Überlastung als Rechtfertigungsgrund im Beamtenrecht

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Mit dem Urteil vom 15.12.2021 (1 A 298/19) hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes entschieden, dass ein Polizeibeamter, der überlastet war, unter Umständen bei Verstoß gegen seine Dienstpflicht entschuldigt werden kann.

Im zugrundeliegenden Fall ging ein Polizeibeamter gegen seinen Dienstherrn vor, der Schadensersatz von ihm verlangte, da er seine Dienstpflicht grob fahrlässig verletzt habe. Der Kläger solle die Sicherstellung eines verunfallten PKWs nicht sachgemäß gehandhabt haben, sodass dem Land ein finanzieller Schaden entstanden sei. Er sei gemäß § 48 BeamtStG dazu verpflichtet, den Schaden zu ersetzen. 

Gegen dies legte der Kläger Widerspruch ein. Seiner Ansicht nach sei ihm keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Die Sicherstellung des Fahrzeugs sei notwendig gewesen, da es sich bereits im Drogenmilieu befunden habe, was durch Ermittlungen festgestellt worden sei. Zwar sei zutreffend, dass er mehrere Rechnungen des herangezogenen Abschleppunternehmens nicht beantwortet habe, doch sei dies auf seine nachweisliche Arbeitsüberlastung zurückzuführen. Er habe den Rechnungen eine niedrigere Relevanz zugeordnet als den anderen anstehenden Aufgaben. Solche Fehler, die aufgrund von Überbelastung entstanden seien, könnten jedoch nicht als grobe Fahrlässigkeit gewertet werden, denn dafür hätte er „seine Pflicht zum sorgsamen Umgang objektiv schwerwiegend oder subjektiv unentschuldbar und erheblich über das gewöhnliche Maß hinausgehend verletzt“ haben müssen.

Die Berufung des Klägers war nun vor dem OVG Saarland erfolgreich. Der Kläger habe seine Pflicht aus § 35 S.2 BeamtStG, allgemein Richtlinien zu befolgen, verletzt, indem er das sichergestellte, wertlose Fahrzeug, nachdem der Sicherstellungsgrund wegfiel, nicht unverzüglich freigab oder verwertete, wie es seine Dienstanweisung verlangte. Dadurch seien Kosten entstanden, die bei sachgemäßer Handhabung verhindert worden wären.

Allerdings hätte er seine Pflicht auch vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt haben müssen, § 48 S.1 BeamtStG. In Betracht kam hier lediglich eine grobe Fahrlässigkeit. Hier sei außerdem auch auf das individuelle Verhalten des Beamten abzustellen, da der staatshaftungsrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff anwendbar sei. Demnach müssen Aspekte wie der Wissenstand des Beamten sowie seine Erfahrung berücksichtigt werden. Für ein grob fahrlässiges Handeln müsste das Verhalten des Beamten so schwerwiegend und subjektiv schlechthin unentschuldbar gewesen sein, dass es das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit überschreitet.

Durch ein dem Polizeibeamten zugegangenes Schriftstück der Staatsanwaltschaft vom August 2014, das ihn dazu aufforderte, über die Herausgabe des Fahrzeugs zu entscheiden, hätte der Kläger erkennen müssen, dass eine weitere Sicherstellung nicht vertretbar gewesen sei. Dennoch bemühte er sich erst im März 2015 um Klärung der Sicherstellung, sodass ihm eine grobe Fahrlässigkeit zugeschrieben werden könnte.

Nach ausführlichen Erläuterungen des Klägers und mehreren Zeugenaussagen, unter anderem seines damaligen Vorgesetzten, entschied das Gericht jedoch, dass der Kläger zur Zeit seiner Pflichtverletzung außerordentlich überlastet war. Aus diesem Grund sei der Kläger zu entschuldigen. Aufgrund seiner Erfahrung sei ihm zwar zumutbar gewesen, in einer Überlastungssituation relevante Aufgaben vorzuziehen, doch kann nicht bewiesen werden, dass die Tätigkeiten, die er stattdessen erledigte weniger dringlich gewesen seien.

Das zuvor gehende Verwaltungsgericht rügte des Weiteren, dass es an einer förmlichen Anzeige seiner Überlastungssituation fehle, doch sei es hier nicht gerechtfertigt, die Überlastung des Klägers aus diesem Grund zu verkennen, da dies dem Sinn und Zweck einer Überlastungsanzeige zuwiderliefe.  Es wäre unangemessen, „den Pflichtverstoß des Klägers wegen des Unterlassens einer Anzeige einer Überlastungslage als subjektiv unentschuldbar zu werten.“

Somit habe der Kläger zwar seine Pflicht verletzt, dies jedoch nicht grob fahrlässig getan, sodass er nicht für den Schadensersatz in Anspruch zu nehmen sei.

Foto(s): Janus Galka

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