Selbstanzeige – Straffreiheit sichern

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Durch die Selbstanzeige (geregelt in § 371 AO für Fälle der Steuerhinterziehung sowie in § 378 Abs. 3 AO für Fälle leichtfertiger Steuerverkürzung) hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, rückwirkend die Strafbarkeit einer vollendeten Steuerhinterziehung zu beseitigen. Grundsätzlich kennt das deutsche Strafrecht nämlich nur die Möglichkeit von einer versuchten Straftat zurückzutreten.

Die Selbstanzeige ist ein persönlicher Strafaufhebungsgrund und beseitigt rückwirkend den Strafanspruch des Staates. Sie dient steuerpolitischen Zwecken, indem durch die Selbstanzeige unbekannte Steuerquellen erschlossen werden sollen. Es soll aber auch dem Steuerhinterzieher ein Anreiz gegeben werden zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren.

Voraussetzungen der Selbstanzeige

Von der Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige kann nicht nur der Täter selbst, sondern auch der Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe; oftmals der steuerliche Berater oder der Banker) Gebrauch machen (vgl. hierzu § 371 Abs. 4 AO). Strafbefreiend wirkt die Selbstanzeige aber nur für den jeweiligen Anzeigenerstatter, weil die Selbstanzeige eben ein persönlicher Strafaufhebungsgrund ist. So muss daher bei einer gemeinschaftlich begangenen Straftat zusammen veranlagter Ehegatten, die Selbstanzeige im Namen beider betroffener Personen gefertigt werden.

Der Anzeigende muss die unrichtigen oder unvollständigen Angaben berichtigen oder ergänzen oder im Falle des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO die unterlassenen Angaben nachholen (§ 371 Abs. 1 AO) und die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb einer ihm vom Finanzamt gesetzten Frist nachzahlen (§ 371 Abs. 3 AO) und zur Steuerehrlichkeit zurückkehren.

Jedoch gelten sowohl für die Wirksamkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige als auch für das Absehen von Verfolgung in besonderen Fällen seit dem 01.01.2015 deutlich schärfere Bestimmungen. Die Berichtigungspflicht erstreckt sich in allen Fällen der Steuerhinterziehung auf einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren. Bisher war der Steuerpflichtige bei einfacher Steuerhinterziehung nur verpflichtet, für den Zeitraum der Verfolgungsverjährung von fünf Jahren nachzuerklären. Die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO ist nur bis zu einem Hinterziehungsbetrag von 25.000 Euro möglich (bisher 50.000 Euro). Ab diesem Hinterziehungsbetrag und in den besonders schweren Fällen einer Steuerhinterziehung wird nur bei gleichzeitiger Zahlung eines Zuschlages von der Strafverfolgung abgesehen.

Die Ausschlussgründe der Selbstanzeige

Die Straffreiheit einer Selbstanzeige tritt gemäß § 371 Abs. 2 AO in folgen Fällen nicht ein:

  • bei Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung
  • mit Einleitung und Bekanntgabe eines Steuerstraf- bzw. Bußgeldverfahrens
  • bei Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit oder zu einer (sonstigen) Nachschau 
  • bei Entdeckung der Tat
  • wenn die verkürzte Steuer bzw. der erlangte Steuervorteil einen Betrag von 25.000 € je einzelner von der Selbstanzeige erfassten Tat übersteigt

Aber: Es besteht die Möglichkeit, soweit der Betrag von 25.000 € je Tat überschritten wurde, dass von der Strafverfolgung dennoch abgesehen wird, soweit innerhalb einer angemessenen Frist, die aus der Tat hinterzogenen Steuern samt Hinterziehungszinsen und anzurechnender Nachzahlungszinsen entrichtet und mit einem Zuschlag auf die hinterzogenen Steuern gezahlt werden. Der Zuschlag auf die hinterzogene Steuer richtet sich nach der Höhe des Hinterziehungsbetrags. So beträgt beispielsweise der Hinterziehungszuschlag bis 100.000 € 10 %, bei einer hinterzogenen Steuer ab 1.000.000 € beträgt der Zuschlag 20 %.

Folgen der Selbstanzeige

Das Finanzamt ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, nach Eingang einer Selbstanzeige ein Ermittlungsverfahren zur Prüfung der Straffreiheit gem. § 371 Abs. 1 und 3 AO einzuleiten. Regelmäßig werden die Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzämter oder die Staatsanwaltschaft nach beendetem Ermittlungsverfahren Anklage erheben, wenn Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der Selbstanzeige bestehen oder infolge der Selbstanzeige das Strafverfahren einstellen. Wichtig ist, dass die Selbstanzeige keine Straffreiheit für tateinheitlich oder tatmehrheitlich begangene allgemeine Straftaten bewirken kann. Trotz des Steuergeheimnisses des § 30 AO sind in einschlägigen Fällen Mitteilungen des Finanzamts unter anderem an die Gewerbebehörde, an die BaFin, die Ausländerbehörde aber auch an Berufskammern oder den Dienstherren möglich, was zu gravierenden Auswirkungen führen kann.

Aktuelle Stellungnahmen der Finanzbehörden zur Selbstanzeige

Durch die Neuregelungen der Selbstanzeige durch das AO-ÄndG 2015 wurden zahlreiche Rechtsfragen aufgeworfen. Von den Ländern wurde bereits mehrfach gefordert, die offenen Rechtsfragen auf Bundesebene zu klären. Nunmehr existiert ein neuer Anwendungserlass des Fin MinNRW vom 12.01.2016, der in 19 Textziffern auf umstrittene Rechtsfragen eingeht und ab sofort in allen offenen Verfahren angewendet werden soll. Der Erlass befasst sich beispielsweise mit der Frage, ob eine undolose unrichtige Selbstanzeige auch wirksam ist, wenn der nacherklärte Betrag geringfügig vom zutreffenden Betrag abweicht. Der Bundesgerichtshof hat bereits am 25.07.2011 entschieden, dass ein Betrag jedenfalls dann nicht mehr geringfügig ist, wenn um mehr als 5 % vom Verkürzungsbetrag abgewichen wird. Es war jedoch bislang heftig umstritten, ob sich die Toleranzgrenze von 5 % auf jedes einzelne Jahr bezieht oder auf den ganzen Berichtigungszeitraum. Die Finanzverwaltung stellte nunmehr klar, dass die Berechnung für den gesamten Berichtigungszeitraum vorzunehmen ist, sodass ein Ausgleich zwischen den einzelnen Jahren möglich ist.
Des Weiteren hat das BMF den AEAO mit Schreiben vom 23. 5. 2016 um eine Regelung zu § 153 AO ergänzt. Die neue Anweisung erläutert u. a., wie die Berichtigung einer Erklärung – insbesondere einer Steuererklärung – (§ 153 AO) von einer Selbstanzeige (§ 371, § 378 Abs. 3 AO) abzugrenzen ist.

Ausblick und Fazit

Die Steuerhinterziehung wird ständig „gefährlicher" dies liegt unter anderem am verstärkten EDV- Einsatz der Finanzbehörden (WinIdea, usw.), der verschärften Handhabung des § 10 BpO (Mitteilungspflicht des Betriebsprüfers an die BuStra oder Steuerfahndung) oder der erweiterten internationalen Zusammenarbeit der Strafverfolgungs- und Finanzbehörden. Des Weiteren wird die Strafzumessung durch die Rechtsprechung immer mehr verschärft (vgl. nur BGH vom 02.12.2008 1 Str 416/08).
Aufgrund der zunehmenden Komplexität des materiellen Steuerrechts können sowohl Privatpersonen, als auch Unternehmen nunmehr schnell in ein Steuerfahndungsverfahren verwickelt werden, was drastische Folgen haben kann. Weiterhin bleibt die Selbstanzeige trotz ihrer Verschärfungen die einzige Möglichkeit, um nach einer begangenen vorsätzlichen Steuerhinterziehung strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Sofern festgestellt wird, dass eine Steuerhinterziehung noch nicht vollendet wurde, sondern sich nur im Versuchsstadium befunden hat, §§ 22, 23 StGB, kann des Steuerpflichtige vom Versuch zurücktreten § 24 StGB. Dann ist ein Rückgriff auf die Regelungen der Selbstanzeige nicht notwendig. Die Strafbefreiung tritt unabhängig von den Voraussetzungen des § 371 AO ein. Die Regelung des § 371 AO schließt die Rücktrittsregelung gem. § 24 StGB zudem nicht aus.
Sobald der Steuerpflichtige bemerkt, dass er eine unrichtige Steuererklärung abgegeben hat, hat er diese nach § 153 AO zu berichtigen, um so keine weiteren Sanktionen befürchten zu müssen.

Eine Überprüfung der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten durch Ihren Anwalt und/ oder ihren steuerlichen Berater sollte so früh, wie möglichst erfolgen, um somit sämtliche Werkzeuge in der Hand zu haben, eine Steuerhinterziehung zu vermeiden, davon zurücktreten oder Straffreiheit zu erlangen.

Georg Sandtner
Fachanwalt für Steuerrecht
Kanzlei Dr. Scholz & Weispfenning


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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