Unterliegt die Polizeiverfolgungsjagd dem Straftatbestand des „verbotenen Kraftfahrzeugrennens"?

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Der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat in einem brandneuen Beschluss darüber entschieden, wie der seit dem 13. Oktober 2017 geltende Straftatbestand des § 315d StGB in Verbindung mit einer Polizeiflucht auszulegen sei.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte geriet in eine unmittelbar bevorstehende Verkehrskontrolle, in der sich die Beamten vor ihm bereits durch Handzeichen und dem Haltesignal „Stopp Polizei“ bemerkbar machten. Daraufhin beschleunigte dieser stark, um der Kontrolle zu entkommen. Aus dieser Situation entwickelte sich eine Verfolgungsjagd, in welcher der Flüchtende die Rotlichtanzeige zweier Verkehrsampeln ignorierte und zudem noch in einer 50iger-Zone mit ca. 145 km/h geblitzt wurde. Des Weiteren scherte er in unübersichtlichen Kurven bei extrem hoher Geschwindigkeit (160–180 km/h) des Öfteren auf die gegenüberliegende Fahrbahn aus, um so ein schnelleres Fortkommen zu garantieren und die Polizisten abzuhängen. Dabei waren ihm die Belange der restlichen Verkehrsteilnehmer gleichgültig.

Die Polizei konnte den Verfolger aufgrund der zahlreichen Gefahrenquellen nicht einholen und musste daraufhin die Verfolgung abbrechen.

Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht Münsingen zu einer Geldstrafe von 2800 € sowie dem Entzug seiner Fahrerlaubnis verurteilt. Des Weiteren wurde gegen ihn eine Sperrfrist für die Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis von 9 Monaten verhängt.

Der Angeklagte versuchte durch eine Sprungrevision zum Oberlandesgericht Stuttgart ein besseres Ergebnis zu erzielen, diese blieb jedoch ohne Erfolg.

Einerseits war fast zweifelsfrei festzustellen, dass der Angeklagte die Bedeutung des Tatbestandsmerkmales „höchstmögliche Geschwindigkeit“ vollumfänglich begriff und in seiner persönlichen Situation in Abgrenzung seiner relativen Sicht- und Straßenverhältnisse rücksichtslos eine maximale Höchstgeschwindigkeit erreichen wollte, was ihm letztendlich auch gelang.

Das Gericht betonte jedoch, dass die Absicht höchstmöglicher Geschwindigkeit nicht alleiniger Beweggrund sein müsse. Auch die Besonderheit einer Polizeiflucht erfülle die Merkmale des § 316d StGb, denn diese ziele auf einen spezifischen Renncharakter ab, in welchem sich gerade die gesetzlich begründeten besonderen Risiken widerspiegeln.

Ob man versuche, einen privaten Konkurrenten abzuhängen und dadurch zahlreiche Gefahren im Straßenverkehr verursacht oder dieses Bestreben gegen Polizeibeamte mit der Absicht, sich der Strafverfolgung zu entziehen, durchgeführt werde, sei letztendlich irrelevant.

Der Schutzzweck der Norm liegt in der Vermeidung des erhöhten Gefährdungspotenzials im Straßenverkehr, welches durch zahlreiche „Rennmotive“ erreicht werden kann.

Durch diese extensive Auslegung des Tatbestandes gerät man deutlich schneller als zuvor in den Straftatbestand des § 315d StGB. Somit ist es vorzugswürdig, bei eigener Betroffenheit sofort einen Anwalt für Verkehrsrecht zu kontaktieren und durch Akteneinsicht und Zeugenbefragungen die Situation detailliert durchleuchten und analysieren zu lassen.

Oberlandesgericht Stuttgart – Beschluss vom 04.07.2019 – 4 Rv 28 Ss 103/19

Hinweis

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht


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