Online-Coaching-Verträge nichtig

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Online-Coachings bzw. Online-Kurse können, unabhängig davon, ob der Teilnehmer des Online-Kurses Verbraucher oder Unternehmer, nichtig sein.

1. Nichtigkeit wegen Wuchers

Vor dem Landgericht Stade wurde die Klage eines Anbieters von Online-Coaching-Seminaren auf Zahlung restlicher Vergütung abgewiesen und gleichzeitig der Feststellungsklage der Kundin, dass der Vertrag nichtig ist, stattgegeben. Das Landgericht Stade sah den Vertrag, der ein Online-Coaching zum Preis von € 30.000,00 beinhaltete, als wucherähnliches Geschäft und damit sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB an. Aus dem Urteil:

"Bei der Vereinbarung handelte es sich um ein sittenwidriges Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB. Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB    sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht (a.) und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der    subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt (b.). Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist. Ist das    Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu (..)."

LG Stade, Urteil v. 18.08.21 - 3 O 5/22

2. Nichtigkeit wegen fehlender Zulassung

Der Online-Coaching-Anbieter ging in Berufung. Das zuständige Oberlandesgericht Celle wies die Berufung zurück wegen fehlender Zulassung des Anbieters nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz - FernUSG.

Das Gericht stellte fest, dass derartige Verträge nur dann wirksam sind, wenn der Online-Coach über die erforderliche staatliche Zulassung verfügt, was im vorliegenden Fall nicht der Fall war. Aus dem Urteil:

"Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist gem. § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig, weil der Kläger unstreitig nicht über die gem. § 12 FernUSG erforderliche Zulassung für Fernlehrgänge  verfügt."

OLG Celle, Urteil v. 01.03.2023 - 3 U 85/22

Das FernUSG ist anwendbar, wenn ein Lehrgang auf vertraglicher Basis gegen Entgelt angeboten wird und eine individuelle Lernerfolgskontrolle stattfindet. Zudem müssen Lernende und Lehrende überwiegend räumlich getrennt sein; d.h. Präsensenzseminare oder Phasen synchroner Kommunikation (präsenzäquivalente Online-Veranstaltungen) dürfen einen Anteil von 50 % nicht überschreiten. Die Lernerfolgskontrolle ist entgegen dem ersten Verständnis keine Kontrolle wie sie überlicherweise bei Klausuren oder Tests verstanden wird, sondern eine Lernerfolgskontrolle liegt bereits dann vor, wenn die Teilnehmern vertraglich die Möglichkeit haben,  Fragen zu stellen und durch die Antworten selbst ihren Lernerfolg überprüfen können (BGH, Urteil v. 15.10.2009 - III ZR 310/08).

Liegt keine Zulassung vor, ist der Vertrag nichtig. Folge davon ist, dass keine Kündigung oder ein Widerruf erklärt werden muss. Der Vertrag ist von Anfang an als nicht existent zu betrachten. Etwaige gezahlte Vergütungen können nach § 812 BGB zurückgefordert werden.

3. Anwendbarkeit

Untsreitig ist, dass das FernUSG auf einen Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher anwendbar ist. Das Landgericht Frankfurt a. M, hat mit Urteil vom 15.9.2023 (Az. 2-21 O 323/21) entschieden, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) auf Verträge zwischen zwei Unternehmern im Sinne des § 14 BGB nicht anwendbar ist. Das OLG Celle führt in seiner zitierten Entscheidung (OLG Celle, Urteil v. 01.03.2023 – 3 U 85/22) dagegen aus, dass das FernUSG auch auf Sachverhalte anwendbar ist, in dem zwei Unternehmer beteiligt sind. Nachvollziehbar wird dies damit begründet, dass das FernUSG – abgesehen von § 3 Abs. 3 FernUSG – den Begriff des Verbrauchers nicht verwendet. Insbesondere gibt es – anders als z. B. in § 1 Abs. 1 VerbrKrG a.F. und § 6 Nr. 1 HWiG a.F. – keine gesonderte Vorschrift, die die Anwendung des Gesetzes im Ergebnis explizit nur für Verbraucherverträge vorschreibt. Ebenso LG Hannover, Urteil v. 20.02.202313 S 23/2:

Die Regelung kommt auch im b2b-Verhältnis zur Anwendung (Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, § 2 Die gesetzlichen Definitionen der Begriffe Verbraucher und Unternehmer Rn. 31, beck-online). Geschützt wird der Teilnehmer in ähnlicher Weise wie ein Verbraucher (BeckOGK/Alexander, 1.11.2022, BGB § 13 Rn. 169.1; BeckOK BGB/Martens, 63. Ed. 1.8.2022, § 13, Rn. 19, beck-online), ohne Verbraucher im Sinne des § 13 BGB sein zu müssen. Das FernUSG bestand bereits vor Einführung des Verbraucherbegriffs im Sinne des § 13 BGB. Der Begriff „Teilnehmer“ ist nicht auf Verbraucher in diesem Sinne beschränkt.

Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion liegen nicht vor. Anhaltspunkte für eine planwidrige Zuvielregelung bestehen nicht. Soweit in der Gesetzesbegründung vom Verbraucherschutz die Rede ist, schließt dies eine Anwendung auf Unternehmer im Sinne des § 14 BGB nicht aus, die im Hinblick auf die Vermittlung von Wissen der Sache nach auch Endverbraucher sind. Insoweit handelt es sich um Verbraucherschutzrecht im weiten Sinne (Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, § 1 Verbraucherschutz und Privatautonomie Rn. 4, beck-online). Der Gesetzgeber hat auch keine Gelegenheit wahrgenommen, den vom FernUSG geschützten Personenkreis einzuschränken, indem er im Rahmen von Änderungen des FernUSG den Begriff „Teilnehmer“ nicht durch den Begriff „Verbraucher“ ersetzt hat.

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Philip Keller

Rechtsanwalt


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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