Onlinehandel: Sind Vertriebsverbote auf Amazon, eBay & Co. legal?

  • 7 Minuten Lesezeit

Kann ein Unternehmer seinen Abnehmern verbieten, seine Waren auf Amazon oder Ebay zu vertreiben?

Diese Frage stellen uns unsere Mandanten immer wieder. Die Antwort: Es kommt darauf an!

Worauf kommt es an?

Vertreibt der Unternehmer seine Produkte selbst bei Amazon oder Ebay, und möchte er verhindern, dass er auf diesen Plattformen zu seinen Abnehmern in Konkurrenz steht, so wird er mit einem Verkaufsverbot auf den Plattformen Amazon oder Ebay keinen Erfolg haben.

Denn: Nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB).

Verbietet also ein Unternehmen einem Abnehmer ohne sachlich gerechtfertigten Grund den Vertrieb über die Handelsplattform Amazon oder Ebay, beschränkt dieses Unternehmen dem Abnehmer dessen Absatzmöglichkeiten. Dabei ist in jedem Einzelfall eine Interessensabwägung der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes durchzuführen.

Wie könnte eine Interessensabwägung aussehen?

Bei vertriebsbezogenen Sachverhalten gilt der „Grundsatz der unternehmerischen Handlungsfreiheit“. Das Behinderungsverbot des § 19 Abs. 1 GWB kann den marktbeherrschenden Unternehmer nicht daran hindern, seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie er dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig hält.

Andererseits haben die kleineren Unternehmen ein Interesse daran, erst Recht auf Verkaufsplattformen wie Amazon oder Ebay ihre Waren zu vertreiben, da hierdurch die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber größeren Unternehmen gefördert wird. Schließlich besteht für die kleineren Unternehmen gerade auf Amazon eine größere Auffindbarkeit, vor allem über die Suchmaschine Google. Größere Unternehmen hingegen können sich an Preissuchmaschinen beteiligen oder in diese investieren, ohne auf die große Auffindbarkeit bei Amazon angewiesen zu sein.

Und wenn der Unternehmer selbst nicht auf Amazon oder Ebay verkauft?

Selbst dann kann er seinen Abnehmern nicht ohne guten Grund verbieten, die Vertriebskanäle Amazon oder Ebay zu wählen.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Eine Herstellerin für Rucksäcke verweigerte die Belieferung eines Sportartikelfachhandels, weil dieser die Markenrucksäcke auf der Internetplattform Amazon vertreiben wollte. Die Herstellerin der Rucksäcke machte die Belieferung an den Sportartikelfachhandel in ihren Vertriebsverträgen davon abhängig, dass dieser die Markenrucksäcke gerade nicht bei Amazon vertreibt.

Das OLG Frankfurt (Az. 11 U 84/14 (Kart)) entscheid am 22.12.2015, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Belieferung eines Abnehmers im Rahmen eines „qualitativen selektiven Vertriebsystems“ davon abhängig gemacht werden dürfe, dass der Abnehmer sich dazu verpflichte, die Vertragsprodukte nicht über die Verkaufsplattform amazon.de oder bestimmte Preissuchmaschinen anzubieten oder zu bewerben.

Selektive Vertriebssysteme seien (so noch die Vorinstanz) grundsätzlich wettbewerbsbeschränkend, weil sie den markeninternen Wettbewerb einschränkten. Sie seien nur dann zulässig, wenn sie den Vertrieb von Waren regeln, deren Wettbewerbsfähigkeit in besonderer Weise von besonderen Vertriebsformen abhängt.

Wichtig ist bei Betrachtung solcher Urteile, die Einzelheiten des Falles zu erkennen. Andere Sachverhalte, und seien sie auch nur geringfügig anders, können zu ganz anderen Ergebnissen führen.

So stellte das OLG Frankfurt in seinem Urteil fest:

Ein diskriminierendes Verhalten im Zusammenhang mit dem Amazon- Verbot ist nicht nachgewiesen. Die Klägerin [der Sportartikelfachhandel] weist zwar darauf hin, dass bei Amazon Vertragswaren der Beklagten [Herstellerin der Markenrucksäcke] verfügbar seien. Allerdings hat sie weder geltend gemacht, dass die Beklagte selbst ihre Waren über die Plattform amazon.de vertreibt noch dass sie anderen von ihr belieferten Händlern diesen Vertrieb gestattet. Sie ist auch dem Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen getreten, wonach die aktuell bei Amazon vorhandenen Angebote im Wesentlichen darauf zurückzuführen seien, dass das Selektive Vertriebssystem erst vor kurzer Zeit eingeführt und auch noch nicht europaweit umgesetzt worden sei.

(Anmerkungen in [ ] wurden vom Autor hinzugefügt)

Mit anderen Worten: Hätte die Herstellerin der Rucksäcke ihre Markenrucksäcke selbst bei Amazon vertrieben, könnte aus kartellrechtlicher Sicht ein diskriminierendes Verhalten vorliegen. Ein solches Verbot könnte dann rechtswidrig sein.

Im Rahmen der (oben bereits erwähnten) Interessensabwägung in diesem Einzelfall entschied das OLG Frankfurt aber:

Dass für andere Maßnahmen, die geeignet sind, die Wahrnehmbarkeit und Auffindbarkeit kleinerer Händler im Internet zu verbessern, wie etwa die Teilnahme an Preissuchmaschinen o.ä., Kosten anfallen, die von größeren Unternehmen leichter zu tragen sind als von kleineren, unterscheidet den Wettbewerb im Internet nicht von demjenigen im stationären Handel - auch dort haben größere Händler regelmäßig einen höheren Werbeetat und eine größere Kundenreichweite als kleinere.

Somit ist die Entscheidung der Herstellerin der Markenrucksäcke, die Waren nicht bei Amazon zu verkaufen und auch Fachhändler nicht zu beliefern, die bei Amazon verkaufen möchten, laut dem OLG Frankfurt rechtmäßig.

Dies begründet das OLG Frankfurt wie folgt:

Nach dem von der Beklagten [Herstellerin] eingeführten Vertriebssystem gemäß dem vorgelegten Vertragsformular „Selektive Vertriebsvereinbarung“, in das die Klägerin [der Sportartikelfachhandel] eintreten möchte, knüpft die Auswahl der Wiederverkäufer (Händler) an objektive Kriterien qualitativer Art an, die sich auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers, seines Personals und seiner sachlichen Ausstattung beziehen. Wenn nur so die Qualität und der richtige Gebrauch der Produkte gewährleistet werden kann, rechtfertigt es die auf die Verbesserung des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung, mit dem Vertriebssystem unvermeidbar einhergehende Beschränkungen - insbesondere in Bezug auf Preiswettbewerb - hinzunehmen. Die Rechtfertigung entfällt dann, wenn der Hersteller diese Zielsetzung verlässt, indem er die Zulassung von Wiederverkäufern an Bedingungen knüpft, die zur Erreichung der beschriebenen Wettbewerbsverbesserungen nicht erforderlich sind.

Deshalb ist allgemein anerkannt, dass derartige selektive Vertriebssysteme bereits keinen wettbewerbsbeschränkenden Charakter haben und damit nicht dem - auch auf Vertikalvereinbarungen anwendbaren - Verbot des § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV unterfallen, wenn sie drei Voraussetzungen erfüllen:

Zum einen müssen die qualitativen Kriterien mit Rücksicht auf die Eigenschaften der vertriebenen Ware zur Wahrung ihrer Qualität und zur Gewährleistung ihres richtigen Gebrauchs erforderlich sein.

Zweitens müssen die Kriterien einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet werden, und

drittens dürfen sie nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.

(Anmerkungen in [ ] wurden vom Autor hinzugefügt)

Stellt ein Hersteller demnach qualitativ hochwertige Ware her, die etwa eine besondere Beratung des Verbrauchers bedarf, oder einen Kunden- /oder Reparaturdienst erforderlich macht, wäre ein selektives Vertriebssystem gerechtfertigt. Aber auch wenn der Hersteller sein luxuriöses Produktimage nicht durch den Vertrieb über Ebay oder Amazon trüben möchte, dürfte ein selektives Vertriebssystem gerechtfertigt sein.

Anderer Ansicht: EuGH

Dies sah der EuGH mit seiner Entscheidung vom 13.10.2011 allerdings anders. Er entschied, dass das Ziel, den Prestigecharakter zu schützen, kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs sei (EuGH 13.10.2011, Az. Rs. C-439/09). Das OLG Frankfurt interpretierte die Entscheidung des EuGH jedoch dahingehend, dass der Schutz des Prestigecharakters der Marke nicht das (im konkreten Fall gegenständliche) Totalverbot jeglichen Online- Vertriebs rechtfertigen könne.

In dem Rechtstreit vor dem OLG Frankfurt ging es lediglich um ein Vertriebsverbot auf Amazon. Ein Totalverbot für jeglichen Online–Vertrieb sollte nicht vereinbart werden. Aus diesem Grund konnte das OLG Frankfurt mit guten Gründen die Rechtmäßigkeit des Vertriebsverbots auf Amazon begründen.

Dabei entschied das OLG Frankfurt, dass zum einen eine individuelle Beratung für die Produkte der Herstellerin auf Amazon nicht möglich sei. Außerdem sei für den Verbraucher gerade auf der Plattform Amazon der tatsächliche Vertragspartner und somit der eigentliche Händler völlig nebensächlich. Für den Verbraucher entstehe der Eindruck, er kaufe bei Amazon. Dem Hersteller werde damit in der Wahrnehmung des durchschnittlichen Verbrauchers ein Händler „untergeschoben“, mit dem der Hersteller keine Vertragsbeziehung unterhalte und auf dessen Geschäftsgebaren er keinen Einfluss nehmen könne.

Imageproblem Amazon

Auch werde über Amazon nicht die Produktqualität signalisiert. Auf Amazon werden alle Produkte in gleicher Weise beworben, so dass sich Billigprodukte nicht von den hochwertigen Qualitätsprodukten unterscheiden:

Auch die Signalisierung einer hohen Produktqualität erscheint bei A. nicht möglich. Die einheitliche Darstellung aller Produkte gleich welcher Art und Qualität lässt keinen Raum für eine Differenzierung, die das Markenimage zum Ausdruck bringt. Im Gegensatz zu den von der Beklagten ebenfalls beanstandeten Preissuchmaschinen (s. dazu unten 2) b) bb) (1)) erfolgt eine solche Differenzierung auch nicht auf der Ebene eines bei A. eingerichteten „Händlershops“ - auch insoweit „überlagert“ die Einrahmung durch das A.-Logo und die entsprechenden Links jede individuelle Gestaltung.

(OLG Frankfurt (Az. 11 U 84/14 (Kart))

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