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Scheinselbständigkeit: Wann sind Trainer und Übungsleiter in Sportvereinen abhängig beschäftigt?

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Scheinselbständigkeit wird zum Dauerthema. Zunehmend treten die Sozialversicherungsträger den Versuchen entgegen, sich der Beitragspflicht in der Sozialversicherung zu entziehen. Immer schwieriger wird es, für sog. Honorarkräfte oder freie Mitarbeiter die Anerkennung der Selbständigkeit durchzusetzen. Auch Sportvereine und Sportverbände sind betroffen, wenn sie die Dienste externer Trainer und Übungsleiter in Anspruch nehmen. In den Verträgen wird häufig ausdrücklich freie Mitarbeit vereinbart. Die Verwendung einer bestimmten Formulierung reicht aber nicht aus. Denn die bloße Bezeichnung als freier Mitarbeiter sagt noch nichts über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung aus und stellt für sich genommen kein Kriterium für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit dar. Die Beurteilung ist im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen.

Die Sozialgerichte haben hierfür in jahrelanger Rechtsprechung Kriterien entwickelt. Auch die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger haben Leitlinien aufgestellt, die ihren Prüfbehörden ermöglichen sollen, im Einzelfall richtige Entscheidungen zu treffen. Gleichwohl gibt es immer wieder Zweifelsfälle. Zu den anfälligen Gruppen zählen auch Sportvereine und Sportverbände, wenn sie bezahlte Trainer und Übungsleiter einsetzen. Die Spitzenverbände der Sozialversicherung gehen in ihren Leitlinien davon aus, dass sich die Beurteilung nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Kriterien für eine selbständige Tätigkeit sind aus Sicht der Versicherungsträger:

  • Durchführung des Trainings in eigener Verantwortung; der Übungsleiter legt Dauer, Lage und Inhalte des Trainings selbst fest und stimmt sich wegen der Nutzung der Sportanlagen selbst mit anderen Beauftragten des Vereins ab.
  • Der zeitliche Aufwand und die Höhe der Vergütung; je geringer der zeitliche Aufwand des Übungsleiters und je geringer seine Vergütung ist, desto mehr spricht für seine Selbständigkeit.

Je größer dagegen der zeitliche Aufwand und je höher die Vergütung des Übungsleiters ist, desto mehr spricht für eine Eingliederung in den Verein und damit für eine abhängige Beschäftigung. Anhaltspunkte für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses sind auch vertraglich mit dem Verein vereinbarte Ansprüche auf durchgehende Bezahlung bei Urlaub oder Krankheit sowie Ansprüche auf Weihnachtsgeld oder vergleichbare Leistungen (Rundschreiben vom 05.07.2005, Anlage 4). Es empfiehlt sich deshalb immer, jeden Einzelfall genau zu prüfen.

Anders als der vom LSG Hamburg entschiedene Fall eines Badmintontrainers war der Fall gelagert, den das Bundessozialgericht in einem Urteil vom 18.12.2001 (B 12 KR 8/01 R) für eine Übungsleiterin für Gymnastikkurse entschieden hat. Das BSG qualifizierte diese Tätigkeit als abhängige Beschäftigung. Die Tätigkeit für den Verein war dadurch gekennzeichnet, dass sich die Übungsleiterin den zeitlichen und örtlichen Planungen des Vereins unterordnen musste und dass sie die vereinbarte Pauschalvergütung ungekürzt auch im Falle krankheits- oder urlaubsbedingter Verhinderung erhielt und sogar ihren Urlaub mit dem Verein abzustimmen hatte. Das BSG führt hierzu aus: Sowohl beim Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub als auch beim Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall handelt es sich um Rechte, die Arbeitnehmern vorbehalten sind. Selbständigen räumt das Gesetz vergleichbare Ansprüche gegenüber ihren Vertragspartnern nicht ein. Diese setzen eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft regelmäßig mit der Gefahr des Verlustes ein. Fällt ihre Arbeitskraft krankheits- oder urlaubsbedingt aus und unterbleibt deshalb die versprochene Arbeitsleistung, haben sie in aller Regel keinen Anspruch auf die Gegenleistung.

Den Umstand, dass für die Trainerin im Krankheitsfall eine Vertretung notwendig war, wurde als weiteres Indiz für abhängige Beschäftigung gewertet. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen. Es ist Sache des Arbeitgebers und nicht des Arbeitnehmers, in Verhinderungsfällen eine Ersatzkraft einzusetzen, sofern der Arbeitsausfall nicht hingenommen werden soll. Demgegenüber hat ein selbständiger Unternehmer im Falle seiner Verhinderung selbst eine Ersatzkraft zu stellen, sofern er hierzu nach den vertraglichen Grundlagen berechtigt oder verpflichtet ist. Jedenfalls hätte er, wenn seine Arbeitsleistung ersatzlos entfällt - anders als die Trainerin - keinen Anspruch auf Vergütung. Gerade darin zeigt sich sein unternehmerisches Risiko. 

BSG, 18.12.2001, B 12 KR 8/01 R (http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/export.php?modul=esgb&id=1971&exportformat=HTM)

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