Scheidung in Corona-Zeiten

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Der Begriff der „Online-Scheidung“ existiert schon seit Langem. Was bietet sich in den aktuellen Zeiten nicht besser an, als sich der digitalen Möglichkeiten in den gerichtlichen Scheidungsverfahren zu bedienen.

Bereits entscheidungsreife Scheidungsverfahren werden und wurden von den Gerichten auf spätere Termine verlegt. Welche Pandemie-Beschränkungen weiterhin bestehen bleiben, kann derzeit noch nicht abgesehen werden. In der Justiz ist aufgrund der aktuellen Einschränkungen auch mit Aktenlawinen zu rechnen, die erst wieder abgearbeitet werden müssen. Welche Möglichkeiten gibt es also, um doch sein Scheidungsverfahren zeitnah abzuschließen?

Ist eine echte Online-Scheidung jetzt möglich?

Eine „Online-Scheidung“ gibt es nicht und wird es in diesem Sinne auch zukünftig nicht geben. Allgemein versteht man unter Online-Scheidung nur, dass der Mandant und sein Anwalt auf persönlichen Kontakt für Besprechungen verzichten und per Telefon, E-Mail oder über Internetportale kommunizieren und Schriftstücke austauschen. Spätestens zum Scheidungstermin trifft man sich im Sitzungssaal des Familiengerichts, wo das Gericht die Ehegatten persönlich anhören muss. Auf die persönliche Anhörung der Ehegatten zu verzichten, sieht das Scheidungsrecht grundsätzlich nicht vor.

Die Hürde der persönlichen Anhörung

In Ehe- und Folgesachen sowie Familienstreitsachen normiert das Verfahrensrecht, d grundsätzlich mündlich zu verhandeln ist. Mit Zustimmung aller Beteiligten kann stattdessen als Ausnahme das schriftliche Verfahren gewählt werden.

In Scheidungssachen gilt zusätzlich § 128 Familienverfahrensgesetz (FamFG), der die persönliche Anhörung der Ehegatten zur Zerrüttungsfrage normiert. Das Gericht soll sich durch die Befragung der Ehegatten persönlich davon überzeugen, dass die Ehe gescheitert ist und die Ehegatten sich wirklich scheiden lassen wollen. Die Frage der Zerrüttung einer Ehe ist eine höchstpersönliche Sache und kann nicht im Verfahren durch den Anwalt beantwortet werden. Unterbleibt eine Anhörung gem. § 128 FamFG, so stellt dies regelmäßig einen schweren Verfahrensmangel dar und führt zur Aufhebung der Entscheidung.

Die Anhörung als „Sollvorschrift“

Das Gericht soll das persönliche Erscheinen der Ehegatten anordnen und sie anhören. Dem Wortlaut nach ist § 128 Abs. 1 FamFG keine zwingend einzuhaltende Vorschrift und das Gericht hat einen überprüfbaren Ermessensspielraum. Die Grenzen, bei denen eine Anhörung unterbleiben kann, sind sehr eng und welche Gründe nicht ausreichen, sind klar definiert. Große Entfernung oder sonstige Verhinderungen am Erscheinen reichen definitiv nicht.

Der Zweck der Bestimmung des § 128 FamFG ist es, durch die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beteiligten zum Termin und deren Anhörung bzw. Vernehmung als Beteiligter eine bessere Aufklärung von Amts wegen zu erreichen als im normalen Zivilprozess.

Aus verschiedenen gerichtlichen Entscheidungen geht jedoch hervor, dass es Sachlagen in einem Scheidungsverfahren geben kann, wo eine persönliche Anhörung ausnahmsweise entbehrlich erscheint und damit auch keinen Verstoß gegen das Verfahrensrecht zur Folge hat.

Es wird damit argumentiert, dass die Anhörung dann entbehrlich ist, wenn sie überflüssig erscheint, weil die Beteiligten sich über die Bedeutung ihres Vorgehens bewusst sind, der Sachverhalt klar und unstreitig und eine Aussöhnung aussichtslos ist.

Schriftliches Verfahren bei einvernehmlichen Scheidungen?

In einvernehmlichen Scheidungsverfahren, bei denen keine Folgesachen streitig sind oder die Ehegatten diese bereits in einer notariellen Vereinbarung abschließend geregelt haben, ist als Alternative zu einer persönlichen Anhörung eine schriftliche Anhörung der Ehegatten denkbar. Gelangt das Gericht anhand des schriftlichen Vortrages zur Scheidung zur Überzeugung, dass im konkreten Fall eine Anhörung überflüssig ist, so kann die Scheidung im schriftlichen Verfahren erfolgen.

Erklären sich die Ehegatten mit dem schriftlichen Verfahren einverstanden und geben eine handschriftliche Erklärung zu den notwendigen Angaben ab, wie sie auch in der persönlichen Anhörung vorzutragen sind, wird das Gericht auch die Scheidung ohne Gerichtstermin aussprechen können. In geeigneten Fällen kann damit durchaus erreicht werden, dass die Scheidung zeitnah erfolgt. Dies ist nicht nur im Sinne der Ehegatten, die in der Regel ihre Scheidungsangelegenheit abschließen wollen, sondern auch im Interesse der Allgemeinheit, da Sozialkontakte durch Anreisen zum Gerichtstermin oder die gemeinsame Anwesenheit im Gerichtssaal vermieden werden.

Gerichtstermin per Videokonferenz?

Gesetzlich ist bereits in § 128 a der Zivilprozessordnung (ZPO) und für Scheidungen in § 32 III FamG vorgesehen, dass mündliche Verhandlungen per Videokonferenzen geführt werden können.

Bisher haben die wenigsten Gerichte von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Unter den Zwängen der Corona-Pandemie bietet es sich jedoch an, die Möglichkeiten der Technik zu nutzen, die das Gesetz ausdrücklich erlaubt. Die Entscheidung darüber, ob und wie eine Videokonferenz durchgeführt wird, obliegt dabei dem Gericht. Die Beteiligten müssen nicht zustimmen.

Die Corona-Pandemie wirkt sich sicherlich ein Stück weit auf die Arbeit der Anwälte und der Justiz aus. Das Rechtssystem funktioniert jedoch weiterhin und kann und wird sich den veränderten Umständen anpassen. Es gibt aktuell damit keine Gründe, sich bei einer Trennung oder Scheidung nicht anwaltlich beraten und vertreten zu lassen und so wichtige Zeitpunkte oder Fristen zu versäumen.

Fachanwältin Andrea Riedi steht Ihnen bei den Mainanwälten Würzburg als kompetenter Ansprechpartner in allen familienrechtlichen Angelegenheiten zur Verfügung.


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