„Unbegrenzte Leistungsfähigkeit“ - Spitzenverdiener im Unterhaltsrecht

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Im Familienrecht kreisen Streitigkeiten häufig um das Thema Kindesunterhalt. Um den Anspruch des Kindes auf Unterhalt durchzusetzen, bedarf es regelmäßig eines gerichtlichen Verfahrens. Bevor die konkreten Unterhaltszahlungen beziffert werden können, muss zudem häufig eine Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen erstritten werden.

Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr darüber zu befinden, ob diese Auskunftspflichten erfüllt sind, wenn der unterhaltspflichtige Vater erklärt „unbegrenzt leistungsfähig“ zu sein.

 In diesem Beitrag erfahren Sie mehr über die Auskunftsmöglichkeiten im Unterhaltsrechtsstreit und welche Anforderungen der Bundesgerichtshof für Spitzenverdiener aufstellt.

  

1. Geltendmachung von Kindesunterhalt beim Familiengericht

Verwandte in gerader Linie sind gesetzlich einander dazu verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs erforderlich ist. Eine solche Auskunftsverpflichtung besteht nur dann nicht, wenn von vornherein feststeht, dass sie den Unterhaltsanspruch unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann. 

Die Auskunft zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen bezieht sich prinzipiell auf sämtliche Umstände, die für die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs von Bedeutung sind, insbesondere: 

  • Bedarf und die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten
  • Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen 

Zur Bemessung des angemessenen Unterhalts wird nach der gängigen Praxis der Familiengerichte die Düsseldorfer Tabelle herangezogen. Diese dient als Richtlinie, um ausgerichtet an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern und dem Alter des Kindes eine gleichmäßige unterhaltsrechtliche Behandlung zu gewährleisten.

Die Düsseldorfer Tabelle baut auf dem gesetzlich definierten Mindestunterhalt minderjähriger Kinder einer jeweiligen Altersstufe auf. Sie enthält eine nach dem Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen gestaffelte Bedarfsbemessung. Ab einem Einkommen von rd. 5.500 € sind in der Düsseldorfer Tabelle keine Bedarfssätze mehr ausgewiesen. Hier wird stattdessen auf eine Bemessung „nach den Umständen des Falles“ verwiesen.

 

2. BGH: Auch Spitzenverdiener müssen Auskunft erteilen!

Die oben ausgeführten Rechtsgrundsätze mussten die Richter am Bundesgerichtshof auf den folgenden Sachverhalt anwenden:

Das im Juni 2011 geborene Mädchen begehrte Auskünfte zu den Einkommensverhältnissen ihres Vaters, um Kindesunterhalt geltend zu machen. Sie ist Schülerin und lebt in Obhut ihrer Mutter. Ihre Eltern waren seit 2014 geschieden. Der Vater ist Geschäftsführer eines Verlags und weiterer Gesellschaften. Eine im Juni 2013 geschlossene Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung enthielt unter anderem eine bis Mitte 2019 befristete Regelung zum Kindesunterhalt. Für die Zeit danach verpflichtete sich der Vater durch notarielle Urkunde zur Zahlung von 160 % des Mindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle. Er hat sich hinsichtlich des Kindesunterhalts für „unbegrenzt leistungsfähig“ erklärt. Die Beteiligten streiteten schließlich noch darüber, ob der Vater dennoch zur Auskunft über sein Einkommen verpflichtet ist. 

Die mit diesem Fall bedachten Richter waren sich durch alle Instanzen nahezu einig: Der Vater ist antragsgemäß zur Auskunft über seine Einkünfte verpflichtet!

 

3. Richtungswechsel in der Rechtsprechung zum Tabellenunterhalt 

Der Bundesgerichtshof hat dabei auch einen Richtungswechsel in seiner Rechtsprechung erkennen lassen. Bisher lautete die Faustregel: Übersteigt das Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle, so kann der Bedarf des Kindes nicht durch Fortschreibung der Tabellenbeträge erfolgen.

Von diesem Grundsatz sind die Richter nunmehr leicht abgewichen und halten eine solche Fortschreibung nun für nicht mehr ausgeschlossen. Denn - insoweit waren sich die Juristen auch vorher schon einig - auch bei höherem Einkommen muss gewährleistet sein, dass das Kind an einer Lebensführung teilnimmt, die den besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern entspricht.

Mittlerweile ist - so der Bundesgerichtshof - eine begrenzte Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle bis zur Höhe des Doppelten darin ausgewiesenen Einkommenshöchstbetrages prinzipiell möglich. Daneben bleibt dem unterhaltsberechtigten Kind die konkrete Darlegung eines höheren Bedarfs unbenommen.

 

4. Fazit

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs lässt sich im Wesentlichen folgendermaßen zusammenfassen: 

  • Der Auskunftsanspruch gegen den unterhaltspflichtigen Elternteil entfällt nicht allein aufgrund der Erklärung „unbegrenzt leistungsfähig“ zu sein
  • Eine begrenzte Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Bedarfsbeträge ist bis zu einer gewissen Höhe nicht ausgeschlossen
  • Die Einkommensauskunft ist auch wegen des neben dem Tabellenbedarf bestehenden Mehrbedarfs erforderlich, um die jeweilige Haftungsquote der Eltern zu bestimmen

Bei Fragen zum Thema Unterhalt und der prozessrechtlichen Geltendmachung von Unterhalts- und Auskunftsansprüche nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns auf!


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