen Vernehmung einen Verteidiger befragen möchte, bei der Herstellung des Kontakts zu diesem durch die Zurverfügungstellung allgemeiner Informationen zu unterstützen. Dem Beschuldigten sind Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Insbesondere auf bestehende anwaltliche Notdienste muss er hingewiesen werden, § 136 Abs.1 Satz 3, 4, 163a Abs.4 S.2 StPO.

Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Formulierung reicht es somit auch nicht mehr aus, wenn der Vernehmungsbeamte beispielsweise dem Beschuldigten, der – nach einer Verhaftung etwa – einen Anwalt konsultieren möchte, zu nachtschlafender Stunde das Branchenbuch hinwirft mit dem lapidaren Hinweis, er könne gerne einen beliebigen Anwalt anrufen – Anwaltsbüros sind bekanntlich in den seltensten Fällen mitten in der Nacht besetzt.

Hinweis: Anwaltsnotdienste in nahezu allen Gerichtsbezirken

Allerdings existieren Anwaltsnotdienste genau für solche Fälle schon seit geraumer Zeit flächendeckend in nahezu allen Gerichtsbezirken. Diese sind 365 Tage, 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag durch engagierte Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger zur Sicherstellung der Beschuldigtenrechte besetzt.

Die organisierten Strafverteidigernotdienste haben hierüber unter Hinweis auf die jeweilige Rufnummer immer nicht nur die örtliche Justiz, sondern auch die jeweiligen örtlichen Polizeidienststellen ausdrücklich informiert. Auch eine einfache Internetrecherche mit der Suchmaschine der Wahl wird schnell die einschlägige Notdienstnummer hervorbringen. Die Notdienste sind meist über die örtlichen Anwaltsvereine organisiert.

Kein Verdienst des nationalen Gesetzgebers – Umsetzung einer EU-Richtlinie

Übrigens: Diese wichtige und richtige Stärkung der Beschuldigtenrechte geht nicht auf Bestrebungen des deutschen Gesetzgebers zurück. Dieser hat im Gegenteil fast zeitgleich mit einem umfangreichen Gesetzespaket, dem „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ mit Wirkung zum 24.08.2017 vielmehr erst wesentliche und weitreichende Beschränkungen von Verfahrensrechten eingeführt.

Das Gesetz ist vielmehr die Umsetzung der „Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs“ (ABl. L 294 vom 6.11.2013, S. 1) durch die Bundesrepublik Deutschland.

Wenn Vernehmung, dann niemals ohne anwaltliche Begleitung

Ob der Beschuldigte sich überhaupt einer Vernehmung im Ermittlungsverfahren aussetzt (dies wird in der Regel allerfrühestens nach Akteneinsicht der Verteidigung in Betracht kommen können), muss mit dem Verteidiger im Einzelfall in Ruhe erörtert und entschieden werden.

Wenn eine solche Vernehmung aber tatsächlich einmal stattfinden soll, dann aber niemals ohne die Anwesenheit des Verteidigers.

Dieser Rat galt bislang schon uneingeschränkt. Jetzt ist aber das Anwesenheits- und Informationsrecht des Verteidigers bei polizeilichen Vernehmungen zum Gesetz und damit zum Rechtsanspruch des Beschuldigten geworden.

Sagen Sie also nichts ohne Ihren Anwalt.

Hubertus J. Krause

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Schweinfurt

Kanzlei Blatt § Kollegen

www.kanzlei-blatt.de


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