Überblick über die aktuelle Rechtsprechung zum Widerruf von Autokrediten

  • 6 Minuten Lesezeit

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Mit dem Widerruf der Autofinanzierung suchen Verbraucher einen Weg, um die Folgen der durch die Autoindustrie veranlassten Dieselkrise zu finden. Entsprechend beschäftigt der sog. Widerrufsjoker derzeit zahlreiche Gerichte in Deutschland. Die zu diesem Thema ergangene Rechtsprechung ist entsprechend vielfältig. Fachanwalt David Stader hat die Rechtsprechung zusammengefasst und erklärt was geht und was nicht.

Wann kann ein Verbraucher den Widerruf der Autofinanzierung erklären?

Grundsätzlich kann ein Verbraucher einen Darlehensvertrag nur innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsschluss widerrufen. Eine längere, grds. unendliche Widerrufsfrist kommt nur in Betracht, wenn die Bank unrichtig über das Widerrufsrecht informiert oder gesetzlich vorgeschriebene Pflichtangaben nicht erfüllt. In diesem Fall kommt es zu einem ewigen Widerrufsrecht, das auch "Widerrufsjoker" genannt wird.

Fehlerpotential ist vielfältig

Die Fehler, die von Banken in Verträgen begangen werden können sind vielfältig. Umso größer das Thema wird und desto mehr Verbraucheranwälte sich mit den Verträgen beschäftigen, können viele weitere potentielle Fehler hinzukommen. Gleichwohl ergibt sich aus den Entscheidungen der Landgerichte, die bisher ergangen sind, eine Vielzahl bereits gerichtlich erprobter Belehrungs- und Informationsmängeln.

Entscheidungsüberblick

Bis zum Jahr 2016 waren zunächst die Immobilienkredite im Fokus der Rechtsprechung. Hierzu sind tausende Urteile ergangen, die sich mit Fragen der Widerrufbarkeit von Kreditverträgen beschäftigen. Die meisten Fragen wurden zwischenzeitlich durch den BGH geklärt. 

Startschuss aus Berlin

Für Autokredite hat der Widerrufsjoker im Dezember 2017 durch ein Urteil des Landgerichts Berlin (Urt. v. 05.12.2017, 4 O 150/16) Fahrt aufgenommen. Die dort auf Rückabwicklung der Autofinanzierung klagenden Verbraucher hatten ihren Widerruf darauf gestützt, dass die Bank unrichtig über das den Kunden zustehende Kündigungsrecht und die Berechnungsmethodik einer Vorfälligkeitsentschädigung informiert habe. 

Angabe der Kündigungsrechte des Verbrauchers

Konkret bemängelten die Verbraucher, dass den Verträgen nicht entnommen werden konnte, dass dem Kunden theoretisch ein fristloses Kündigungsrecht zusteht, wenn ein wichtiger Grund die Fortsetzung des Vertrages mit der Bank unzumutbar macht. Auch wenn solche Gründe nur äußerst selten vorliegen können, sahen die Verbraucher dieses Kündigungsrecht als Teil ihrer Kündigungsrechte an, über die nach dem Gesetz zu informieren ist. 

Das Landgericht Berlin hielt diesen Einwand für durchgreifend und gab der Klage statt. Dieser Entscheidung schlossen sich in der Folgezeit sodann zahlreiche Gerichte an, die einen Widerruf ebenfalls auf diesen Informationsfehler stützten:

Entscheidungen zum Fehlen des fristlosen Kündigungsrechts

Datum

Gericht

Aktenzeichen

Bank

17.12.18

Landgericht Berlin

38 O 62/18

Mercedes Benz Bank (Mercedes, Smart)

05.02.17

Landgericht Berlin

4 O 150/16

VW Bank

15.02.19

Landgericht Berlin

4 O 20/18

Mercedes Benz Bank (Mercedes, Smart)

29.03.19

Landgericht Berlin

4 O 224/18

VW Bank

25.01.18

Landgericht Ellwangen

4 O 232/17

VW Bank

10.01.18

Landgericht Karlsruhe

2 O 76/18

MKG Bank (Mitsubishi)

18.04.19

Landgericht Karlsruhe

2 O 384/18

FCA Bank (Fiat, Alfa, Jeep)

05.04.19

Landgericht Limburg

1 O 85/19

FCA Bank (Fiat, Alfa, Jeep)

06.03.19

Landgericht Limburg

1 O 55/19

FCA Bank (Fiat, Alfa, Jeep)

13.07.18

Landgericht Limburg

2 O 317/17

VW Bank

09.02.18

Landgericht München

29 O 14138/17

VW Bank

05.07.18

Landgericht Paderborn

4 O 72/18

VW Bank

16.07.18

Landgericht Paderborn

3 O 408/17

VW Bank


Berechnungsmethodik der Vorfälligkeitsentschädigung

Neben der unvollständigen Angabe der Kündigungsrechte wird bemängelt, dass den Verträgen nicht entnommen werden kann, wie die Vorfälligkeitsentschädigung genau berechnet wird. In den Vertragsklauseln ist oft nur die Rede von einer Berechnung auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH. Ebenso wurden nur beispielhaft die Parameter genannt, die für die Berechnung relevant sind. Auch dieser Information genügt nach der Ansicht vieler Gerichte nicht, um die Widerrufsfrist wirksam in Lauf zu bringen:

Entscheidungen zur unvollständigen Berechnungsmethodik einer Vorfälligkeitsentschädigung

Datum

Gericht

Aktenzeichen

Bank

05.02.17

Landgericht Berlin

4 O 150/16

VW Bank

15.02.19

Landgericht Berlin

4 O 20/18

Mercedes Benz Bank (Mercedes, Smart)

29.03.19

Landgericht Berlin

4 O 224/18

VW Bank

25.01.18

Landgericht Ellwangen

4 O 232/17

VW Bank

10.01.18

Landgericht Karlsruhe

2 O 76/18

MKG Bank (Mitsubishi)

18.04.19

Landgericht Karlsruhe

2 O 384/18

FCA Bank (Fiat, Alfa, Jeep)

05.04.19

Landgericht Limburg

1 O 85/19

FCA Bank (Fiat, Alfa, Jeep)

06.03.19

Landgericht Limburg

1 O 55/19

FCA Bank (Fiat, Alfa, Jeep)

13.07.18

Landgericht Limburg

2 O 317/17

VW Bank

09.02.18

Landgericht München

29 O 14138/17

VW Bank

05.07.18

Landgericht Paderborn

4 O 72/18

VW Bank

16.07.18

Landgericht Paderborn

3 O 408/17

VW Bank


Keine Zinsen beim Widerruf – Angabe von 0,00 EUR Tageszinsen

Ein weiterer in der Rechtsprechung diskutierter Fehler ist die Angabe des Tageszinses im Widerrufsfall. Das Gesetz verpflichtet die Bank dazu, in der Widerrufsinformation genau anzugeben, welche Zinsen anfallen, wenn der Verbraucher widerruft. In vielen Verträgen enthält die Widerrufsbelehrung den standardisierten Satz, dass im Widerrufsfall der vereinbarte Sollzinssatz zu zahlen sei. Sodann teilt die Bank jedoch im Folgesatz mit, dass der im Widerrufsfall anfallende Tageszins 0,00 EUR betrage. In diesem Widerspruch erkennen einige Gerichte einen erheblichen und zum Widerruf berechtigenden Belehrungsmangel:

Entscheidungen zur Angabe: Tageszins = 0,00 EUR

Datum

Gericht

Aktenzeichen

Bank

13.11.18

Landgericht Aurich

1 O 632/18

-

17.04.19

Landgericht Düsseldorf

13 O 387/17

RCI Banque (Nissan)

10.04.19

Landgericht Düsseldorf

13 O 76/18

-

25.01.18

Landgericht Stuttgart

25 O 73/18

-


Widersprüchliche Angaben zu den Zinsen im Widerrufsfall

Ein weiterer Fall mit ähnlicher Ausprägung findet sich in Verträgen der Mercedes Benz Bank. Dort wird in der Widerrufsbelehrung zwar der zutreffende Tageszins angegeben, jedoch heißt es in den AGB, das im Widerrufsfall keine Zinsen zu zahlen sind. Auch diesen Widerspruch bewerten mehrere Gerichte für den Beginn der Widerrufsfrist schädlich:

Entscheidungen zur widersprüchlichen Zinsangabe 

Datum

Gericht

Aktenzeichen

Bank

13.11.18

Landgericht Berlin

4 O 20/18

Mercedes Benz Bank (Mercedes, Smart)

08.03.19

Landgericht Erfurt

9 O 480/18

Mercedes Benz Bank (Mercedes, Smart)


Belehrung über eine Kreditversicherung obwohl diese nicht beantragt wurde

Ein weiterer Fehler findet sich nach der Ansicht des Landgerichts Saarbrücken (Urt. v. 11.05.2018, 1 O 396/17) darin, dass die Bank über die Besonderheiten für das Widerrufsrecht bei Abschluss einer Ratenschutzversicherung belehrt, obwohl der Verbraucher in dem konkreten Fall eine solche Versicherung überhaupt nicht abgeschlossen hatte.

Fehlende Adresse des Kreditvermittlers

In der gleichen Entscheidung hat das des Landgerichts Saarbrücken (Urt. v. 11.05.2018, 1 O 396/17auch festgestellt, dass sich der Widerruf auch darauf stützen lässt, dass in dem Kreditvertrag die Adresse des Kreditvermittlers, in der Regel des Autohauses, fehlt.

Widersprüchliche Angaben zum Wertersatz

Nach einer Entscheidung des Landgerichts Ravensburg (Urt. v. 07.05.2019, 2 O 426/18) ist ein Vertragsmuster der VW Bank deshalb unzureichend, weil es in den AGB unzutreffende Ausführungen zur Wertersatzpflicht im Widerrufsfall enthält.

Pflichtangaben finden sich ganz oder teilweise nur im Standardmerkblatt

Das Landgericht Wiesbaden (Urt. v. 09.08.2018, 9 O 143/18) und das Landgericht Kleve (Urt. v. 27.12.2018, 4 O 46/18) sehen einen zum fortdauernden Widerrufsrecht führenden Belehrungsmangel auch darin, dass sich Pflichtangaben ganz oder teilweise nur in dem sog. Europäischen Standardisierten Merkblatt (ESM) finden, wenn dieses nicht explizit in den Vertrag integriert wird. Es handelt sich hierbei um ein Musterformular, das es Banken erleichtern soll, die Pflichtangaben zu erfüllen. Das Gesetz verlangt jedoch, dass die Pflichtangaben im Vertrag erfüllt werden müssen. Wird das ESM nicht in diesen integriert, dann fehlt eine Erfüllung der Pflichtangaben im Vertrag.

Falsche Angaben in den Auszahlungsbedingungen

Einen weiteren Fehler in einem Vertrag der Mercedes Bank, der auch in vielen Verträgen anderer Banken enthalten ist, hat das Landgericht Berlin in seinem Urteil vom 17.12.2018 (38 O 62/18) ausfindig gemacht. Nach dem Gesetz muss die Bank auch die Auszahlungsbedingungen zutreffend angeben. Wird ein Pkw finanziert, erfolgt die Auszahlung aber nicht an den Kunden, sondern an das Autohaus. Auf diesen Umstand muss der Vertrag hinweisen, wenn die Pflichtangabe zutreffend erfüllt werden soll. Nach der Ansicht des Landgerichts hat der Mercedes Vertrag diese Anforderungen nicht erfüllt.

Kreditvermittler druckt Vertrag in zu kleiner Schrift aus

Auch banalere Aspekte können dazu führen, dass der Vertrag noch widerrufen werden kann. In dem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart (Urt. v. 22.03.2018, 14 O 340/17) hatte der Mitarbeiter des Autohauses den für eine DIN A4 Seite vorgesehenen Vertragstext auf DIN A5 verkleinert und ausgedruckt. Die Vertragsbestimmungen waren so kaum noch lesbar. Dies erfüllt nach der Ansicht des Landgerichts das Erfordernis eines klar und verständlichen Vertrages nicht.

Unwirksames Aufrechnungsverbot

In der Rechtsprechung wurde ebenfalls diskutiert, ob das in fast allen Verträgen enthaltene und vom Bundesgerichtshof als unwirksam festgestellte Aufrechnungsverbot auch die Widerrufsfrist berührt. Das Landgericht Ravensburg hatte dies mit Urteil vom 21.09.2019 (2 O 21/18) bestätigt. Hätte sich diese Rechtsprechung durchgesetzt, wären fast alle Verträge, die vor 2018 geschlossen wurden widerrufbar gewesen. Der BGH hat in einem aktuellen Beschluss jedoch entschieden, dass die unzulässige Aufrechnungsbeschränkung das Widerrufsrecht nicht berührt, da die Klausel außerhalb der Widerrufsbelehrung in den AGB zu finden ist. Auch wenn die Entscheidung nur schwer nachzuvollziehen ist, muss sie akzeptiert werden. Ein Widerrufsrecht lässt sich hierauf nicht stützen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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