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Rücktransport aus dem Urlaub: Muss Versicherer zahlen?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Auch im wohlverdienten Urlaub kann man natürlich einen Unfall haben oder erkranken. Manchmal wird aus medizinischen Gründen sogar ein Rücktransport nach Deutschland nötig – was zumeist mit enormen Kosten verbunden ist. Vorsichtige schließen daher eine Kranken- und Pflegeversicherung mit Auslandsdeckung ab. Wird die allerdings tatsächlich in Anspruch genommen, lehnt sie nicht selten eine Zahlung ab.

Schwangerschaftskomplikationen im Urlaub

Ein Ehepaar wollte mit dem Auto nach Frankreich fahren. Da sich die Frau bereits in der 35. Schwangerschaftswoche befand und es sich um eine Risikoschwangerschaft handelte, erkundigte sie sich bei ihrem Frauenarzt, ob sie die Reise überhaupt antreten könne, was der Mediziner bejahte. Während des Aufenthalts in der Normandie musste die Frau jedoch wegen Schwangerschaftskomplikationen ins Krankenhaus. Sie erhielt dort zunächst einen 48 Stunden wirkenden Wehenhemmer und nach einer Nacht eine sog. „Fit for Fly“-Bescheinigung. Auch empfahl der französische Arzt die Rückkehr nach Deutschland.

Der Ehemann rief daher bei seiner Krankenversicherung an, bei der seine Frau mitversichert war, berief sich auf die vereinbarte Auslandsdeckung und verlangte die Übernahme der Kosten für einen Rücktransport. Kurz darauf buchte er für sich und seine Frau einen Charterflug – die Kosten hierfür beliefen sich auf über 10.800 Euro.

Versicherer lehnt Einstandspflicht ab

Als die Versicherung eine Kostenerstattung ablehnte, zog der werdende Vater vor Gericht. Schließlich habe gemäß der Versicherungsbedingungen ein unvorhergesehener Versicherungsfall vorgelegen, der aus medizinischen Gründen einen Rücktransport notwendig gemacht habe. Aufgrund einer Risikoschwangerschaft habe nämlich eine Frühgeburt gedroht, auch sei eine Verständigung mit den Ärzten wegen diverser Sprachbarrieren nicht möglich gewesen. Seine Frau habe im Übrigen nach der Rückkehr nach Deutschland sofort in einem Krankenhaus weiterbehandelt werden müssen.

Der Versicherer behauptete daraufhin, der Rücktransport mit einem Charterflug sei nicht medizinisch notwendig gewesen, ein anderslautendes ärztliches Attest, wie es die betreffende Versicherungsklausel voraussetze, nicht vorgelegt worden. Auch führen Verständigungsprobleme nicht zu einem medizinisch notwendigen Rücktransport. Des Weiteren sei der Versicherungsfall aufgrund der Behandlung im französischen Krankenhaus zu der Zeit des Rückflugs nach Deutschland ohnehin bereits abgeschlossen gewesen. Letztendlich fehlte es an einer Kostenübernahmeerklärung seitens der Versicherung.

Bahnfahrt statt Charterflug?

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe gab dem Versicherten nur teilweise Recht. Es bestätigte zwar die medizinische Notwendigkeit einer Rückreise, bemängelte aber die gewählte Art des Rücktransports. Statt eines derart teuren Charterflugs hätte es nämlich auch eine Bahnfahrt oder ein Linienflug getan. Die Versicherung musste dem Ehemann daher nur 2000 Euro erstatten.

Unwirksame Vertragsklausel

Zwar war die Versicherungsklausel – wonach bei einem unvorhergesehen eingetretenen Versicherungsfall nur dann Rücktransportkosten erstattet werden, wenn die Rückreise medizinisch notwendig ist sowie ärztlich angeordnet wurde – gemäß § 307 I 1, II 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam. Schließlich darf eine Versicherung ihre Einstandspflicht unter anderem nicht davon abhängig machen, ob der behandelnde Arzt im Ausland subjektiv eine Rückreise für medizinisch notwendig hält oder nicht.

Trotz der unwirksamen Klausel entfiel eine grundsätzliche Kostenerstattungspflicht der Versicherung jedoch nicht. Wäre den Parteien nämlich die Unwirksamkeit der Klausel rechtzeitig bekannt gewesen, hätten sie sich nach Ansicht des Gerichts vielmehr darauf geeinigt, dass die Kosten des Rücktransports nur erstattet werden müssen, wenn dieser medizinisch notwendig ist.

Schnelle Heimreise war nicht nötig

Und notwendig war die Rückreise der Schwangeren laut dem OLG Karlsruhe. Allerdings war es nicht erforderlich, dass die Frau möglichst schnell wieder nach Hause kommt. Wäre eine Reise für Mutter und Kind zu riskant gewesen oder hätte die Geburt unmittelbar bevorgestanden, hätte der Arzt ihr keine „Fit for Fly“-Bescheinigung erteilt. Daher gab es auch keinen Zeitdruck – die Schwangere hätte somit mit der Bahn oder einem Linienflug die Heimreise antreten können. Das hätte zwar länger gedauert, wäre aber auch günstiger gewesen. Ein Flug wird von Ärzten in solchen Fällen nämlich nicht empfohlen, damit der im Ausland Erkrankte schneller wieder nach Deutschland kommt, sondern weil ein Flug einfach komfortabler ist. Darauf, ob Sprachbarrieren einen Rücktransport in die Heimat notwendig machen, kam es somit nicht mehr an.

Keine Kostenerstattung wegen Risikoschwangerschaft?

Die Schwangerschaftskomplikationen waren für die Frau im Übrigen nicht vorhersehbar – eine Einstandspflicht der Versicherung hätte aber nur entfallen können, wenn sie trotz zu erwartender Gesundheitsprobleme in den Urlaub gefahren wäre. Ihr Arzt hatte jedoch auf ihre Nachfrage hin keinerlei Bedenken an der Reise geäußert. Trotz einer Risikoschwangerschaft musste sie daher nicht mit Komplikationen während des Urlaubs und einer darauf folgend nötig werdenden ärztlichen Behandlung rechnen.

Behandlungsbedürftigkeit der Schwangeren

Die Versicherung durfte ihre Leistung auch nicht verweigern, weil zur Zeit des Rückflugs angeblich kein Versicherungsfall mehr vorlag. Das ist nämlich erst der Fall, wenn aufgrund eines medizinischen Befunds feststeht, dass der Patient nicht mehr weiterbehandelt werden muss. Vorliegend musste die Schwangere unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Deutschland zur weiteren Behandlung jedoch erneut in ein Krankenhaus gebracht werden. Schließlich wirkte der verabreichte Wehenhemmer nur für 48 Stunden – eine erneute Behandlung war somit unerlässlich, um eine Frühgeburt zu verhindern.

Kostensenkung durch alleinige Rückreise der Schwangeren?

Das Gericht hielt es für unpassend, die Schwangere in ihrem Zustand allein nach Hause zu schicken, nur damit der Versicherer weniger Kosten erstatten muss. Zu den zu zahlenden Leistungen gehörten damit auch die Rückreisekosten des werdenden Vaters. Allerdings musste die Versicherung nur für die Kosten einstehen, die dem Ehepaar bei Benutzung eines Linienflugs oder der Bahn entstanden wären – das waren laut OLG Karlsruhe 2000 Euro.

(OLG Karlsruhe, Urteil v. 07.05.2015, Az.: 12 U 146/14)

(VOI)

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