Update: Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit bei Reichsbürgern

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Das Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) NRW hat u. a. die Pass-, Ausweis- und Meldebehörden aufgefordert, über bekannt gewordene Einzelfälle der sog. Reichsbürger, Germaniten etc. das Ministerium zu unterrichten (Az.: 11-38.04.06 vom 24.11.2016).

In einem von mir geführten Prozess wurde durch die Waffenbehörde ein Durchsuchungs- und Sicherstellungsbeschluss beim zuständigen Amtsgericht gegen einen legalen Waffenbesitzer beantragt. Der Waffenbesitzer hatte einen Staatsangehörigenausweis beantragt. Der Staatsangehörigenausweis ist im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) geregelt und belegt den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. Demnach erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt, dessen verheiratete Eltern zumindest zu einem Teil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Dieses aus dem Jahr 1913 stammende Gesetz ist geltendes Gesetz. Aufgrund dieser Beantragung – und Ausstellung durch die Stadt Köln – rechnete das PP Köln den Waffenbesitzer der Reichsbürgerbewegung zu. Das Polizeipräsidium begründete den Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses damit, dass „Anhaltspunkte dafür“ vorliegen würden, „dass der Betroffene der sog. Reichsbürgerbewegung anhängt und damit Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik verfolgt (§ 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG)“. Ohne weitere Begründung und ohne den konkreten Sachverhalt anhand der zwingend erforderlichen Voraussetzungen des Waffengesetzes zu prüfen, schloss das PP Köln auf die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Annahme gerechtfertigt sei, „dass dieser die Waffen im Sinne von € § 46 Abs. 4 Nr. 2 WaffG missbräuchlich verwenden oder an einen Nichtberechtigten abgeben wird“.

Dabei hat die Behörde allerdings in ihrem Antrag auf Erlass des Durchsuchungsbeschlusses das hier entscheidende Wort der Vorschrift des § 46 Abs. 4 Nr. 2 WaffG dem Amtsrichter vorenthalten: Es müssen Tatsachen vorliegen, die die Annahme einer missbräuchlichen Verwendung oder Abgabe an Nichtberechtigte rechtfertigen. Tatsachen lagen allerdings nicht vor: Bei der Durchsuchung wurde festgestellt, dass der Waffenbesitzer sämtliche Waffen ordnungsgemäß aufbewahrt und darüber hinaus (vom WaffG nicht gefordert) jede einzelne Waffe mit einem Abzugsschloss zusätzlich gesichert hatte.

Die Begründung ist noch aus einem weiteren Grund unhaltbar: Die Behörde hat – ohne Prüfung – die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zunächst festgestellt und erst im zweiten Schritt die gesetzlichen Voraussetzungen aufgeführt und als gegeben behauptet. Sie hat somit dem Amtsrichter suggeriert, die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit sei anhand der gesetzlichen Voraussetzungen des WaffG geprüft und festgestellt worden. Dies ist einerseits mangels Vorliegen von Tatsachen sachlich unrichtig und zweitens mit Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts nicht vereinbar. Zwar gibt es im Verwaltungsrecht keine generelle Unschuldsvermutung. In zahlreichen Fällen muss zum Beispiel der Bürger der Behörde die Einhaltung von besonderen Sorgfaltspflichten, im vorliegenden Fall also die Einhaltung der waffenrechtlichen Sorgfaltsmaßstäbe, nachweisen. Wird aber der Nachweis ohne konkrete – und im Einzelfall begründete – Tatsachengrundlage verlangt und im Fall des Nichtbeweises die Verletzung von Vorschriften vermutet, würde eine Schuldvermutung vorliegen. Diese Schuldvermutung widerspricht jedoch den Vorgaben des Waffenrechts, das eine Sanktion (Sicherstellung, Widerruf oder Rücknahme) ausschließlich dann erlaubt, wenn Tatsachen eine solche behördliche Maßnahme decken.

Sowohl gegen den erlassenen Durchsuchungs- und Sicherstellungsbeschluss des Amtsgerichts als auch gegen den später ergangenen Sicherstellungsbescheid der Waffenbehörde wurden Rechtsmittel eingelegt.

Rechtsanwalt Philip Keller

Köln


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