Unzulässiger Widerruf der Waffenbesitzkarte bei Verurteilung zu 70 Tagessätzen

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Das VG Meiningen hat mit Urteil vom 14.01.2016 – 8 K 439/14 Me – eine interessante Entscheidung getroffen, indem das Gericht die waffenrechtliche Zuverlässigkeit trotz einer Verurteilung von 70 Tagessätzen annahm und insoweit von der Regelvermutung des es § 5 Abs. 2 Nr. 1a WaffG abweicht.

Vorangegangen war eine Verurteilung des Klägers wegen Veruntreuung von Arbeitsentgelten in 6 tatmehrheitlichen Fällen und einer Strafe von 70 Tagessätzen.

Das Verwaltungsgericht führt insofern aus

„Der Beklagte hat die dem Kläger erteilten Waffenbesitzkarten zu Unrecht nach § 45 Abs. 2 WaffG widerrufen. Der Kläger erfüllt zwar den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 1a WaffG. Er wurde wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von über 60 Tagessätzen, nämlich von 70 Tagessätzen, verurteilt. Der Erlass eines Strafbefehls stellt eine Verurteilung i. S. von § 5 Abs. 2 WaffG dar (vgl. § 410 Abs. 3 StPO). Die Behörde konnte hierbei von der Richtigkeit der strafrechtlichen Verurteilung ausgehen. Nur ausnahmsweise können Gründe vorliegen, die eine Überprüfung der strafrechtlichen Verurteilung veranlassen können. So, wenn ohne Weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder sich die Verurteilung als rechtsmissbräuchlich darstellt (...). Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor.

Vorliegend liegt jedoch eine Ausnahme von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG vor. Eine solche Ausnahme kommt allerdings nur in Betracht, wenn die Umstände der Begehung der abgeurteilten Tat die Verfehlung des Betroffenen ausnahmsweise derart in einem milderen Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzes in der Regel begründeten Zweifel an der für den Waffenbesitz und Waffenumgang vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen nicht gerechtfertigt sind. Die Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet ist, erfordert daher eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Täters, wie sie in seinem damaligen Verhalten zum Ausdruck kommt (...).

Vorliegend ist nach einer Gesamtschau der Tatumstände von einem atypischen Fall auszugehen, bei dem es ausnahmsweise gerechtfertigt ist, von der Regelvermutung abzuweichen. Dies ergibt sich vorliegend aus folgenden Umständen, wobei jeder für sich gesehen allein nicht geeignet wäre, eine Abweichung zu begründen, sondern nur in der Summe:

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Kläger durch den Strafbefehl zu 70 Tagessätzen verurteilt wurde und damit das Strafmaß nur um zehn Tage über der tatbestandlichen Grenze von 60 Tagessätzen liegt, auch wenn dieses Strafmaß durch Gesamtstrafenbildung zustande gekommen ist.

Den Strafbefehl hat er – abgesehen von der Höhe der Tagessätze – akzeptiert, was ein Indiz dafür ist, dass er den Unrechtsgehalt seiner Taten einsieht.

Weiter strafrechtlich in Erscheinung getreten ist der Kläger nicht (...).

Weiterhin spielt vorliegend auch die Art des Delikts eine Rolle. Zwar hat der Gesetzgeber die Begehung von Straftaten allgemein und nicht beschränkt auf bestimmte Delikte als Indiz gewertet, dass es dem Waffenbesitzer bzw. Jagdscheininhaber an der erforderlichen Fähigkeit oder Bereitschaft fehlt, verantwortungsvoll zu handeln. Dennoch ist es doch so, dass zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 266a StGB im Fall des Klägers von einer geringen kriminellen Energie auszugehen ist, da er mehr durch die Vernachlässigung seiner Sorgfaltspflichten als Geschäftsführer den Straftatbestand verwirklicht hat als durch bewusstes zielgerichtetes Handeln (...).“


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