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Radfahrer können voll für Verkehrsunfälle haften

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Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Verhandeln Gerichte Unfälle zwischen Autofahrern und Radfahrern, so gelten Letztere regelmäßig als schwächere Verkehrsteilnehmer. In der Folge haften Autofahrer bei vermeidbaren Unfällen auch dann, wenn sie nicht gegen die Verkehrsregeln verstoßen haben. Grundlage dieser verschuldensunabhängigen Haftung ist die sogenannte Betriebsgefahr. Sie erwächst allein aus dem Betrieb einer gefährlichen Sache, wozu insbesondere die Nutzung von Kraftfahrzeugen zählt. Allerdings gibt es auch hier Grenzen, die nun das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg einer Radfahrerin aufzeigte.

Entgegenkommendes Fahrzeug beim Linksabbiegen übersehen

Die erwachsene Frau war mit ihrem Rad an einem Februarmorgen gegen sechs Uhr in Oldenburg unterwegs. An einer zu dieser Zeit noch ausgeschalteten Ampel wollte sie links abbiegen. Dabei übersah sie ein auf der Gegenspur fahrendes Auto, das sie frontal erfasste. Bei der Kollision wurde sie über Windschutzscheibe und Dachkante des Fahrzeugs geschleudert und verletzte sich schwer. In der Folge verlangte die Radfahrerin 5000 Euro Schadensersatz und 30.000 Euro Schmerzensgeld. Der Autofahrer seinerseits verlangte die Übernahme des kompletten Schadens an seinem Pkw. Den hatte die Haftpflicht der Radfahrerin nur zu 50 Prozent übernommen. Hinzu kamen 500 Euro Schmerzensgeld aufgrund eines Schocks, den der Autofahrer erlitten hatte, als die Frau vor ihm auf die Frontscheibe flog. Die entsprechende Klage des Autofahrers, gegen die die beklagte Radfahrerin sodann Widerklage auf Zahlung der bereits genannten 35.000 Euro erhob, verhandelte zunächst das dafür zuständige Landgericht (LG) Oldenburg. Dabei gab das LG dem Autofahrer weitgehend Recht, die Radfahrerin ging mit ihrer Widerklage hingegen leer aus. Sie ging deshalb in Berufung. So hatte das OLG Oldenburg als nächste Instanz zu entscheiden.

Eindeutige Verkehrsverstöße lassen Betriebsgefahr entfallen

Die entscheidende Frage für die OLG-Richter war: Ist die Betriebsgefahr eines Kfz auch dann zu berücksichtigen, wenn ein Radfahrer den Unfall so vollumfänglich wie hier durch Missachtung des vorfahrtsberechtigten Autofahrers verschuldet hat? Entscheidend dafür war hier einerseits, dass der Unfall nicht vermeidbar war. Hier hatte der Autofahrer zunächst noch einen Bus vor sich. Erst kurz vor dem Unfall fuhr der eine Haltestelle auf der rechten Seite an. Ein vorausschauendes Fahren war dem Fahrer somit weitgehend unmöglich. Andererseits fuhr er nicht zu schnell. Auf der Seite der 20-jährigen Radfahrerin war wiederum davon auszugehen, dass sie als erwachsene Verkehrsteilnehmerin die Verkehrsregeln kennt. Sie war insofern anders zu behandeln als ein Kind oder ein Jugendlicher.

Verstößt dann unter diesen Umständen ein Radfahrer eindeutig gegen die Verkehrsregeln, indem er etwa die Vorfahrt missachtet, dann tritt nach Meinung des OLG Oldenburg die Betriebsgefahr vollständig zurück. Insofern stellte das Urteil die Radfahrerin noch schlechter als das der Vorinstanz: Abermals ging sie leer aus und wurde nun zudem verurteilt, dem klagenden Autofahrer den Schaden komplett zu ersetzen. Außerdem hielt das Gericht die 500 Euro Schmerzensgeld für den Schockschaden des Autofahrers für noch angemessen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In letzter Instanz hat der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden.

(OLG Oldenburg, Urteil v. 31.07.2014, Az.: 1 U 19/14, nicht rechtskräftig)

(GUE)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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