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Schwerbehinderung – Grad der Behinderung durchsetzen – Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht

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Wer ist schwerbehindert?

Schwerbehinderte sind nach dem Gesetz Personen, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht nur vorübergehend mit einem Grad der Behinderung (abgekürzt: GdB) von mindestens 50 gemindert sind. Zugrunde gelegt werden der für das Lebensalter typische Zustand und die Abweichung hiervon. Die Einzelheiten sind im Sozialgesetzbuch IX (abgekürzt: SGB IX) geregelt.

Was bedeutet „nicht nur vorübergehend“?

Als nicht nur vorübergehend gilt hierbei ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten. Bei Vorliegen mehrerer, sich gegenseitig beeinflussender Funktionsbeeinträchtigungen ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich.

Wer stellt den GdB fest?

Der Grad der Behinderung wird auf Antrag durch die Versorgungsämter festgestellt. Diese Versorgungsämter haben in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Namen. Im Land Brandenburg heißt das Versorgungsamt beispielsweise Landesamt für Soziales und Versorgung.

Benachteiligungsverbot nach dem Grundgesetz

Nach dem Grundgesetz darf „niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Hieran sind Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung unmittelbar gebunden. Diese objektive Wertentscheidung wirkt zugleich auf private Rechtsbeziehungen ein, wie zum Beispiel im Arbeitsrecht auf Arbeitgeber und Vorgesetzte. Jedoch ist dieser Behindertenbegriff nicht identisch mit dem des SGB IX.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzt (AGG)

Nach § 81 Abs. 2 SGB IX in Verbindung mit dem AGG ist jede Benachteiligung oder Belästigung wegen einer Behinderung verboten. Werden (schwer-)behinderte Bewerber bei der Einstellung wegen ihrer (Schwer-)Behinderung diskriminiert oder benachteiligt, ergeben sich ihre Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche aus dem AGG.

Kündigungsschutz

Der Kündigungsschutz für schwerbehinderter Menschen ist in den §§ 85 ff. SGB IX geregelt. Danach bedarf jede Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung durch das Integrationsamt. Eine ohne die erforderliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 134 BGB nichtig. Wenn eine Schwerbehindertenvertretung besteht, ist diese gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX zusätzlich zu beteiligen.

Dieses Zustimmungserfordernis gilt für Menschen mit einem GdB von mindestens 50 % und beim Vorliegen eines Gleichstellungsbescheids der Bundesagentur für Arbeit für Menschen mit einem GdB von mindestens 30 %.

Zusatzurlaub

Wer einen GdB von mindestens 50 % hat, dem steht ein bezahlter Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen im Urlaubsjahr bei der 5-Tage-Woche zu. Bei einer 6-Tage-Woche beträgt der Zusatzurlaub 6 Arbeitstage, bei der 4-Tage-Woche 4 Arbeitstage usw.

Mehrarbeit

Auf Verlangen des schwerbehinderten Menschen ist dieser von Mehrarbeit freizustellen. Mehrarbeit ist eine über 8 Stunden werktäglich hinausgehende Arbeit. Werktäglich bedeutet eine 6-Tage-Woche.

Rente

Als Folgeänderung zur stufenweisen Anhebung der Regelaltersgrenze wurde die Altersgrenze für den Anspruch auf die abschlagsfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen von 63 auf 65 Jahre angehoben. Dies sind somit weiterhin 2 Jahre früherer Rentenbezug im Vergleich zu denjenigen, die keinen GdB von wenigstens 50 % haben.

Im Rahmen von Übergangsbestimmungen greift diese Erhöhung abhängig vom Geburtsjahr für die nach dem 31.12.1951 Geborenen. Die Bundestagsabgeordneten haben die Altersgrenze für die frühestmögliche vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für schwerbehinderte Menschen von 60 auf 62 Jahre angehoben. Somit verbleibt es bei einem maximalen Abschlag i. H. v. 10,8 %. Jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente verkürzt sich die Rentenhöhe lebenslang um 0,3 Prozent.

Verfahren zur Feststellung des GdB

Auf Antrag des Behinderten stellen den Grad der Behinderung die Versorgungsämter fest. Hierzu erfolgt eine versorgungsärztliche Untersuchung. Das Ergebnis ist ein Bescheid des Versorgungsamts.

Widerspruchsverfahren

Lehnt das Versorgungsamt die Feststellung eines GdB ab oder ist nicht die begehrte Höhe festgestellt worden, kann innerhalb eines Monats Widerspruch gegen diesen Bescheid eingelegt werden. Die genauen Einzelheiten ergeben sich aus der Rechtsmittelbelehrung, welche Bestandteil des Bescheids ist. Die gesetzliche Frist für die Entscheidung über den Widerspruch beträgt drei Monate. Wird diese Frist nicht eingehalten, kann beim Sozialgericht eine Klage wegen Untätigkeit eingereicht werden. Eine solche Untätigkeitsklage ist ebenfalls möglich, wenn auf den Antrag der Bescheid nicht innerhalb von sechs Monaten erlassen wird.

Klageverfahren

Wird dem Widerspruch nicht vollumfänglich stattgegeben, kann innerhalb eines Monats die Klage beim Sozialgericht eingereicht werden. Die Einzelheiten zu Form und Frist der Klage ergeben sich aus der Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheids.

Das Sozialgericht holt in der Regel aktuelle Befunde ein und beauftragt einen möglichst unabhängigen Gutachter zur Feststellung des Grads der Behinderung auf der Grundlage der Versorgungsmedizinverordnung. Entsprechend dem Ergebnis der Befundberichte, der Gutachten und mündlichen Verhandlung entscheidet das Sozialgericht über die Höhe des Grads der Behinderung. Sollten sich im Laufe des Widerspruchs- oder Klageverfahrens gesundheitliche Veränderungen, wie neue Diagnosen, Verschlimmerungen oder dergleichen, ergeben, sollte dies unbedingt dem Gericht mitgeteilt werden. Das Gericht hat auf der Grundlage des Gesundheitszustands zu entscheiden, wie dieser zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung besteht.

Kosten im Antrags- und Widerspruchsverfahren

Die Verwaltung darf keine Gebühren für die Durchführung des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens oder für die Einholung von Befundberichten und Guthaben gegenüber dem Antragsteller erheben.

Kosten im Klageverfahren

Das Sozialgericht erhebt vom Kläger, welcher einen GdB gerichtlich geltend macht, keine Gerichtsgebühren sowie keine Gebühren für die Einholung von Befundberichten oder Gutachten. Selbst wenn man das Verfahren verlieren sollte, sind keine Gerichtskosten zu zahlen und auch dem Versorgungsamt keine Kosten zu erstatten. Gewinnt man, hat das Versorgungsamt die eigenen erforderlichen Kosten zu erstatten sowie die gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren.

Rechtsanwaltskosten

Sofern eine eintrittspflichtige Rechtschutzversicherung besteht, übernimmt diese die Anwaltskosten für das Klageverfahren und bei Erforderlichkeit sogar die Gutachterkosten nach § 109 SGG. Für das Widerspruchsverfahren übernehmen nur einzelne Rechtsschutzversicherungen die Rechtsanwaltskosten, häufig auch nur eine Erstberatung. Im Antragsverfahren übernimmt in der Regel die Rechtsschutzversicherung keine Kosten.

Sofern die Voraussetzungen von Prozesskostenhilfe vorliegen, gewährt das Sozialgericht für das Gerichtsverfahren auf Antrag Prozesskostenhilfe, welche die eigenen Rechtsanwaltskosten abdeckt.

Im Antrags- und Widerspruchsverfahren gewährt das Amtsgericht Ihres Wohnorts auf Antrag Beratungshilfe, sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen. In diesem Fall haben Sie nur einen Anteil von 15,00 € selbst zu tragen.

Besteht keine eintrittspflichtige Rechtsschutzversicherung und kein Anspruch auf Beratungs- oder Prozesskostenhilfe, hat man die anwaltlichen Gebühren selbst zu tragen. In jedem Fall empfiehlt es sich immer, vor der Beauftragung des Rechtsanwalts mit diesem über die entstehenden Kosten zu sprechen.



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