Verdachtskündigung des Arbeitgebers

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Entscheidung: BAG, Urteil vom 31.01.2019

Sachverhalt:

Der Arbeitnehmer stand seit 1996 in einem Beschäftigungsverhältnis bei einem Arbeitgeber, der Kraftfahrzeuge produziert. Der Arbeitgeber stellte dem Arbeitnehmer einen Pkw nebst Tankkarte auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Nach Angaben des Herstellers fasste der Kraftstofftank des dem Arbeitnehmer überlassenen Wagens 93 Liter. Bei einer Revisionsprüfung stellte der Arbeitgeber fest, dass in 14 Fällen der Arbeitnehmer mehr als 93 Liter getankt hatte. Es bestand deshalb der Verdacht, dass der Arbeitnehmer nicht nur sein Dienstfahrzeug betankt hatte. Aufgrund dessen kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die Kündigung wurde darauf gestützt, dass zumindest der dringende Verdacht bestünde, dass der Arbeitnehmer die ihm zur Verfügung gestellte Tankkarte mehrfach missbraucht habe, um andere Kraftfahrzeuge oder Behältnisse auf Kosten des Arbeitgebers zu betanken. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat der Feststellungsklage des Arbeitnehmer, dass die Kündigung unwirksam sei, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat der Berufung des Arbeitgebers teilweise entsprochen und den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Die vom Arbeitnehmer eingelegte Revision wurde als unbegründet vom BAG zurückgewiesen.

Das BAG hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass der Verdacht einer Pflichtverletzung gegenüber dem verhaltensbezogenen Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung tatsächlich begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt.

Bei einer Tatkündigung muss das Gericht davon überzeugt sein, der Arbeitnehmer habe eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung begangen. Die diese Würdigung tragenden Indiztatsachen müssen entweder unstreitig oder bewiesen sein. 

Hingegen muss das Gericht bei einer Verdachtskündigung mit dem nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Grad an Gewissheit zu der Überzeugung gelangen, der Arbeitnehmer weise aufgrund des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen Eignungsmangel auf. Die den Verdacht begründenden (Indiz-)Tatsachen müssen ihrerseits unstreitig sein oder vom Arbeitgeber bewiesen werden. 

Eine Verdachtskündigung sei stets eine personenbedingte Kündigung, keine verhaltensbedingte Kündigung. Es müsse eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Verdacht, den der Arbeitgeber äußere, auch tatsächlich zuträfe. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen würden nicht ausreichen. Der Arbeitgeber müsse alles unternehmen, um festzustellen, ob sich der Verdacht tatsächlich als richtig erweise. Will der Arbeitgeber eine außerordentliche Verdachtskündigung aussprechen, müsse er die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB (2 Wochen) einhalten. 

Diese Kündigungserklärungsfrist gilt jedoch nur für außerordentliche Kündigungen. Eine entsprechende Anwendung auf ordentliche Kündigung scheidet aus. Ein längeres Zuwarten des Arbeitgebers, trotz Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Umständen, kann indes zu der Annahme berechtigen, die Kündigung sei nicht im Sinn von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch einen objektiv vorliegenden Grund „bedingt“.

Fazit:

Will der Arbeitgeber wegen des Verdachts einer Straftat dem Arbeitnehmer kündigen und zwar außerordentlich und hilfsweise ordentlich, so rate ich an, wenn möglich auch bei der ordentlichen Kündigungserklärung die Zweiwochenfrist einzuhalten.

RA Daniel Müller

LL. M. Eur.


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