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Reisepreisminderung und Ausgleichszahlung bei Flugverspätung?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Hat ein Flug Verspätung oder wird er gar annulliert, ist das für die Fluggäste verständlicherweise besonders ärgerlich. Schnell ist der Anschlussflug verpasst, man verliert einen Urlaubstag bzw. verpasst eine wichtige Konferenz oder ein wichtiges Meeting im Ausland. Um derartige Unannehmlichkeiten auszugleichen, steht den betroffenen Fluggästen unter anderem ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, auch Fluggastrechteverordnung genannt, gegen das Flugunternehmen zu. Doch kann der verärgerte Reisende wegen der Flugverspätung bzw. des Flugausfalls zusätzlich auch noch den Reisepreis mindern?

Geltungsbereich der Fluggastrechteverordnung

Zu beachten ist, dass die Fluggastrechteverordnung nicht immer gilt. Sie ist vielmehr nur anzuwenden, sofern die Voraussetzungen in Art. 3 der Verordnung erfüllt sind. Das ist generell dann der Fall, wenn entweder der Startflughafen innerhalb der EU (Europäische Union) liegt oder – sofern sich der Startflughafen in einem Drittstaat befindet – der Flug bei einer EU-Fluggesellschaft gebucht wurde und der Zielflughafen in einem Mitgliedstaat der EU liegt.

25 Stunden Flugverspätung

In einem kürzlich vom BGH (Bundesgerichtshof) zu entscheidenden Fall hatte eine Frau für sich und ihren Mann eine Kreuzfahrt ab und nach Dubai gebucht. Im Reisepreis inbegriffen war ferner der Hin- und Rückflug von und nach Deutschland. Weil der Rückflug jedoch 25 Stunden Verspätung hatte, erhielt das Ehepaar vom Flugunternehmen eine Ausgleichszahlung von insgesamt 1200 Euro. Dennoch wollte die Urlauberin zusätzlich auch noch den Reisepreis wegen der Flugverspätung mindern. Eine Anrechnung auf die bereits erhaltene Ausgleichszahlung müsse nicht vorgenommen werden – schließlich sei eine Reisepreisminderung kein Schadensersatz im Sinne des Art. 12 der Fluggastrechteverordnung. Als der Reiseveranstalter eine Reisepreisminderung ablehnte, zog die Frau vor Gericht.

Ausgleichszahlung wird angerechnet

Der BGH war der Ansicht, dass die Ausgleichszahlung auf den Minderungsanspruch wegen der Flugverspätung anzurechnen ist. Die Frau konnte somit keine Rückzahlung des Reisepreises mehr verlangen. Grund dafür war Art. 12 der Fluggastrechteverordnung, der explizit eine Anrechnung der Ausgleichszahlung auf einen weitergehenden Schadensersatzanspruch vorsieht.

Nach deutschem Recht stellt ein Minderungsanspruch zwar keinen Schadensersatzanspruch dar. Beide Ansprüche können vielmehr nebeneinander bestehen. In der Fluggastrechteverordnung geht der Begriff „Schadensersatzanspruch“ aber weiter und umfasst jede Form des Ausgleichs für erlittene Beeinträchtigungen und Unannehmlichkeiten – also auch Minderungsansprüche gegen den Reiseveranstalter.

Da deshalb sowohl die Ausgleichszahlung als auch der Minderungsanspruch als Entschädigung für dieselbe Unannehmlichkeit dienen sollen, ist eine Anrechnung angebracht. Alles andere würde dazu führen, dass der Fluggast für denselben Mangel eine doppelte Entschädigung erhalten und damit überkompensiert werden würde (BGH, Urteil v. 30.09.2014, Az.: X ZR 126/13).

Übrigens: Das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M. hatte vor fast einem Jahr über den umgekehrten Fall zu entscheiden, nämlich, ob Rückzahlungen des Reiseveranstalters wegen Flugverspätung o. Ä. auf eine später verlangte Ausgleichszahlung angerechnet werden müssen. Das Gericht wies aber darauf hin, dass Art. 12 der Fluggastrechteverordnung nach seinem Wortlaut lediglich die Anrechnung von Ausgleichszahlungen auf einen weitergehenden Schadensersatz regelt, nicht jedoch die Anrechnung des Schadensersatzes auf den Ausgleichsanspruch. Eine „unbefriedigende Rechtslage“ also – laut AG sei es jedoch Sache des Verordnungsgebers, diese zu ändern (AG Frankfurt a. M., Urteil v. 04.12.2013, Az.: 31 C 2243/13 (17)).

Verjährung von Ausgleichsansprüchen

Wer Ausgleichsansprüche gegen die Fluggesellschaft geltend machen möchte, hat grundsätzlich nach den §§ 194, 195, 199 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) drei Jahre dazu Zeit. Die Verjährungsfrist nach § 651g BGB greift in diesem Zusammenhang nicht. Abzustellen ist nämlich nicht auf den Reisevertrag zwischen Fluggast und Reiseveranstalter, sondern auf dessen Beförderungsvertrag mit dem Flugunternehmen. Ansonsten wären Pauschalreisende, die ihren Urlaub über den Reiseveranstalter buchen, gegenüber Individualreisenden, die ihren Flug selbst bei der Fluggesellschaft buchen, benachteiligt und müssten ihre Ansprüche innerhalb von nur zwei Jahren geltend machen (AG Rüsselsheim, Urteil v. 08.01.2014, Az.: 3 C 3189/13 (36)).

(VOI)

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